# taz.de -- Hindernisse beim Co-Working: Raum ist politisch
       
       > Vor ein paar Jahren gab es für 300 Euro noch eine Wohnung. Heute lässt
       > sich damit ein Tisch bezahlen. Die Umgebung sollte dann aber idiotenfrei
       > sei.
       
 (IMG) Bild: Coworking: Geld, das ich zahle, damit ich überhaupt anfangen kann mit Arbeiten
       
       So ein Co-Working-Space ist ja für alle da. Torben, 37, kommt gerne her, um
       an der Gründung seines Start-ups zu arbeiten. Andrew, from California,
       programmiert Homepages. Und Maia bereitet eine Social-Media-Kampagne für
       ein Modelabel vor, das bald launcht. Sich einen Arbeitsplatz zu mieten, war
       noch nie so einfach wie heute. In allen großen Städten gibt es
       Co-Working-Spaces. Man kann für einen Tag kommen, für eine Woche, für ein
       Jahr. Ein eigenes Büro mieten oder sich jeden Tag einen Schreibtisch
       suchen. Rein kommt jede:r. Wären da nicht ein paar Hindernisse.
       
       Als Erstes: Das Geld. Ich suche in Hamburg gerade einen Arbeitsplatz. Ein
       fester Schreibtisch im „Betahaus“ oder bei „WeWork“ würde mich 300 Euro im
       Monat kosten. Geld, das ich zahle, damit ich überhaupt anfangen kann mit
       Arbeiten. Das komisch zu finden, würde man mir dort vielleicht sagen, ist
       ein Problem in meinem Mindset und eine falsche Priorisierung von
       Investitionen. Auf jeden Fall ist es ziemlich viel Kohle, die man erst mal
       haben muss. Vor ein paar Jahren habe ich dafür ein ganzes Zimmer und keinen
       Tisch gemietet.
       
       Das zweite Problem ist, dass man sich an so einem Ort wohlfühlen will. In
       meinem Traumbüro treffe ich Menschen, die mir von spannenden Projekten
       erzählen und mit mir über Dinge diskutieren, die mich echt interessieren.
       Im durchschnittlichen Co-Working-Space findet man ziemlich safe die
       durchschnittliche Dominanzgesellschaft (mit mehr Geld und mehr
       Selbstbewusstsein), inklusive ihren durchschnittlichen Problemen wie
       Sexismus und Rassismus.
       
       An meinem Arbeitsplatz – den ich mir ja selbst aussuche und dafür zahle –
       will ich nicht gefragt werden, woher ich wirklich komme, nicht darüber
       diskutieren, warum man manche Dinge heute nicht mehr sagen darf, und auch
       keine ekligen Sprüche hören. Tendenziell ist die Chance höher, dass mir das
       an einem Ort nicht passiert, der für manche Leute gar nicht zugänglich ist.
       
       ## Barrierearm und reflektierend
       
       In den USA gibt es seit einiger Zeit Women-Only-Spaces – und auch hier
       entstehen sie. In Hamburg eröffnet in diesen Wochen einer. In Berlin gibt
       es mehrere, [1][die Gruppe „BIWOC* Rising“] schafft etwa einen Arbeitsort
       nur für Frauen, die Rassismus erfahren. Sinn macht das, wenn das Besondere
       am Co-Working-Space für Frauen nicht ist, dass die Sessel rosa sind (sieht
       bisher leider oft so aus). Sondern wenn man ihn als politisches Projekt
       sieht, das inklusiver wird. Ein feministischer Co-Working-Space kostet
       unterschiedlich viel oder nichts, ist barrierearm und reflektiert
       Rassismus.
       
       Raum ist politisch. Arbeit auch. Deshalb ist es so wichtig, Räume
       einzufordern. Weil man da nicht nur seine Aufgaben abarbeitet, sondern sich
       Aufträge vermittelt, sich austauscht, zusammen wächst und Widerstände
       entwickelt. Das passiert nicht, wenn Torben und Andrew die
       Co-Working-Spaces besetzen und wir an unseren Tischen alleine zu Hause
       hocken.
       
       22 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://biwoc-rising.org/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susan Djahangard
       
       ## TAGS
       
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