# taz.de -- Eskalation im Südkaukasus: Ruhe nach russischer Intervention
       
       > Zwischen Armenien und Aserbaidschan ist es zu den schwersten Kämpfen seit
       > einem Jahr gekommen. Nun schweigen die Waffen wieder – vorerst.
       
 (IMG) Bild: Einschusslöcher an einem Haus in der Region Bergkarabach, September 2021
       
       BERLIN taz | An der Grenze zwischen den Südkaukasusrepubliken Armenien und
       Aserbaidschan schweigen die Waffen wieder – doch es fragt sich, für wie
       lang. Am Dienstagabend teilte das armenische Verteidigungsministerium mit,
       dass nach einer entsprechenden Intervention Russlands ein Waffenstillstand
       mit Aserbaidschan ausgehandelt worden sei. Zuvor hatte Jerewan Moskau im
       Rahmen eines bilateralen Abkommens aus dem Jahr 1997 offiziell um
       Unterstützung zum „Schutz der territorialen Integrität der Republik
       Armenien“ ersucht.
       
       Am Dienstag waren die Kämpfe eskaliert. Dabei sollen beide Seiten
       Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge und Schusswaffen verschiedener Kaliber
       eingesetzt haben. Nach armenischen Angaben sollen auf armenischer Seite ein
       Soldat getötet, 13 Soldaten gefangen genommen und mehrere Personen verletzt
       worden sein. 24 Soldaten würden noch vermisst.
       
       Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium teilte am Mittwoch mit,
       dass sieben seiner Soldaten getötet und zehn weitere verletzt wurden. Es
       waren die schwersten militärischen Auseinandersetzungen, seit Armenien und
       Aserbaidschan ihren Krieg um die von Armenier*innen bewohnte Region
       [1][Bergkarabach] am 10. November 2020 für beendet erklärt hatten.
       
       Laut der Vereinbarung vom 10. November 2020, deren Umsetzung 2.000
       russische Friedenstruppen absichern sollen, verliert Armenien die Kontrolle
       über alle sieben Regionen, die Bergkarabach umgeben. Davon ausgenommen ist
       der „Laschinkorridor“ auf einer Breite von fünf Kilometern, der Armenien
       mit Bergkarabach verbindet. Auch die Stadt Schuschi (Aserbaidschanisch:
       Schuscha) und einige weitere Landstriche in Bergkarabach fallen an
       Aserbaidschan. Der Status von Bergkarabach ist nach wie vor nicht
       definiert.
       
       Bereits im vergangenen Mai hatte Armenien den Vorwurf erhoben, [2][dass
       aserbaidschanische Truppen die Staatsgrenze zu Armenien in der südlichen
       Provinz Sjunik überschritten hätten] und 3,5 Kilometer auf armenisches
       Gebiet vorgerückt seien.
       
       ## Aufruf zu „maximaler Panik“
       
       Am Dienstag bestätigte Jerewan, dass Aserbaidschan zwei armenische
       Stützpunkte erobert hat. In einer Presseerklärung des aserbaidschanischen
       Verteidigungsministeriums hieß es, armenische Soldaten hätten ihre
       Positionen in Angst und Panik verlassen.
       
       Auch unter der Bevölkerung im Süden Armeniens herrscht Panik. Vergangene
       Woche hatte die aserbaidschanische Seite mehrere Zollkontrollpunkte an der
       Hauptstraße Goris-Kapan in der Provinz Sjunik, im Südosten Armeniens,
       eingerichtet. Durch die Sperrung dieser Straße sind mehrere armenische
       Dörfer abgeschnitten. Derzeit baut die armenische Regierung alternative
       Straßen, um einen Zugang zu diesen Dörfern sicherzustellen.
       
       „Die Bewohner*innen von mindestens sechs armenischen Dörfern haben
       große humanitäre Probleme, weil sie total abgeschottet sind“, sagte der
       armenische Menschenrechtler Armen Tatoyan gegenüber der taz, „die
       aserbaidschanischen Streitkräfte bedrohen das Recht auf Leben und die
       Sicherheit der Bevölkerung.“
       
       Doch nicht nur an Armeniens südlicher Grenze droht Ungemach. Jerewan muss
       eine Landverbindung zwischen den westlichen Regionen Aserbaidschans und
       [3][der aserbaidschanisch besiedelten autonomen Region Nachitschewan]
       sicherstellen, zu der Aserbaidschan bisher keinen direkten Zugang hat.
       Dadurch würde auch die Türkei, die Aserbaidschan im Krieg um Bergkarabach
       militärisch unterstützt hatte, einen direkten Zugang zu seinem Verbündeten
       Aserbaidschan und zum Kaspischen Meer bekommen.
       
       Die Eröffnung dieser Kommunikationswege will Baku auf seine Art und Weise
       lösen. Seit Dienstag fordert ein aserbaidschanischer Telegram-Kanal dazu
       auf, nach einem Zufallsprinzip armenische Telefonnummern anzurufen oder
       Armenier*innen Sprachnachrichten zu senden, in denen sie aufgefordert
       werden, die Region Sjunik zu verlassen. „Lasst uns eine telefonische
       Terroraktion gegen die Armenier*innen starten“, heißt es einer
       Erklärung des Kanals. „Wir verbreiten maximale Panik.“
       
       Dieser Text wurde aktualisiert um 12.05 Uhr.
       
       17 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Bergkarabach/!t5217138
 (DIR) [2] /Konflikt-Armenien-und-Aserbaidschan/!5767606
 (DIR) [3] /Tuerkei-und-Aserbaidschan/!5729858
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tigran Petrosyan
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Armenien
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Aserbaidschan
 (DIR) Armenien
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Schwerpunkt Bergkarabach
 (DIR) Aserbaidschan
 (DIR) Aserbaidschan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Annäherung von Türkei und Armenien: Sie wollen miteinander reden
       
       Jerewan und Ankara haben Sondergesandte ernannt, um die Feindschaft
       zwischen den Ländern zu überbrücken. Das Ziel: diplomatische Beziehungen.
       
 (DIR) Eskalation im Südkaukasus: Alijews Appetit kommt beim Essen
       
       Die neueste Eskalation im Südkaukasus kommt nicht überraschend. Denn
       Aserbaidschans autokratischer Präsident will mehr.
       
 (DIR) Journalismus in Armenien: Zwischen Trauma und Verantwortung
       
       Der Krieg um Bergkarabach machte Journalisten des TV-Senders CivilNet
       unweigerlich zu Kriegsreportern. Bis heute prägt das ihre Arbeit.
       
 (DIR) Geld für autokratisches Regime: Anrüchige Schein-Geschäfte
       
       Vor einem Jahr ging der Krieg um Bergkarabach zu Ende. Nun druckt Giesecke
       & Devrient wohl Propaganda-Banknoten für Aserbaidschan.
       
 (DIR) Stiftungsprofessur wird abgewickelt: Aserbaidschan nicht mehr in Berlin
       
       Aus für aserbaidschanische Geschichte an der HU: Der Studierendenrat hatte
       die von dem Regime finanzierte Professur scharf kritisiert.