# taz.de -- Krieg in Nahost: „Wir werden alle gefangen gehalten“
       
       > Israelische Regierungsgegner*innen werfen Netanjahu vor, einen
       > möglichen Geiseldeal zu sabotieren. Die Hamas hat zuvor Zugeständnisse
       > gemacht.
       
 (IMG) Bild: Neun Monate, nachdem Matan Zangauker in den Gazastreifen entführt wurde, appelliert seine Mutter im Käfig an Netanjahu
       
       JERUSALEM taz | An einer Brücke in Tel Aviv hängt ein Käfig herab. Darin
       steht Einav Zangauker, Mutter des seit neun Monaten in Gaza als Geisel
       festgehaltenen Matan. „Netanjahu, es liegt in deinen Händen“, steht auf
       einem Banner, das an dem Käfig befestigt ist.
       
       Tausende sind am Sonntagabend vor dem Hauptquartier des israelischen
       Militärs in Tel Aviv zusammengekommen, um gegen die Regierung und für
       [1][einen Geiseldeal] zu demonstrieren. Der Menge sagt Zangauker: „Wir alle
       werden gefangen gehalten von Netanjahu und Sinwar.“ [2][Und gibt damit
       sowohl dem Premier Israels als auch dem Hamas-Führer in Gaza, Jahia Sinwar,
       die Schuld daran,] dass nach monatelangem Verhandeln immer noch kein Deal
       auf dem Tisch liegt, der die 116 verbliebenen Geiseln befreien und den
       Krieg in Gaza schließlich beenden würde.
       
       Am 7. Juli ist die Entführung der Geiseln nach Gaza genau neun Monate her –
       und in Israel beginnt eine „Woche der Unterbrechung“. Zehntausende wollen
       im ganzen Land auf die Straße gehen und auch mit zivilem Ungehorsam weiter
       Druck auf Netanjahu und seine Regierung aufbauen. So haben etwa
       verschiedene High-Tech-Firmen angekündigt, ihren Angestellten freizugeben,
       damit diese tagsüber Proteste besuchen können.
       
       Die Sicherheitskräfte gehen derweil teils heftig gegen die Demonstrierenden
       vor: Auch am Wochenende setzten sie beinahe schon routinemäßig Wasserwerfer
       ein, mehrere Menschen wurden festgenommen. Auch in Jerusalem kam es zu
       Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Protestierenden, dabei wurde am
       Sonntag ein Demonstrant verletzt.
       
       ## Der Ball liegt in Israels Feld
       
       Dabei schien jüngst ein Durchbruch in den Verhandlungen um den Geiseldeal
       zu gelingen: Laut Medienberichten ist die Hamas bereit, zunächst einer nur
       temporären Feuerpause zuzustimmen, wenn sie Sicherheitsgarantien der
       Vermittelnden für eine anschließende dauerhafte Waffenruhe erhält. Zuvor
       bestand sie auf einer sofortigen, dauerhaften Waffenruhe. Ein Deal scheint
       näher zu rücken – und der Ball liegt nun wohl in Israels Feld.
       
       Am Sonntagabend gab Netanjahu dann eine Liste mit vier Punkten bekannt, die
       „nicht verhandelbar“ seien: Israel müsse weiterhin das Recht haben, nach
       Gaza zurückzukehren und zu kämpfen, „bis alle Ziele des Krieges erfüllt
       sind“.
       
       Vor allem das von Netanjahu geforderte Rückkehrrecht nach Gaza für das
       israelische Militär dürfte für die Hamas kaum akzeptabel sein. Außerdem
       müssten so viele lebende Geiseln wie möglich freigelassen werden und der
       Schmuggel von Waffen aus Ägypten nach Gaza unterbleiben.
       
       Israel kontrolliert mittlerweile den sogenannten Philadelphi-Korridor, der
       ganz im Süden Gazas an der Grenze zu Ägypten verläuft. [3][Mit der
       Eroberung der südlichen Stadt Rafah und des Korridors schnitt Israel Gaza
       von Ägypten ab.]
       
       ## High-Tech-Barriere an der Grenze
       
       Nach israelischen Angaben wurden dabei dutzende Tunnel gefunden, die in das
       südliche Nachbarland führen, und Schmuggelrouten unterbrochen. Ägypten hat
       sich derweil nach Angaben des israelischen Armeeradios offen gezeigt,
       gemeinsam mit den USA eine High-Tech-Barriere an der Grenze zu bauen, um
       den Schmuggel von Waffen künftig zu verhindern.
       
       Netanjahu betonte außerdem, Israel könne die Rückkehr „Tausender
       bewaffneter Terroristen nach Nordgaza“ nicht zulassen. Der Küstenstreifen
       ist derzeit durch den Netzarim-Korridor geteilt, der südlich von Gaza-Stadt
       verläuft. Das Militär patrouilliert den Korridor, nach Angaben von
       Zivilisten aus Gaza ist ihnen die Passage des Küstenstreifens nicht
       möglich.
       
       Israelische Staatsangestellte zeigen sich derweil „schockiert“ über die von
       Netanjahu veröffentliche Liste, berichtet der öffentliche Rundfunksender
       Kan. Die öffentlich gemachten Punkte könnten, so eine Quelle von Kan, „die
       Chance, die Geiseln nach Hause zu bringen, negativ beeinträchtigen“.
       Verhandlungen sollten nicht in den Medien ausgetragen werden und nicht
       genau vor Beginn erneuter Verhandlungen. Unter anderem wird pünktlich zu
       den neuen Verhandlungsrunden in der katarischen Hauptstadt Doha und dem
       ägyptischen Kairo der CIA-Direktor Bill Burns in der Region erwartet.
       
       8 Jul 2024
       
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 (DIR) Lisa Schneider
       
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