# taz.de -- Kolumne Flimmern und Rauschen: Notfalls Grenzen überschreiten
       
       > Es ist gut und richtig, wenn Journalisten begründet gegen Einschränkungen
       > der Pressefreiheit verstoßen. In Australien drohen ihnen dafür Strafen.
       
 (IMG) Bild: Weil Journalisten über den Fall George Pell berichteten, drohen ihnen jetzt Gefängnisstrafen
       
       In Australien müssen sich demnächst 36 Medienorganisationen und
       JournalistInnen vor Gericht verantworten, weil sie bei der
       Berichterstattung über den Prozess gegen den katholischen Kardinal George
       Pell gegen Nachrichtensperren und andere Auflagen verstoßen haben sollen.
       
       Was sich ein bisschen nach einer weiteren Staffel von „Secret City“, der
       Netflix-Serie über die Enthüllungsjournalistin Harriet Dunkley anhört, die
       bei ihren Recherchen über die Machenschaften von Geheimdiensten in
       Konflikte gerät, ist allerdings ein bisschen komplizierter.
       
       Pell, seit 2003 Kardinal und zuvor Erzbischof von Melbourne und Sydney,
       wurde im Dezember 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von zwei Jungen in den
       1990er Jahren schuldig gesprochen und [1][im Februar 2019 zu sechs Jahren
       Haft verurteilt.] Der oberste Richter des australischen Bundesstaats
       Victoria hatte im Sommer 2018 für ganz Australien geltende „Suppression
       Orders“ erlassen, die eine Berichterstattung untersagten.
       
       Hintergrund war ein zweites Verfahren, das gegen Pell angestrengt wurde und
       bei dem das Gericht eine Beeinflussung von Zeugen und Geschworenen durch
       Berichterstattung über Verlauf und Urteil im ersten Verfahren befürchtete.
       Dieses zweite Verfahren wurde mittlerweile eingestellt.
       
       ## Öffentliches Informationsinteresse
       
       Um es klar zu sagen: Hier geht es also nicht wie 2014 um Vertuschungen im
       Politbereich, als eine entsprechende „Suppression Order“ die
       Berichterstattung über Korruptionsvorwürfe gegen australische
       PolitikerInnen – angeblich aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ –
       unmöglich machen sollte. Damals hatte Wikileaks den Fall – der auch „Secret
       City“ inspiriert hat – aufgedeckt. Es geht auch nicht um aus Großbritannien
       bekannte „Super Injunctions“, von denen der Guardian ein Lied singen kann
       und die sogar die Berichterstattung darüber verbieten, dass nicht berichtet
       werden darf.
       
       Trotzdem bleibt immer eine Einschränkung der Pressefreiheit. Es ist gut und
       richtig, wenn Medien begründet dagegen verstoßen. Denn für sie gilt als
       Gegenargument immer das öffentliche Informationsinteresse. Und es gehört zu
       einer freien und demokratischen Presse dazu, bei der Verteidigung von
       Freiheit und Demokratie auch Risiken einzugehen und notfalls Grenzen zu
       überschreiten. Im Rechtsstaat klärt dann der Rechtsweg, was höher wiegt:
       das Persönlichkeitsrecht – oder wie hier das Interesse an einem fairen
       Gerichtsverfahren – oder eben die Informations- und Pressefreiheit.
       
       Womit wir von Australien in Berlin angekommen wären: Dass der Senat weiter
       gerichtlich verhindern will, dass der Tagesspiegel [2][in Sachen
       Stasi-Gedenkstätte Auskunft bekommt,] ist absurd. Bleibt zu hoffen, dass
       das jetzt zuständige Oberverwaltungsgericht dem Senat das möglichst bald
       mitteilt.
       
       27 Mar 2019
       
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