# taz.de -- Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Polen hofft auf Geschäft mit Gas
       
       > Das Ende von Nord Stream 2 käme dem Land gelegen. So könnte es gemeinsam
       > mit den USA den Gasmarkt in Europa neu aufrollen.
       
 (IMG) Bild: Röhren der Baltic Pipe: Damit soll Gas von Dänemark durch die Ostsee nach Polen transportiert werden
       
       WARSCHAU taz | Wer in Polen nur Zugang zum Staatssender TVP hat, dem
       ehemaligen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sieht täglich Bilder von
       der polnisch-belarussischen Grenze. Schwer bewaffnete polnische Soldaten
       schützen Polen dort vor dem „hybriden Krieg“, den der belarussische
       Machthaber Alexander Lukaschenko führe, indem er Flüchtlinge aus dem Nahen
       Osten über die polnische Grenze in die EU schleuse.
       
       Zurzeit seien es aufgrund eisiger Wintertemperaturen nicht Hunderte,
       sondern täglich allenfalls ein paar Dutzend, die den hastig hochgezogenen
       Stacheldrahtzaun zu überwinden versuchen. Doch die Nachricht ist schon seit
       Monaten die immer gleiche: Die ganze westliche Welt, insbesondere aber die
       EU und Deutschland, müssten Polen für den Schutz der [1][EU-Außengrenze]
       dankbar sein.
       
       Erst danach kommen Bilder zum russisch-ukrainischen Konflikt – russische
       Panzer rollen auf Zügen in Richtung ukrainische Grenze, heißt es.
       Ukrainische Soldaten in weißen Schneetarnanzügen sitzen in primitiven
       Holzhäuschen und überwachen mit Feldstechern die Stellungen der
       prorussischen Separatisten auf der anderen Seite im Donbass. Die Botschaft
       ist auch hier klar: Die ukrainischen Soldaten brauchen Waffen zur
       Verteidigung.
       
       Zum Schluss sendet das polnische Staatsfernsehen die fast immer gleichen
       Bilder von einer strahlenden Angela Merkel, die vor Jahren, als sie noch
       Kanzlerin war, gemeinsam mit ihren russischen Freunden das große
       Steuerungsrad für die Gaspipeline Nord Stream 1 aufdreht. Dann kommt
       abwechselnd mal ein Bild des Ex-Kanzlers [2][Gerhard Schröder], der seinen
       Freund Wladimir Putin herzlich in den Arm nimmt, oder auch ein Bild vom Bau
       der Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee.
       
       „Die Deutschen sind die Freunde der Russen“ 
       
       Das ist die wichtigste TVP-Botschaft: Die Deutschen sind die Freunde der
       Russen. Das sei seit 1939 so, als das Deutsche Reich und die Sowjetunion
       gemeinsam Polen überfielen und anschließend Europa gemäß dem
       Geheimprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts in Einflusszonen unter sich
       aufgeteilt hätten. Auch PiS-nahe Zeitungen und Zeitschriften pflegen diese
       Kriegsrhetorik, die Deutschland immer eng an der Seite Russlands sieht. Sie
       titeln beispielsweise: „Russische Aggression – Deutscher Verrat. Berlin
       setzt auf Moskau, verlässt seine Bündnisgenossen und zerschlägt die Einheit
       der Nato.“ Oder auch: „Die Deutschen finanzieren den russischen Krieg. In
       Europa herrscht eine Stimmung wie vor dem Zweiten Weltkrieg.“
       
       Polens Regierung hält sich allerdings auffällig zurück und vermeidet den
       martialischen Ton der rechten Medien im Lande. Auch die Hilfszusagen an die
       Ukraine halten sich eher im Rahmen. Polen werde der Ukraine unentgeltlich
       ca. 15.000 Schuss Munition „zur Verteidigung“ aus den eigenen
       Reservebeständen liefern, außerdem einige mobile Flugabwehrvorrichtungen
       samt Raketen des Systems Piorun. In offiziellen Reden grenzen die
       national-populistischen Regierungspolitiker die Militärhilfe an die Ukraine
       aber immer von der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 ab, die
       auch hier öfter mit dem Hitler-Stalin-Pakt verglichen wird.
       
       Der Hintergrund: Polen will gemeinsam mit den USA den zentraleuropäischen
       Gasmarkt neu aufrollen und den Deutschen das bisherige Geschäft abnehmen.
       Zu diesem Zweck hat Polen in Norwegen ausgedehnte Gasförderfelder gekauft,
       baut zurzeit die Baltic Pipe durch die Ostsee und errichtete an der
       Ostseeküste bereits gigantische Gaszisternen, in denen das Flüssiggas aus
       den USA wieder in Gas verwandelt und dann vor allem exportiert werden soll.
       
       Das seit vielen Jahren geplante Geschäft wird aber nur dann ordentlich
       Gewinn abwerfen, wenn Nord Stream 2 nicht an den Start geht und so kein
       günstiges Gas nach ganz Europa liefert. Als Putin seine Panzer an der
       ukrainischen Grenze stationierte, dürften bei den
       Anti-Nord-Stream-2-Lobbyisten die Korken geknallt haben. Denn damit hat
       Putin der Pipeline womöglich den Todesstoß versetzt.
       
       9 Feb 2022
       
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