# taz.de -- Gefriertrocknen auf Tiktok: Je explodierter, desto besser
       
       > Gefriertrocknung ist eigentlich dafür da, Lebensmittel haltbar zu machen.
       > Süßigkeiten kann man so den Supercrunch verpassen.
       
 (IMG) Bild: Und ab damit in den Gefriertrockner
       
       Seit Neuestem bin ich süchtig nach einem süßen [1][Trend auf Tiktok], der
       mich acht Jahre zurückkatapultiert. Zum Schulaustausch nach Ohio, wo wir an
       vielen Abenden noch losfuhren, um nach dem Dinner Icecream zu essen.
       
       In der Dämmerung gab es lange Schlangen für eine massive Auswahl an
       Eissorten. Dazu klassisch Schokosoße, aber auch FruitLoops, Skittles oder
       gefriergetrocknete Früchtchen. Es war immer mehr Erlebnis als Genuss. So
       viel und so süß, meistens schaute ich nur zu, wie andere ihre Riesenkugeln
       verschlangen. Totaler Zuckeroverload.
       
       Den neuen visuellen Süßeschock bekomme ich jetzt also durch diese
       Tiktok-Clips. Zu sehen sind bunte Süßigkeiten aus Gelatine, Schaumzucker
       oder Teig. Sie werden auf einem Tablett drapiert und dann in einen
       Gefriertrockner geschoben. Im Zeitraffer sieht man, wie sich die
       Süßigkeiten verändern. Heraus kommen sie aufgepufft und seltsam deformiert.
       In der Konsistenz irgendwas zwischen Reiswaffel und Löffelbiskuit. Für den
       Trend auf Tiktok und Insta gilt: Je explodierter, desto besser.
       
       Das ist zwar auch eklig, aber ich kann nicht anders: Ich will in den
       präsentierten dreifach vergrößerten Gummi-Hai beißen, die porös gewordenen
       Bonbons zwischen meinen Zähnen zerbröseln und den locker gepufften Crunch
       hören. Gleichzeitig frage ich mich, warum man Süßigkeiten gefriertrocknen
       sollte.
       
       Das Verfahren ist eigentlich dafür da, [2][Lebensmittel] haltbar zu machen,
       für Reisen ins All, im Gebirge oder beim Militär. Dabei wird den Produkten
       durch das Anlegen eines Vakuums Wasser entzogen. Im Prozess kommt ein
       Kältemittel zum Einsatz. So wird etwa Fleisch 30 Jahre haltbar. Dass man im
       Weltraum aber bröckeliges Sandwicheis braucht, wage ich zu bezweifeln.
       
       Den meisten scheint es sowieso nicht um den Verzehr zu gehen. Eher darum,
       immer bessere Produkte zum Gefriertrocknen zu finden. Immer auf der Suche
       nach dem Supercrunch. Dabei werden, und das macht es so spannend, Grenzen
       überschritten. Denn wie oft wurde uns als Kind gesagt: Mit Essen spielt man
       nicht. Die Instagramer und Tiktoker tun es aber. Bei ihrer
       Experimentierfreude sind die Möglichkeiten dabei schier unendlich. Kürzlich
       gefriertrocknete jemand saure Gurken. Selbst Softdrinks sind möglich.
       
       Wie bei meinen amerikanischen Eiseskapaden steigt beim Zusehen aber auch
       der Druck: Wurde die richtige Süßigkeit ausgewählt? Sehen die Farben toll
       aus? Und das ist der Trick. Der Trend verkauft keine Produkte, sondern
       Spielereien, die man leider nicht selbst zu Hause ausprobieren kann. Denn
       so ein Gefriertrockner ist sehr teuer und verbraucht einen Haufen Energie.
       Sonst hätten Sie auf diesen Seiten bald über homemade gefriergetrocknetes
       Bier oder Tomaten lesen können.
       
       15 Aug 2023
       
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 (DIR) Ann-Kathrin Leclere
       
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