# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Ein besorgtes Landwirbeltier
       
       > Ein Pflanzenforscher klärt über die „Genderisten“-Gefahr auf. Ihretwegen
       > würden nämlich Alphafrauen heute alle kinderlos sterben.
       
 (IMG) Bild: Ah, noch ein Wirbeltier! Sie als Experte, was sagen Sie dazu?
       
       Sie haben es sicher schon gehört: Feministinnen wollen eine Diktatur
       errichten und alle Naturwissenschaft zerstören, aber weil sie keine Kinder
       kriegen wollen, werden sie einfach aussterben.
       
       Haben Sie noch nicht gehört? Na ja. Ich musste es auch erst aus dem Radio
       erfahren, im [1][Inforadio vom rbb] wurde es mir gründlich erklärt. Da
       durfte über eine halbe Stunde lang ein Mann einem Mann erklären, warum
       Feminismus scheiße ist. Erfrischend wie ein Autounfall.
       
       Folgendes durfte man da lernen: Ulrich K., ein sehr renommierter Professor,
       der in Kassel lehrt und in Stanford (übrigens eine sehr renommierte
       Universität), hat die Schnauze voll. Er findet, Gender-Mainstreaming (also
       der Versuch, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen) ist so eine Art
       Krebsgeschwür der Wissenschaften. „Wir stehen kurz vor einer Genderisierung
       der Biologie“, sagt Ulrich K. Die ganzen Genderstudies-Leute hätten zwar
       nicht so geile Professuren wie er (C4!), seien aber trotzdem eine Gefahr.
       Erwähnte ich, dass Herr K. sehr renommiert ist? Sehr.
       
       Herr K. möchte „Klartext reden“, und das ist immer gut. Er ist sehr dankbar
       für die Heterosexualität seiner Eltern, sonst wäre er heute nicht da und
       könnte uns nicht erklären, dass unfruchtbare Menschen ein „Designfehler der
       Natur“ sind und Inter- und Transsexuelle einfach krank. Schwule kommen als
       Schwule zur Welt (und wenn sie Pech haben, bringen sie sich halt um), weiß
       Herr K., Lesben aber nicht, die haben nämlich „den ganz starken Wunsch nach
       einem Kind“ wie jede Frau und paaren sich trotzdem mit Männern. Das sei
       auch der einzig wahre Sex, denn „wir Landwirbeltiere“ hätten nun mal so
       Sex, dass der Mann die Frau befruchte.
       
       ## Experte für Pflanzenphysiologie
       
       Und jetzt kommen die „Genderisten“, und Herr K. hat Angst: „Alles, was
       Biologen seit 200 Jahren in Tausenden von Publikationen erarbeitet haben,
       das ist alles auf der Müllkippe zu entsorgen – das steht uns jetzt bevor.“
       Das wird Herr K. sich aber nicht gefallen lassen. Klar.
       
       Ulrich K. wurde vorgestellt als Inhaber des Lehrstuhls für
       Evolutionsbiologie. Auf seiner [2][Homepage] erfährt man, dass er
       hauptsächlich für Pflanzenphysiologie zuständig ist. Es ist schwierig für
       ihn, mit [3][Leuten von den Gender Studies] zu reden, weil die ja von
       seinem Fach bzw. „den Fakten“ nichts wissen. Herr K. hat durch gewisse
       magische Umstände von all den Gendersachen bei Menschen trotzdem Ahnung,
       auch wenn ihm die Literatur dazu unbekömmlich ist. Er gerät sehr in Rage,
       als er erklärt, dass es ihm unmöglich ist, irgendwelche „Gender-Bücher“ zu
       lesen. „Das ist ’ne Religion! Ne Sekte, ’ne feministische Sekte, die uns da
       ihren Unsinn aufdrückt und alle machen mit.“
       
       Es ist nämlich so: „Wenn jetzt eben die hochdotierten Stellen von
       Quotenfrauen belegt sind“, dann fehlen die noch höher qualifizierten
       Männer, die diese sich zur Paarung aussuchen müssten. „Das heißt, die
       hochqualifizierten Möchtegernalphaweibchen sterben alle kinderlos aus.“ Es
       sei immerhin „ein riesiges Glück, dass natürlich gebliebene, normal
       gebliebene Frauen noch immer das evolutionäre Erbe in sich tragen und sich
       […] den Alphamännchen zuwenden.“ Die Männer fühlen eh, was richtig ist.
       „Männer sind quasi die Urviecher in uns“, weiß Herr K.
       
       ## (Was kostet eine C4-Professur?)
       
       Neulich erst wurde Herr K. derbe wegzensiert von der Genderdiktatur, als er
       einen Text veröffentlichen wollte, in dem er sagte, dass die „Genderisten“
       genauso scheiße sind wie die Kreationisten, und dass sie eine blöde
       Pseudowissenschaft machen, die „den deutschen Steuerzahler jährlich viele
       Millionen Euro kostet“. (So eine C4-Professur kostet natürlich auch was,
       aber reden wir nicht darüber.)
       
       Man kann das jetzt natürlich als menschenverachtende, sozialdarwinistische,
       hetzerische Scheiße beschreiben, die auf Unmengen von Missverständnissen
       basiert und Hass sät, aber man möchte ja nicht hysterischer dastehen als
       nötig.
       
       Herr K. ist vielleicht einfach ein sehr besorgter Bürger. [4][Die kennt man
       ja.] Wahrscheinlich gründet er bald „Lagiva – Landwirbeltiere gegen die
       Ideologisierung von allem“, oder „Urgfdu – Urviecher gegen die
       Feminisierung des Universums“.
       
       16 Jul 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/zwoelfzweiundzwanzig/201507/220887.html
 (DIR) [2] http://www.uni-kassel.de/fb10/institute/biologie/fachgebiete/pflanzenphysiologie/prof-dr-ulrich-kutschera.html
 (DIR) [3] http://www.tagesspiegel.de/wissen/attacken-auf-die-geschlechterforschung-das-dubiose-gender/11128828.html
 (DIR) [4] /Kolumne-Luft-und-Liebe/!5021478
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
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