# taz.de -- KMK-Präsidentin über Schule und Corona: „Wir brauchen einen längeren Atem“
       
       > Bis zur Normalität an Schulen wird es dauern, so Stefanie Hubig. Die
       > Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz rechnet weiter mit
       > Homeschooling-Phasen.
       
 (IMG) Bild: Es wird noch dauern bis Schulunterricht wieder so stattfinden wird, wie vor Corona
       
       taz: Frau Hubig, wie sieht der Stundenplan nach den Sommerferien aus:
       Montag Schule, Dienstag bis Freitag Homeschooling? 
       
       Stefanie Hubig: Ehrliche Antwort: Das kann im Moment noch niemand sagen.
       
       Und wann gibt’s eine klare Ansage? 
       
       Eine definitive Antwort wird es erst geben, wenn wir wissen, wie sich das
       [1][Infektionsgeschehen] entwickelt und daraus resultierend die
       Abstandsregelungen. Die bestimmen gerade stark die Art des Unterrichts. Wir
       bereiten uns derzeit auf alle denkbaren Szenarien vor.
       
       Kann man sich angesichts der nötigen Vorarbeiten überhaupt sechs Wochen
       Sommerferien leisten? 
       
       Ich glaube, es ist vernünftig, an den Sommerferien festzuhalten, weil
       Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler eine Pause brauchen. Darüber
       hinaus müssen wir uns auf das neue Schuljahr vorbereiten. Für Schülerinnen
       und Schüler soll es pädagogische Angebote auch innerhalb der Sommerferien
       geben, aber freiwillig.
       
       Bundesbildungsministerin [2][Anja Karliczek] sagt, solange es keinen
       Impfstoff gibt, ist eine Rückkehr zum normalen Schulbetrieb nicht möglich.
       Stimmen Sie ihr zu? 
       
       Wenn es einen Impfstoff gibt, wird der Umgang mit Corona ein anderer sein.
       Der Impfstoff ist aber nicht der einzige Faktor. Maßgeblich sind
       Hygieneregeln. Es geht im Moment nicht darum, jegliche Infektionen zu
       vermeiden, sondern die Zahl möglichst gering zu halten. Ich halte es nicht
       für ausgeschlossen, dass wir auch schon vor der Entwicklung eines
       Impfstoffs zu einer stärkeren Normalität in den Schulen zurückkehren.
       
       Was heißt das? Rückkehr zu stärkerer Normalität? 
       
       Dreh- und Angelpunkt sind sicherlich die Abstandsregelungen, die derzeit
       nur kleine Lerngruppen möglich machen. Deshalb kann aktuell auch nur ein
       Teil der Schülerinnen und Schüler gleichzeitig zur Schule gehen. Gleichwohl
       müssen wir uns auch um die Planung eines regulären Schuljahrs kümmern.
       
       Die liegt momentan wo – im untersten Aktenschrank? 
       
       Nein. Die liegt ganz oben auf dem Schreibtisch. Wir müssen uns vorbereiten
       und Personal einstellen. Aber auf dem gleichen Schreibtisch liegt ein
       zweiter Plan, der beinhaltet, wie wir den Wechsel von Präsenzunterricht und
       dem [3][Lernen zu Hause] organisieren.
       
       Den digitalen Unterricht nehmen viele Eltern und Schüler als willkürlich
       wahr. Einige Lehrer machen täglich Videokonferenzen, andere haben noch
       nicht mal eine E-Mail-Adresse. Wann sorgen die KultusministerInnen für
       mehr Verbindlichkeit? 
       
       Innerhalb der KMK haben wir eine Arbeitsgruppe zur Organisation des neuen
       Schuljahrs eingerichtet. In Rheinland-Pfalz haben wir zudem gleich nach
       Beginn der Schulschließungen eine Handreichung für den Fernunterricht
       herausgegeben, die wir übrigens auch allen anderen Ländern zur Verfügung
       gestellt haben. Darin steht, ab wann Schülerinnen und Schüler zu Hause
       eigenständig lernen können und auch die Aufforderung, die Schüler – und
       damit auch die Eltern – nicht mit zu viel Stoff zu überfordern.
       
       Nach fast zwei Monaten geschlossener Schulen haben Bund und Länder
       beschlossen, dass die Schulen in großem Stil Laptops zum Verleih an
       Schülerinnen kaufen sollen. Wieso hat es so lange gedauert, bis allen klar
       war, dass Laptops zum Zu-Hause-Lernen dazugehören, aber nicht jeder eins
       besitzt? 
       
       So lange hat es nicht gedauert. Viele Länder haben in der Zwischenzeit auch
       schon eigene Unterstützungsmaßnahmen für benachteiligte Schülerinnen und
       Schüler organisiert. Im Übrigen hat der Koalitionsausschuss erst vor drei
       Wochen beschlossen, die 500 Millionen Euro Soforthilfe für Schulen zur
       Verfügung zu stellen. Wir haben jetzt innerhalb von drei Wochen eine
       Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geschlossen. Erinnern Sie sich an
       die Verhandlungen zum Digitalpakt: Die haben viel länger gedauert.
       
