# taz.de -- Friedrich Merz über seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz: „Falsche Zerrbilder über mich“
       
       > CDU-Chef will er immer noch werden. Seinen Job bei Blackrock sieht er
       > dafür nicht als Hindernis. Und von einer Frauenquote für seine Partei ist
       > er nicht überzeugt.
       
 (IMG) Bild: Friedrich Merz beim Ständehaus-Treffin Düsseldorf im August
       
       taz am wochenende: Herr Merz, was für ein Auto fahren Sie privat? 
       
       Friedrich Merz: Wir fahren privat einen Audi Q3. Warum interessiert Sie
       das?
       
       Fährt der schneller als 130 Stundenkilometer? 
       
       Selbstverständlich.
       
       Der Grünen-Chef Robert Habeck hat gesagt, dass es keine Beteiligung seiner
       Partei an einer Regierung gibt, solange auf deutschen Autobahnen nicht
       Tempo 130 gilt. Geht die Union da mit? 
       
       Wir führen über die taz keine Koalitionsverhandlungen! Außerdem ist das
       Tempolimit auf deutschen Autobahnen ein Randthema.
       
       Es könnte Menschenleben retten. 
       
       Die meisten Todesfälle gibt es auf Landstraßen und in den Innenstädten,
       viele innerhalb der geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen. Die Raserei
       in den Innenstädten oder auf Landstraßen ist das größere Problem, und da
       gilt bereits überall ein Tempolimit.
       
       Nehmen Sie das, was Habeck gesagt hat, nicht ernst? 
       
       Unser Land steht vor gewaltigen Herausforderungen. Wenn ein [1][Tempolimit]
       auf Autobahnen wirklich die höchste Priorität bei den Grünen hat, dann
       freue ich mich noch mehr auf den Wahlkampf.
       
       Halten Sie Schwarz-Grün im Bund für realistisch? 
       
       Die CDU regiert in einigen Bundesländern erfolgreich mit den Grünen. Ob das
       auch im Bund funktioniert, müssen wir gegebenenfalls nach der
       Bundestagswahl anschauen.
       
       Die stellvertretende grüne Fraktionsvorsitzende [2][Agnieszka Brugger]
       sieht bei Ihnen „vor allem eigene Machtambitionen und keine Wandlung weg
       vom eiskalten Mister Neoliberal“. Was antworten Sie? 
       
       Ich kenne die Dame nicht und weiß auch nicht, was sie damit meint.
       
       Dass Sie neoliberal sind. 
       
       Der Begriff wird ja bewusst missbraucht. Er stand ursprünglich für die
       Liberalen, die die soziale Marktwirtschaft konzipiert haben. Heute wird
       neoliberal als politischer Kampfbegriff von Leuten verwendet, die die
       Marktwirtschaft abschaffen wollen. Das ist ein klassisches Beispiel dafür,
       wie durch politisches Framing ein erfolgreiches Ordnungsprinzip
       diskreditiert wird.
       
       Sie sind kein Neoliberaler? 
       
       Ich bin ein Anhänger der sozialen Marktwirtschaft. Die ist weder einfach
       nur ‚kapitalistisch‘ noch ‚kalt‘, wie von der Linken immer wieder behauptet
       wird, sondern das System, dem wir Wohlstand und soziale Gerechtigkeit in
       Deutschland verdanken.
       
       Ihr Image als Neoliberaler ist nicht vom Himmel gefallen: Sie wollten mal
       das Rentenalter auf 70 erhöhen, haben den Kündigungsschutz infrage
       gestellt, wollen Aktienkäufe steuerlich fördern und Arbeitslose zum
       Graffiti-Wegputzen verpflichten. 
       
       Da haben Sie ja alles in einen Topf gerührt. Einiges davon habe ich nie
       gesagt.
       
       Was? 
       
       Ich habe nie die Rente mit 70 gefordert, auch wenn das, neben vielem
       anderen, immer noch durch die sozialen Medien geistert. Die Leute sollten
       vielleicht nicht nur die Titel und Kapitelüberschriften meiner
       Publikationen lesen, sondern auch den Inhalt. Damals, im Jahr 2000, habe
       ich die Frühverrentung für den falschen Weg gehalten und eine Anpassung der
       Lebensarbeitszeit an die gestiegene Lebenserwartung gefordert. Die kam dann
       ja mit der Rente mit 67, und es ist bedauerlich, dass das nun in Teilen
       wieder rückgängig gemacht wird.
       
