# taz.de -- Gamescom in Köln: Das unterschätzte Spiel
       
       > Die Videospielmesse in Köln war wieder „das weltweit größte Games-Event“.
       > Die Branche kämpft in Deutschland noch immer um Anerkennung.
       
 (IMG) Bild: Kein Profispieler: Robert Habeck (Grüne) in einem Umweltsimulator bei der Gamescom
       
       Dieses Jahr war es deutlich enger auf der Gamescom als noch im Vorjahr. Die
       Angst vor der Pandemie ist spürbar verflogen und mit ihr auch das
       Hygienekonzept. Für fünf Tage fand in den Hallen der [1][Kölner] Messe die
       größte Videospielmesse der Welt statt. Als Besucher:in traf man
       unweigerlich auf lange Warteschlangen bis zu dreieinhalb Stunden, nur um
       einen Einblick in [2][die neuesten Videospiele] zu bekommen – mit Schweiß
       und abgestandener Luft in der Nase und lauter Musik von Trailern auf
       überdimensionalen Leinwänden auf die Ohren. Waren es letztes Jahr noch
       265.000 Gäste, reichte die Gamescom dieses Jahr an gut 320.000 heran.
       
       Kein Wunder – schließlich ist die Gamingindustrie längst größer als die
       Film- und Musikindustrie zusammen. Auch aus der deutschen Politik kamen
       pünktlich zur Eröffnung der Messe wertschätzende Statements, wie wichtig
       doch die Unterstützung der Gaming-Branche sei. Nur sieht die Realität
       anders aus.
       
       Die großen Spiele, die in diesem Jahr vorgestellt wurden, hießen unter
       anderem „Starfield“, ein Science-Fiction-Rollenspiel, das den
       Spieler:innen über 1.000 Planeten zum Erkunden geben und neue Maßstäbe
       setzen soll. Das Entwicklerstudio Bethesda arbeitet seit knapp acht Jahren
       an dem Spiel und die Erwartungen sind entsprechend hoch.
       
       ## Jenseits der Sterne
       
       Den Spieler:innen wird ein unvergleichliches Weltraumabenteuer
       versprochen, jenseits der Sterne und aller Maßstäbe. Auf der Gamescom sah
       man nicht nur neue Trailer und Spielszenen, sondern auch die ersten Minuten
       des Spiels. Auch der Trailer zum „Assassin’s Creed Mirage“ von dem
       französischen Entwickler Ubisoft wurde gezeigt. Das Spiel rund um den
       Assassinen Basim in Bagdad wird nicht nur seit Jahren von den Fans
       erwartet, auch ein Teil der wirtschaftlichen Zukunft von Ubisoft hängt von
       dem Titel ab.
       
       Die größten Spiele der Messe konnte man bereits zuvor am Dienstagabend
       [3][auf der „Opening Night Live“ sehen]. Der Livestream, der die Gamescom
       eröffnet, wurde erstmals 2019 als unscheinbare Veranstaltung abgehalten.
       Heute kommen prominente Namen auf die Bühne, Tausende Zuschauer:innen
       schalten sich dazu.
       
       Im Stream wurde ein imposanter Trailer zum Spiel „Black Myth: Wukong“
       gezeigt, der sowohl die Spielmechaniken als auch die Welt zeigte. Es ist
       die spielerische Umsetzung der chinesischen Sage „Die Reise nach Westen“,
       in der man den Affenkönig Wukong steuert und immer stärkere Fantasy-Gegner
       bekämpft.
       
       Die Vorfreude auf dieses Spiel ist so groß, dass man auf der Gamescom nicht
       nur stundenlang für neue Einblicke anstand, auch der wirtschaftliche Erfolg
       des Titels scheint schon jetzt gesichert zu sein. Zugleich ist das Spiel
       der klare Versuch vonseiten Chinas, sich einen Markt zu erschließen, der
       bisher primär von sogenannten westlichen Ländern und Japan gesteuert wurde.
       
       Chinesische Präsenz gab es auch abseits der Spiele: Die Business Lounge war
       von TikTok gesponsert, der Cloud-Dienst von Tencent, Chinas größtem
       Internet Anbieter, stark beworben. Ohnehin hat sich das Unternehmen Tencent
       in den letzten Jahren aggressiv in große Studios eingekauft oder sie direkt
       übernommen.
       