       Daran gemessen war das jetzt Lichtgeschwindigkeit. Dennoch: Als wir Ende
       März in den Ländern gefragt haben, wie das Lernen in Zeiten geschlossener
       Schulen funktioniert, waren Leih-Laptops für SchülerInnen oft kein Thema.
       Es hieß, die Schüler hätten doch Handys. 
       
       Sie müssen eins sehen: Die aktuelle Situation ist für uns alle neu – unsere
       Systeme waren nie dafür ausgelegt, den Präsenzunterricht zu ersetzen. Es
       gibt deshalb auch keine Blaupause. Die verschiedenen Unterrichtsformate
       haben sich zum Teil erst entwickelt. Manche haben anfangs gedacht, man muss
       lediglich die Zeit bis zu den Osterferien überbrücken und danach kann der
       normale Betrieb wieder aufgenommen werden. Wir sehen jetzt, dass wir einen
       längeren Atem brauchen.
       
       Viele Schulen öffnen derzeit wieder ein bisschen. Allerdings: Bei einem
       Mindestabstand von 1,50 Meter braucht es doppelt und dreifach so viele
       LehrerInnen und Räume, um SchülerInnen einer Klasse zu unterrichten. Wie
       soll das je für alle Kinder funktionieren? 
       
       Man muss ganz deutlich der Vorstellung entgegentreten, dass damit normaler
       Unterricht wie vor Corona stattfinden kann. Das ist überhaupt nicht
       realisierbar. Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler in die Schule
       kommen, und zwar tage- oder wochenweise. Die Schulen müssen sich jetzt aber
       tatsächlich auf das Wesentliche beschränken.
       
       Brauchen wir nicht mehr Kreativität? Sollte man nicht stärker die
       Jugendeinrichtungen miteinbeziehen, die ja sonst auch mit Kindern und
       Jugendlichen arbeiten und das jetzt nicht können? 
       
       Meines Wissens macht das Berlin so, und auch in Rheinland-Pfalz passiert
       das schon im Rahmen des Ganztags. Die Partner, die am Nachmittag Sequenzen
       übernehmen, können jetzt auch am Vormittag einbezogen werden.
       
       In diesem Halbjahr gab es viele Zugeständnisse: Sitzenbleiben und Noten
       wurden zum Teil ausgesetzt. Das wird wohl im kommenden Schuljahr so
       bleiben? 
       
       Das sind genau die Dinge, über die wir innerhalb der KMK, aber auch in den
       Ländern selbst gerade beraten. Wir müssen versuchen, möglichst zur
       Normalität zurückzukehren, aber dabei die besondere Situation
       berücksichtigen. Wir können jetzt auch nicht ein Schuljahr lang gar keine
       Noten mehr geben.
       
       Warum nicht? Wenn das Zu-Hause-Lernen überwiegt, sind Noten doch noch
       ungerechter. 
       
       Eines ist ganz klar: Die Notengebung muss unter fairen Bedingungen
       vonstattengehen. Schülerinnen und Schüler müssen gerecht und gleich
       behandelt werden. Das steht außer Frage, und das wird auch für das kommende
       Schuljahr zu regeln sein. Ein praktisches Beispiel, das jeder
       nachvollziehen kann, ist, dass man nur Stoff in Klassenarbeiten abfragt,
       der in den Präsenzphasen vermittelt wurde.
       
       Ist eine Rückkehr zur Normalität in jedem Fall sinnvoll? Es gibt ja Dinge,
       die will man gar nicht zurückdrehen. 
       
       Stimmt. Eine Schulleiterin hat mir erst kürzlich gesagt, dass das, was im
       Bereich der Digitalisierung passiert, was gerade an neuen Lehrformaten
       erarbeitet wird, Schule bereichert und auch für die Zeit nach Corona
       unbedingt erhalten bleiben sollte. Damit spricht sie mir aus dem Herzen.
       
       Haben Sie auch nachgefragt, was sich die Eltern wünschen? 
       
       In Rheinland-Pfalz hat der Landeselternbeirat eine Umfrage gemacht, die
       sich ziemlich stark mit unserer Umfrage unter Schulleitungen deckt. Es gab
       den großen Wunsch seitens der Eltern, eine Videoschaltkonferenz an allen
       Schulen zur Verfügung zu stellen. Die gibt es bei uns jetzt. Und dann gab
       es noch den Wunsch, dass die Lehrer nicht zu viele Aufgaben gleichzeitig
       aufgeben, dass sich die Kollegen besser abstimmen. Auch dieser Punkt ist in
       unseren Handlungsempfehlungen zum Fernunterricht enthalten.
       
       Viele Schüler finden es auch toll, dass sie derzeit nicht um sechs oder
       halb sieben aufstehen müssen. Könnte nicht auch der Schulbeginn nach hinten
       verlegt werden? 
       
       Ich gehe davon aus, dass auch nach den Sommerferien Schule nicht direkt
       unter den üblichen Bedingungen stattfinden kann. Was bleibt und wichtig
       ist: Schule ist ein Ort des gemeinsamen Lernens und der Begegnung. Soziales
       Lernen, ein respektvoller Umgang miteinander und Demokratie sind enorm
       wichtig, und das kann man am besten praktisch in der Schule lernen.
       Bestimmte neue Formate wie Videokonferenzen können dazukommen.
       
       21 May 2020
       
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