       Friedrich Merz ist eine eingeführte Marke. Glauben Sie, dass Sie Ihr Image
       Richtung politische Mitte noch verändern können? 
       
       Vielen Dank, das verstehe ich als Kompliment. Wir haben in der deutschen
       Politik zu wenig klar erkennbare Marken. Mein Markenkern ist die soziale
       Marktwirtschaft, mit der Betonung auf beidem: sozial und Markt. Damit stehe
       ich genau in der politischen Mitte. Und bei Sozialausgaben von einer
       Billion Euro pro Jahr ist es legitim, darauf hinzuweisen, dass wir uns
       nicht zu weit vom Markt entfernen sollten. Denn dort wird das Geld
       erwirtschaftet.
       
       Sie haben gesagt, mit einem Jahreseinkommen von einer Million Euro zur
       gehobenen Mittelschicht zu gehören. Sehen Sie das noch immer so? 
       
       Woher wollen Sie denn wissen, wie hoch mein Jahreseinkommen ist?
       
       Ist das zu wenig? Das war die [3][Schätzung] in Medienberichten. 
       
       Meine Frau und ich sind beide berufstätig, wir leben ganz normal in einem
       kleinen Ortsteil einer Stadt im Sauerland. Ich habe in diesem Land auch
       immer ordentlich Steuern bezahlt. Wirtschaftliche Unabhängigkeit war und
       bleibt für mich die Basis für meine politische Tätigkeit.
       
       Verstehen Sie, dass Sie mit sozialer Kälte und Arroganz assoziiert werden? 
       
       Ich nehme wahr, dass manche politischen Gegner und leider auch Teile der
       Medien mit solchen Zerrbildern immer wieder Stimmung gegen mich machen.
       Aber sie sind falsch. Und viele, die mich näher kennen, wissen das auch –
       selbst wenn sie anderen Parteien angehören.
       
       Sie wären der erste Bundeskanzler, der Aufsichtsratschef eines
       multinationalen Finanzkonzerns war. Ist diese Nähe zwischen
       Finanzwirtschaft und Politik gut für die politische Kultur? 
       
       Ich wäre der erste Parteivorsitzende der CDU, der nicht nur eine
       parteipolitische Karriere gemacht, sondern zweimal zwischen Politik und
       Beruf gewechselt hat. Das wäre für Deutschland neu, aber allein deshalb
       nicht schlecht.
       
       Fürchten Sie, dass ihr Job bei Blackrock für Sie zum Problem im Wahlkampf
       werden kann? 
       
       Ich habe noch nie für ein Unternehmen gearbeitet, dessen ethische
       Grundsätze ich nicht vertreten kann. [4][Blackrock] ist ein fantastisches
       Unternehmen und hat auch in Deutschland dazu beigetragen, dass mehr
       Menschen Aktionäre geworden sind. Das kann Altersarmut verhindern und ist
       deshalb genau meine Position.
       
       Für die Grünen oder die SPD sind Sie der ideale Gegner, oder? 
       
       Ich hoffe, dass ich der ideale Vorsitzende der CDU bin. Ich definiere meine
       Person nicht danach, ob es Vor- oder Nachteile für politische Gegner haben
       kann. Mir geht es um die klare Profilierung der CDU.
       
       Bleiben Sie bei Ihrer Kampfkandidatur auf dem CDU-Parteitag? Oder einigen
       Sie sich vielleicht doch vorab mit Armin Laschet? 
       
       Kampfkandidatur ist der falsche Begriff, denn ich trete bekanntlich nicht
       gegen einen Amtsinhaber an. Es gibt drei Bewerber für die Nachfolge einer
       Parteivorsitzenden, die nach zwei Jahren nicht mehr zur Verfügung steht.
       Das ist in einer Demokratie doch ein völlig normaler Vorgang und sollte
       nicht als „Kampfkandidatur“ geframt werden.
       
       Tun Sie Ihrer Partei gut? 
       
       In den Umfragen sowohl bei CDU-Mitgliedern als auch bei den Bürgern liege
       ich bei der Frage vorn, wer der beste Vorsitzende wäre. Wieso sollte das
       der Partei schaden? Außerdem muss die CDU wieder lernen, ohne Rücksicht auf
       die Regierung eigenständig Politik zu formulieren. 2021 werden die
       Unterschiede zwischen den Parteien wieder deutlicher zutage treten müssen.
       Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass das Profil der CDU wieder
       klarer wird. Regieren ist kein Selbstzweck. Wir müssen sagen, wohin wir
       unser Land in zehn Jahren führen wollen.
       
