# taz.de -- Hund attackiert zweijähriges Mädchen: Lebensgefährliche Bisse am Hals
       
       > In Hamburg griff ein Hund zu Hause bei Oma eine Zweijährige an. Der Hund
       > hatte schon 2019 ein Kind gebissen. Die Politik diskutiert nun neue
       > Regeln.
       
 (IMG) Bild: Wäre in Hamburg nicht erlaubt: eine American Staffordshire Terrier Hündin, hier 2018 in Bispingen
       
       HAMBURG taz | Der Fall erinnert an den schlimmen Tod des sechsjährigen
       Volkan im Jahr 2000 in Hamburg-Wilhelmsburg. In Hamburg-Rahlstedt fiel am
       Montag ein Hund auf dem Balkon der Oma deren zweijährige Enkelin an und
       verbiss sich in ihren Hals. Nur mit Hilfe der von Nachbarn gerufenen
       Polizei gelang es Mutter und Großmutter, das Kind von dem Tier zu befreien.
       
       Das Mädchen wurde im Krankenhaus notoperiert und ist außer Lebensgefahr.
       Der Hund wurde inzwischen eingeschläfert. Er soll dem Onkel des Kindes
       gehören, der im Urlaub sein soll. Wie das zuständige Bezirksamt Wandsbek
       mitteilte, war Hund „Rocky“ den Behörden bekannt, weil er 2019 ein
       siebenjähriges Mädchen gebissen hatte.
       
       Nach dem strengen [1][Hamburger Hundegesetz] gelten die vier Rassen
       American Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire
       Bullterrier und Bullterrier sowie Mischlinge mit diesen Rassen immer als
       gefährliche Hunde, die in der Regel nicht erlaubt sind. Weitere elf Rassen
       dürfen nur nach „Wesenstest“ gehalten werden. Da bei dem 2017 geborenen
       Mischling der Verdacht bestand, so ein „Listenhund“ zu sein, wurde er als
       Welpe im Bezirksamt Wandsbek vorgeführt.
       
       Doch noch vor der abschließenden Feststellung war er an einen anderen
       Halter außerhalb Hamburgs verkauft worden. Nach dem Bissvorfall 2019 habe
       das Bezirksamt die Einziehung des Hundes gefordert, so deren Sprecherin
       Claudia Petschalies. Das sei aber gescheitert, da der Hund an einen Halter
       nach Schleswig-Holstein abgegeben wurde. Dass dort vor Ort zuständige Amt
       sei informiert worden und habe Rocky als „gefährlich“ eingestuft.
       
       ## Rocky war als „gefährlich“ eingestuft
       
       Anfang 2021 habe das Bezirksamt Wandsbek erfahren, dass der Hund, der
       zuletzt mit seinem Halter im Kreis Steinburg gemeldet war, sich wieder in
       Wandsbek aufhält. Eine Überprüfung der Halteradresse und einer weiteren
       Adresse habe jedoch keine Hinweise auf eine Hundehaltung ergeben. Bis zu
       dem Unglück am Montag habe man nicht gewusst, dass sich Rocky dort
       aufhielt.
       
       Die Polizei ging nach ersten Ermittlungen davon aus, dass das Tier kein
       Listenhund war. Doch die Hamburger Morgenpost, die als erste von Rockys
       Vorgeschichte berichtete, schreibt, ihr lägen Informationen vor, dass das
       Aussehen des Tieres nicht zu den Angaben im Impfpass passe. Klarheit wird
       erst eine Gen-Analyse bringen, deren Ergebnisse aber erst in zehn bis 14
       Tagen vorliegen sollen. Laut Polizei gibt es Ermittlungen gegen die drei
       beteiligten Verwandten wegen „fahrlässiger Körperverletzung“.
       
       Die Frage ist nun, ob sich das Hamburger Hundegesetz, dass 2006 als
       Reaktion auf den [2][Tod von Volkan] und die Debatte um gefährliche
       Kampfhunde eingeführt wurde, bewährt hat. Für Stephan Jersch,
       Tierschutzexperte der Linksfraktion, ist diese Rasseliste nicht die Lösung.
       „Stattdessen müsste es einen [3][Hundeführerschein für Hundehalter] geben“,
       sagt er. Das habe den Vorteil, die Lage zu befrieden. „Ich weiß von
       Hundehaltern, die ihren Wohnsitz nach Schleswig-Holstein verlagern, um
       ihren Hund halten zu können.“ Auch würde der Tierschutzverein entlastet,
       weil die eingezogenen Listenhunde nicht innerhalb Hamburgs vermittelt
       werden dürfen.
       
