# taz.de -- Korruption in Katar: Geölt, geschmiert, gewonnen
       
       > Wie Katar sich im Weltsport festsetzt und mit viel Geld dafür sorgt, dass
       > Verbände gefügig sind. Und welche Rolle die Justiz spielen sollte.
       
 (IMG) Bild: Gianni Infantino, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und weitere sehr wichtige Herren
       
       Aserbaidschan hat vorgemacht, wie man Politiker mit Geldgeschenken und
       Lustreisen beeinflusst, dabei brauchte Katar gar keine Schablone, die es
       wohl in gleicher Absicht übers Europaparlament gelegt hat. Katar weiß aus
       eigener Erfahrung, wie man Interessen steuert. Bei der griechischen
       Vize-Parlamentspräsidentin [1][Eva Kaili] wurde nun nach einer
       Hausdurchsuchung viel Bargeld gefunden. Laut Brüsseler Staatsanwaltschaft
       steht ein „Golfstaat“ im Verdacht, mit beträchtlichen Summen und Geschenken
       „wirtschaftliche und politische Entscheidungen des Europäischen Parlaments
       zu beeinflussen“. Weitere Parlamentarier sollen betroffen sein.
       
       Bei diesem Golfstaat soll es sich um Katar handeln. Sozialdemokratin Kaili
       hatte am 21. November im EU-Parlament eine Rede zur Menschenrechtssituation
       in Katar gehalten, in der sie sich positiv über das Emirat äußerte, ihm
       eine „historische Transformation“ bescheinigte. Die Fußball-WM sei ein
       Zeichen, „dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land
       bewirken kann, dessen [2][Reformen] die arabische Welt inspiriert haben“.
       Deshalb habe man auch „nicht das moralische Recht“, durch Kritik „billige
       Medienaufmerksamkeit zu bekommen“, so Kaili. Es gebe in Katar eine „neue
       Generation intelligenter, hochgebildeter Menschen“.
       
       Das sind an sich legitime Ansichten, die in einem breiten Meinungsspektrum
       kein Aufsehen erregen sollten. Nichts anderes sagt ja auch Fifa-Präsident
       Gianni Infantino – oder die Internationale Arbeitsorganisation ILO, die ein
       Büro in Doha unterhält. Allerdings überwies das Emirat Katar bereits im
       Jahr 2017 25 Millionen an die ILO, und in der Fifa trieb der berüchtigte
       Mohamed bin Hammam aus Katar sein Unwesen, der 2012 lebenslang vom
       Fußballweltverband wegen Korruption gesperrt wurde. Katar hat sich über die
       Europäische Klubvereinigung ECA in die Exekutive der Uefa „eingekauft“;
       Nasser Al-Khelaifi sitzt dort als Präsident von Paris Saint-Germain FC.
       
       Al-Khelaifi steht auch in einer gewissen Traditionslinie: Ein Schweizer
       Gericht wirft ihm vor, er habe als Besitzer der Mediengruppe BeIN vor der
       Vergabe der Rechte den ehemaligen Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke „nicht
       gebührende Vorteile“ zukommen lassen. Bereits 2017 wurde deshalb ein erstes
       Strafverfahren angestrengt, vor anderthalb Jahren wurde Al-Khelaifi in
       dieser Causa freigesprochen. Im Frühjahr 2022 stellte die
       Bundesanwaltschaft vor dem Berufungsgericht des Bundesstrafgerichts jedoch
       wieder einen Strafantrag wegen „Anstiftung zu schwerer untreuer
       Geschäftsführung“. Angeblich soll die Staatsanwaltschaft fürs zweite
       Verfahren 28 Monate Haft für Al-Khelaifi fordern, Valcke könnte sogar für
       35 Monate ins Gefängnis kommen.
       
       Katar sitzt nicht nur bis 2024 im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen
       und es hat seine Zuwendungen an die UNO in den vergangenen zehn Jahren
       nicht nur erheblich erhöht, Katar hat auch weitere Organisationen des
       Sports „unterwandert“. Die Schweiz wurde hierfür zum Dreh- und Angelpunkt:
       „Genf, das fast 10.000 km von der katarischen Hauptstadt Doha entfernt
       liegt, ist für die Diplomatie und das Lobbying des Emirats ebenso wichtig
       geworden wie der Fußball“, schreibt Swissinfo. Hier hat der Golfstaat das
       International Centre for Sports Security (ICSS) und die Sports Integrity
       Global Alliance (SIGA) ins Leben gerufen, die ein positives Image des
       Ausrichters der Fußball-WM in die Welt tragen sollen. Es geht wieder mal um
       „Transparenz und Integrität im Sport“, wie in Fensterreden so gern betont
       wird.
       
       Eine weitere Organisation, schreibt Swissinfo, das Zentrum für
       Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung ROLACC, habe ebenfalls mit
       Katar an seiner eigenen Agenda zur Korruptionsbekämpfung und Integrität
       gearbeitet. ROLACC wurde 2016 in Genf von seinem Gründer Ali bin Fetais
       Al-Marri, dem Generalstaatsanwalt von Katar, der auch
       UNO-Sonderbeauftragter für Korruptionsbekämpfung gewesen ist, eingeweiht.
       Gründer des ICSS ist wiederum Mohamed Hanzab, ein ehemaliger katarischer
       Militär. Seit 2010 organisiert das Zentrum auch die Konferenz „Securing
       Sport“. ICSS-Generaldirektor war übrigens der Deutsche Helmut Spahn. Horst
       R. Schmidt, immerhin Vize des deutschen WM-Organisationskomitees 2006, saß
       im Beirat des ICSS.
       
       Laut Website waren die größten Geldgeber von SIGA im Jahr 2018 Qatar
       Airways, ICSS Insight, eine gemeinnützige Einrichtung, die mit ICSS
       verbunden ist, und Mastercard. Als „Partner“ firmieren die Uefa, die Unesco
       oder die Qatar Stars League. ICSS ist verbandelt mit der Initiative „Save
       the Dream – for the Purity of Sport“, in der sich die Katarer ein illustres
       Portfolio von Sportprominenten zusammengestellt haben: den französischen
       Fußballer David Trezeguet etwa, die portugiesische Ex-Marathonläuferin Rosa
       Mota oder Frankreichs Ex-Kicker Christian Karembeu. Die europäischen
       Sportler transportieren jene „ethischen“ Werte, die die Katarer für sie in
       Sonntagsreden entworfen haben.
       
       Und wenn ihnen die Worte ausgehen, assistiert Sheikha Hessa bin Hamad bin
       Khalifa Al-Thani. Sie ist nicht nur Generalsekretärin der „Arab League for
       Humanitarian Affairs“, sie spricht auch gern für „Save the Dream“ über
       Träume und so, auch in Doha während der WM. So greift ein Rädchen ins
       andere. Die vielseitigen Strategien der Softpower haben die katarischen
       Macher und Machthaber wahrlich verinnerlicht: Harte Interessen werden so
       lange weichgespült, bis sich die Fäden zu einem formidablen Netzwerk
       verstricken lassen. Manchmal müssen sich allerdings Staatsanwälte das
       Geflecht genauer anschauen.
       
       13 Dec 2022
       
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