       Das Erfolgsmodell von Angela Merkel war doch, nicht scharf unterscheidbar
       von SPD und Grünen zu sein. Das wollen Sie ändern? 
       
       Ich erinnere an die Bundestagswahl 2017, da hat die CDU das schlechteste
       Wahlergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Das wird im Augenblick
       überstrahlt durch das gute Krisenmanagement von Angela Merkel. Aber wir
       wissen, dass es spätestens mit der Bundestagswahl 2021 so nicht weitergeht.
       Das Potenzial der CDU liegt zurzeit bei den Stammwählern allenfalls in
       einer Größenordnung zwischen 25 und 30 Prozent, uns geht es also in den
       Umfragen besser als der Partei in der Gesellschaft. Daran müssen wir etwas
       ändern.
       
       Auf dem CDU-Parteitag wird auch über eine verbindliche Frauenquote von 50
       Prozent ab 2025 abgestimmt. Wie werden Sie votieren? 
       
       Eine Quote ist immer nur die zweitbeste Lösung, ob in der Politik oder in
       der Wirtschaft. Denn sie wird von oben bestimmt. Besser wäre es, das
       Problem von unten zu lösen, also mehr Frauen als Mitglieder zu gewinnen.
       
       Das wird seit Jahrzehnten versucht. Sie sind ein selbstbewusster, mitunter
       breitbeinig auftretender CDU-Politiker. Wie wollen Sie Wählerinnen
       gewinnen? 
       
       Ich kann nicht erkennen, dass die Zustimmung von Frauen zu mir unter dem
       Durchschnitt der CDU liegt. Ich würde sogar die These vertreten: Das
       Gegenteil ist richtig.
       
       Ach ja? 
       
       Schauen Sie sich mal an, wie viel Zustimmung ich von Frauen jeden Alters
       über die sozialen Netzwerke bekomme. Da gibt es zum Beispiel [5][„Wir
       Frauen für Friedrich Merz“,] eine von mir nicht beeinflusste, breit
       angelegte Initiative. Für keinen der beiden anderen Bewerber gibt es etwas
       Vergleichbares. Und ich freue mich natürlich sehr darüber. Ohne jemandem zu
       nahe treten zu wollen: Wir haben seit zwanzig Jahren weibliche
       Parteivorsitzende und seit 15 Jahren eine Frau als Bundeskanzlerin. Das
       muss uns erst mal jemand nachmachen. Aber die Tatsache, dass das an der
       Spitze so gut funktioniert, hat offensichtlich nicht dazu geführt, dass wir
       unten, also bei den Mitgliedern, das strukturelle Problem gelöst hätten.
       
       Angela Merkel ist schuld? 
       
       Noch mal: Ich bestreite das Problem nicht. Aber ich bin nicht davon
       überzeugt, dass wir das allein mit Quoten lösen. Das sehen übrigens auch
       eine ganze Reihe von Frauen in der CDU so. Die Trennlinie verläuft in
       meiner Partei nicht zwischen ‚bösen alten weißen Männern‘ und ‚guten jungen
       Frauen‘.
       
       Wollen Sie das Problem nur durch Appelle lösen? 
       
       Wir diskutieren Möglichkeiten, wie man den Kreisverbänden der CDU genügend
       Anreize geben kann, mehr Frauen als Mitglieder zu gewinnen. Dazu braucht es
       ein gut durchdachtes Anreizsystem für die Orts- und Kreisverbände. Ich gebe
       zu, es hat bis jetzt noch keiner den Stein der Weisen gefunden. Aber der
       Parteitag in Stuttgart wird dazu eine Entscheidung treffen müssen.
       
       Aktuell laufen die Nominierungen für die Wahlkreise. Kandidieren Sie? 
       
       Im Moment konzentriere ich mich auf den Parteitag.
       
       Was ist, wenn Sie in Stuttgart nicht zum CDU-Vorsitzenden gewählt werden?
       Hält Blackrock Ihnen ein Plätzchen frei? 
       
       Nein. Und über das ‚Was wäre wenn...‘ denke ich nicht nach. Ich trete an,
       um die Abstimmung in Stuttgart zu gewinnen.
       
       29 Aug 2020
       
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