       ## Tierschützer fordern statt Listen den Hundeführerschein
       
       „Meist liegt das Problem nicht beim Hund, sondern am anderen Ende der
       Leine“, sagt auch Monic Moll von der Tierschutzorganisation [4][Peta]. Ein
       Führerschein samt Praxisseminar in einer Hundeschule könne sicherstellen,
       dass die Kommunikation zwischen Hund und Halter funktioniert, und das sei
       „unerlässlich, um Beißvorfälle zu verhindern“. In [5][Niedersachsen, das
       als erstes Land so einen Schein einführte], hätten sich in der Folge
       nachweislich weniger Vorfälle ereignet.
       
       Das sehen die Hamburger Behörden anders. Das Hundegesetz sei seit 2006
       bereits zwei Mal evaluiert worden, berichtet Mike Schlink vom hier
       federführenden Bezirksamt Altona. Besonders die Regelungen für gefährliche
       Hunde hätten sich „bewährt“. Zwar lasse die jüngste Statistik – es gab 106
       Beißvorfälle in 2021 – bei den als gefährlich eingestuften Hunden keine
       überdurchschnittliche Anzahl erkennen, das liege aber weniger an deren
       geringer Gefährlichkeit als an den restriktiven Regeln. Auch zeige sich bei
       besagten elf Rassen, dass es auch bei bestandenem Wesenstest zu
       Beißvorfällen kommt. Nach Schlinks Angaben wurden allein in 2021 55 Hunde
       „eingezogen“, weil sie als gefährlich gelten, in diesem Jahr 17.
       
       Auch die Fraktionen von SPD und Grünen verteidigen diese Linie. „Der
       Beißvorfall von Rahlstedt ist eine schwere Tragödie“, sagt
       SPD-Tierschutzexpertin Sarah Timmermann. „Spätestens seit dem Tod des
       kleinen Volkan im Jahr 2000 ist klar, dass wir in einer Großstadt
       eindeutige Regeln für die Hunde brauchen“. Das Hamburger Gesetz mit den
       besonders strengen Vorschriften für gefährliche Hunde biete da einen „guten
       Rahmen“. Es gelte nun, die Ermittlungen der Polizei abzuwarten.
       
       „Meine Gedanken sind jetzt bei dem zweijährigen Mädchen“, sagt die grüne
       Tierschutzexpertin Lisa Maria Otte. In den letzten Jahren seien
       Beißvorfälle mit Hunden glücklicherweise seltener geworden. Das Hamburger
       Hundegesetz sei besonders streng, eine weitere Verschärfung würde solche
       Fälle nicht verhindern können, gibt Otte zu bedenken. „Es ist gut, dass das
       zuständige Bezirksamt am Montag schnell reagiert und entsprechende
       Maßnahmen in die Wege geleitet hat“.
       
       ## Zehn Kontrolleure für knapp 100.000 Hunde
       
       Indes fragt der CDU-Politiker Sandro Kappe, wieso das als gefährlich
       eingestufte Tier nicht vorher aufgespürt wurde? „Der Hund war bekannt,
       jedoch hat keiner gehandelt.“ Der Abgeordnete erinnert daran, dass der
       ursprünglich für das Hundegesetz zuständige „Bezirkliche Ordnungsdienst“
       2014 aufgelöst wurde. Der als Ersatz eingerichtete „Hundekontrolldienst“
       (HKD) habe nur zehn Stellen. Das wäre angesichts von knapp 100.000 Hunden
       eine „grotesk niedrige“ Zahl. So könne dieser Dienst nicht kontrollieren
       und einen „abschreckenden Effekt“ auf Hundehalter, die sich nicht an Regeln
       halten, entfalten.
       
       Besagter Hundekontrolldienst gehört seit 2021 organisatorisch zur
       Wasserschutzpolizei. Auf Frage, wie häufig der aktiv wird, nennt ein
       Polizeisprecher beispielhaft die Auswertung für das vierte Quartal 2021:
       378 Einsätze hatten die Mitarbeitenden durchgeführt. Im Fall dieses Hundes
       hätten sie auf Bitte des Bezirksamtes zwei Wohnanschriften überprüft, um zu
       klären, ob „Rocky“ dort gehalten wurde. Zur Frage, ob der Kontrolldienst
       ausreichend ausgestattet ist, äußerten die Behörden sich nicht.
       
       9 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.hamburg.de/contentblob/200366/672fc53c8e2f3db07292bb4c624bb2cd/data/hundegesetz.pdf
 (DIR) [2] /Archiv-Suche/!1191585&s=Volkan+Hund&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [3] /Neues-Hundegesetz/!5067439
 (DIR) [4] https://www.peta.de/
 (DIR) [5] /Kommentar-Hundegesetz/!5067432
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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