# taz.de -- Hamas-Überfall auf Kibbuz Kfar Aza: „Kein Frieden mit Hamas möglich“
       
       > Die Bilder aus dem Kibbuz schockieren selbst hartgesottene Militärs. Mehr
       > als 100 Menschen hat die Hamas ermordet, darunter auch Kinder.
       
 (IMG) Bild: Soldaten bergen die Leiche eines Zivilisten in Kibbuz Kfar Aza am 10. Oktober
       
       KFAR AZA afp | „Ich habe noch nie etwas Schlimmeres gesehen“, sagt Omer
       Barak. Zwei Tage lang kämpfte der junge israelische Offizier gegen die
       palästinensischen Angreifer, die im Kibbuz Kfar Aza ein Blutbad
       anrichteten. „Als ich die Leichen von zwei ermordeten Kindern sah, bin ich
       zusammengebrochen“, berichtet Barak. Das ganze Ausmaß des brutalen
       Überfalls der radikalislamischen Hamas vom Wochenende wurde am Dienstag
       sichtbar, als das Militär die Toten barg.
       
       Neben drei sorgsam abgestellten Kinderfahrrädern liegen sechs Leichensäcke.
       Mehr als hundert Kibbuz-Bewohner wurden ermordet, wie mehrere von der
       Nachrichtenagentur afp befragte israelische Militärs bestätigen, manche
       sprechen sogar von 150 toten Zivilisten.
       
       In dem Teil des Kibbuz, in dem die jungen Erwachsenen lebten, sind die
       kleinen Häuser ausgebrannt. „Die Palästinenser zündeten sie an, um die
       Bewohner nach draußen zu zwingen“, sagt der Offizier Barak. Dann hätten die
       Angreifer mit Maschinengewehren auf sie geschossen. „Aber viele starben
       lieber im Feuer statt von den Terroristen getötet zu werden. Wir haben
       viele Leichen in den Häusern gefunden“, berichtet der 24-Jährige.
       
       Die Angreifer brauchten nicht lange, um am Samstag, dem jüdischen Ruhetag,
       zu der landwirtschaftlichen Siedlung zu gelangen. Der Gazastreifen liegt
       nur zwei Kilometer entfernt und ist mit bloßem Auge zu erkennen.
       Rauchwolken steigen über Gaza auf, die israelische Armee übt Vergeltung.
       
       ## Hartgesottene Militärs schockiert
       
       Die Bedrohung gehörte zum Alltag in Kfar Aza. Manche lebten in dem alten
       Kibbuz aus der Überzeugung, gerade hier, an der Grenze zum Gazastreifen,
       israelische Präsenz zeigen zu müssen. Andere schlicht deshalb, weil das
       Leben in der Gemeinschaft günstiger ist als in den Städten.
       
       Immer wieder feuerte die Hamas vom Gazastreifen Raketen auf Israel ab. Aber
       im Vergleich mit dem grausamen Großangriff vom Samstag wirkt der
       regelmäßige Beschuss harmlos. Selbst hartgesottene Militärs sind schockiert
       und traumatisiert.
       
       Der pensionierte Generalmajor Itai Veruv muss angesichts des Massakers in
       Kfar Aza an den US-General Dwight D. Eisenhower denken, den die Grausamkeit
       der Nazis beim Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald Ende des Zweiten
       Weltkriegs überwältigte. „Als wir die Leichen von Zivilisten und Kindern
       bargen, dachte ich an Eisenhower, nachdem er die Todeslager in Europa
       gesehen hatte“, sagt Veruv vor Journalisten.
       
       ## 70 bewaffnete und ausgebildete Terroristen
       
       Über dem gepflegten Rasen in Kfar Aza hängt der beißende Geruch des Todes.
       Die Leichen der Hamas-Kämpfer sind an ihren dünnen schwarzen kugelsicheren
       Westen zu erkennen, manche Leiber sind durch die Verwesung bereits
       aufgebläht. Vor den weißen Luftschutzbunkern liegt der in zwei Teile
       gerissene Körper eines Angreifers. „Die Terroristen haben Granaten in die
       Bunker hineingeworfen. Niemand hat überlebt“, sagt Veruv.
       
       Ein verrußter Tretroller, ein kleiner rosafarbener Fahrradhelm, eine
       zerfetzte Waschmaschine und das Gerippe eines ausgebrannten Lastwagens sind
       stumme Zeugen des gewaltigen Überfalls. „70 bewaffnete und ausgebildete
       Terroristen“ richteten in Kfar Aza „ein Massaker, eine Katastrophe“ an,
       sagt Veruv.
       
       „Ich kann immer noch nicht glauben, was ich hier sehe. Normalerweise kommen
       solche Bilder aus der Ukraine oder zeigen Taten des Terrornetzwerks
       Islamischer Staat“, sagt ein Reservist, der anonym bleiben möchte. Der
       Unternehmer aus Tel Aviv half am Samstag mit, Kfar Aza und andere Dörfer in
       der Umgebung zu befreien.
       
       Er ist ein Gegner der Politik von Regierungschef Benjamin Netanjahu, der
       seiner Meinung nach eine Annäherung von Israelis und Palästinensern
       verhindert. Jeden Samstag habe er in den vergangenen Monaten gegen die
       Pläne der Regierung zum Umbau der Justiz demonstriert. „Ich wollte Frieden,
       das ist die einzige Lösung“, sagt der Reservist. „Aber mit der Hamas kann
       man keinen Frieden schließen.“
       
       11 Oct 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joris Fioriti
       
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