# taz.de -- Folter gegen Gefangene in Iran: Gezielter Angriff auf die Psyche
       
       > In Iran sind Scheinhinrichtungen eine gängige Folter-Methode. Auch der
       > kurdische Rap-Musiker Saman Yasin musste diese Qualen erdulden.
       
 (IMG) Bild: Inhaftierte im Teheraner Evin-Gefängnis
       
       BERLIN taz | Berichte über Scheinhinrichtungen in der Islamischen Republik
       Iran häufen sich. Betroffen war auch der kurdische Rap-Musiker Saman Yasin,
       der im Oktober 2022 [1][im Zuge der „Frau Leben Freiheit“-Proteste]
       inhaftiert worden war. In einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Brief
       schildert der politische Gefangene Ahmadreza Haeri die Scheinhinrichtung an
       Saman Yasin.
       
       Haeri ist gemeinsam mit Yasin inhaftiert, beide wurden zuletzt vom
       Evin-Gefängnis ins Qhezelhezar-Gefängnis verlegt. In seinem Brief
       veröffentlicht Haeri die Schilderungen Yasins von dessen Scheinhinrichtung
       vergangenes Jahr im Evin-Gefängnis.
       
       Noch während der Gerichtsprozess gegen den Rapper lief, soll Yasin demnach
       an einem frühen Morgen [2][im Dezember 2022] von Gefängniswärtern
       mitgenommen worden sein. „Sie fesselten meine Hände von hinten, legten mir
       Fußfesseln und eine Augenbinde an. Sie setzen mich in ein Auto und fuhren
       los“, schildert Yasin jenen Morgen. Die Beamten teilten ihm im Auto mit,
       dass sein Urteil ergangen sei und er hingerichtet werden solle. „Ich war
       wie erstarrt“, erzählt Yasin.
       
       ## Die Betroffenen denken, sie würden hingerichtet werden
       
       Die Beamten sollen ihm Stift und Zettel gegeben haben, um sein Testament
       niederzuschreiben. „Es war, als würde ich in einem schrecklichen Albtraum
       feststecken.“ Nach einer Stunde sei die Fahrt beendet gewesen. „Haji, ich
       habe ihn zur Vollstreckung des Urteils mitgebracht“, habe der Beamte zu
       seinem Kollegen gesagt.
       
       Weiter schildert Yasin die Geschehnisse: „Nachdem ich mit verbundenen Augen
       auf ein Podest gestellt worden war, fragte der Beamte seinen Kollegen:
       'Haji, soll ich das Podest wegstoßen?’ Der ältere Beamte antwortete: ‚Ja!
       Aber weil er jung ist, tut er mir leid. Versuch das Seil so zu binden, dass
       ihm beim Sturz das Genick gebrochen wird und er nicht zu sehr leidet.‘ Dann
       spürte ich das Brennen eines Seils um meinen Hals.“
       
       Saman Yasin wurde an jenem Morgen nicht hingerichtet. Zwei Tage später
       jedoch fällte der berüchtigte Richter Salavati sein Todesurteil. Die
       Nachricht über das Urteil schockierte Yasins Ehefrau so sehr, dass sie eine
       Fehlgeburt erlitt, wie es im Brief Haeris heißt.
       
       Was der kurdische Rapper erdulden musste, wird Scheinhinrichtung genannt.
       Es handelt sich um eine Foltermethode, bei der die Betroffenen denken, sie
       würden hingerichtet werden. Das ist ein gezielter Angriff auf die Psyche
       der Personen.
       
       ## 15 Scheinhinrichtungen vor seinem Tod
       
       In der Islamischen Republik Iran wird diese Foltermethode bei manchen
       Gefangenen mehrmals angewandt. Das Ziel ist, sie zu brechen oder ein
       Geständnis von ihnen zu erzwingen. Laut der Menschenrechtsorganisation
       Amnesty International war der Protestierende Majid Kazemi aus Isfahan
       bereits mindestens 15 Mal solchen Scheinhinrichtungen ausgesetzt, bevor er
       im Mai 2023 mit zwei weiteren Protestierenden in Isfahan tatsächlich
       hingerichtet wurde.
       
       Auch der 27-jährige Protestierende Sahand Noor-Mohammadzadeh war Berichten
       zufolge drei Mal solchen Scheinhinrichtungen ausgesetzt. Nachdem sein
       Todesurteil aufgehoben worden war, wurde er schließlich zu zehn Jahren und
       sechs Monaten Haft verurteilt.
       
       Einer der bekanntesten Fälle von Scheinhinrichtungen in Iran betrifft die
       Umweltschützerin Sepideh Kashani. Im Januar 2018 wurde sie mit weiteren
       Kolleg*innen festgenommen. Während der Verhörphase verbrachte sie mehr
       als zwei Jahre in [3][Isolationshaft], wo sie täglich in Todesangst lebte.
       
       In einem aus dem Evin-Gefängnis geschmuggelten Brief schilderte sie im
       Februar 2023 diese Verhöre, bei denen ein Geistlicher in ihrer Anwesenheit
       das Todesurteil ihres Ehemannes Houman Jokar verlesen haben soll. Dieser
       war ebenfalls inhaftiert.
       
       „Ich saß da, mit verbundenen Augen und mit dem Gesicht zur Wand, sodass ich
       den Mann, der da las, nicht sehen konnte. Aber er behauptete, ein
       Geistlicher zu sein“, schildert sie in diesem Brief.
       
       „Er verlas Houmans Todesurteil. Hier?! In diesem Raum?! Mein geliebter
       Houman!“ Weiter heißt es: „Plötzlich hörte ich, wie mir irgendjemand von
       hinten in mein Ohr flüsterte: ‚Wir werden dich irgendwann hier aufhängen.‘
       Ich war entsetzt. Der Tod war uns so nahe.“
       
       23 Nov 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniela Sepehri
       
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