       ## Förderung gekürzt
       
       In Deutschland stehen Wirtschaft und Politik der größten
       Unterhaltungsindustrie der Welt aber deutlich verhaltener gegenüber. In
       einem Strategiepapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
       wird die Gaming-Branche als „Wirtschaftsbereich für innovative Lösungen“
       und „Pool für hochqualifizierte Arbeitskräfte im Digitalsektor“ genannt.
       Sie sei „digitaler Frontrunner“ und „Innovator für den
       Technologietransfer“.
       
       Auf dem Papier sind das die Schlagworte, die die FDP nicht müde wird zu
       betonen. Trotzdem hat Finanzminister Christian Lindner die staatliche
       Spieleförderung um ein Vielfaches gekürzt. Lag diese bisher noch bei
       jährlichen 70 Millionen Euro, sollen es 2024 nur noch 48,7 Millionen Euro
       sein. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck unterstrich bei der Eröffnung
       der Messe, wie wichtig die Industrie für die Zukunft sei: „Die
       Computerspielbranche ist ein wichtiger Innovationstreiber. Für unseren
       Wirtschaftsstandort ebenso wie für unsere IT-Expertinnen und -Experten von
       morgen.“ Durch die massiven Kürzungen wird Deutschland als
       Wirtschaftsstandort aber keineswegs attraktiver für die
       Entwicklungsstudios.
       
       Auch im Vergleich zur europäischen Nachbarschaft droht Deutschland den
       Anschluss zu verlieren. Und das, obwohl die Bundesrepublik der
       international fünftgrößte Markt für Videospiele ist und mit der Gamescom
       die größte Messe für eben diese hat.
       
       Dass die Gamescom schon längst nicht mehr nur für Spiele steht, lässt sich
       auch an der Opening Night Live ablesen. Dort stellte der
       Hollywood-Regisseur Zack Synder „Rebel Moon“ vor, seine neueste
       Filmproduktion für Netflix. Streamingdienste wie Amazon Prime und
       Crunchyroll sind ebenso auf der Messe vertreten wie Produktionsformen für
       Hardware wie AMD.
       
       ## Kritische Seiten der Branche
       
       Damit zeigt die Gamescom, dass der Videospielmarkt ein Konglomerat aus
       vielen Industrien ist. Von der Elektroindustrie über die Programmierung bis
       hin zum Marketing und Streaming. Sie zeigt, was technisch möglich ist und
       wohin sich die Technik- und Unterhaltungsbranche entwickeln könnte in den
       nächsten Jahren.
       
       Die Gamescom bleibt aber primär eine Messe für Spieler:innen, nicht für
       Investor:innen. Es kommen diejenigen, die die Gaming-Kultur feiern, sich
       als ihre liebsten Spielfiguren verkleiden und ihre
       Lieblingsstreamer:innen und Social-Media-Stars treffen wollen. Neben
       dem Anspielen der neuesten Titel steht auch der Austausch mit anderen im
       Mittelpunkt.
       
       Doch neben den Austausch mit anderen Fans und Spielen werden auf den Podien
       auch die kritischen Seiten der Branche beleuchtet. Natürlich gibt sich die
       Branche besonders in diesen Tagen äußerst inklusiv und divers, was nicht
       heißt, dass Gaming nicht mit Sexismus und Belästigung zu kämpfen hat. Das
       sieht man bereits an Entwicklungsstudios wie Activision Blizzard, die nach
       jahrelangen Vorwürfen und einem Sexismusskandal kürzlich 35 Millionen
       Dollar Strafe zahlen mussten.
       
       Doch nicht nur Activision Blizzard fehlte dieses Jahr mit einem Stand vor
       Ort, auch andere Entwickler wie Sony, Epic Games oder Electronic Arts waren
       nicht vertreten. Bislang fällt das nicht zu sehr auf, da sich andere Namen
       noch breiter gemacht haben. In diesem Jahr gab es rund 1.200
       Aussteller:innen aus 63 Ländern, doch wenn in den nächsten Jahren noch
       mehr der Big Player ausbleiben, kann das die Gamescom gefährden. Auch nach
       der Pandemie hat die Messe also einige Herausforderungen vor sich.
       
       3 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Sozialdemokraten-in-NRW/!5952980
 (DIR) [2] /Klimakrise-in-Serien-und-Games/!5948032
 (DIR) [3] https://www.youtube.com/live/CSxqwnlCi0k?si=HbAErx1WR-_RefV_
       
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