# taz.de -- Lawrow in Brasilien: Moralisch-politischer Bankrott
       
       > Anbiedernd und kritiklos empfängt Brasiliens Präsident Lula da Silva den
       > russischen Außenminister. Damit schlägt er sich auf die Seite des
       > Aggressors.
       
 (IMG) Bild: Sergei Lawrow während einer Pressekonferenz mit dem brasilianischen Amtskollegen Vieiera am Montag
       
       Erst war er in Brasilien, jetzt reist Russlands Außenminister [1][Sergei
       Lawrow] weiter nach Venezuela, Kuba und Nicaragua. Damit stellt Lawrow
       Brasiliens Präsidenten Lula da Silva genau da hin, wo ihn seine rechten
       innenpolitischen Gegner*innen im Wahlkampf immer stellen wollten: in
       eine Reihe mit lateinamerikanischen Diktatoren.
       
       Und Lula, von den vier der einzige demokratisch gewählte Regierungschef und
       zudem Präsident des größten und wirtschaftlich stärksten Landes, lässt das
       willig mit sich machen. Kein Wort kam von Lula, seinen russischen Gast dazu
       aufzufordern, seine Truppen sofort aus der Ukraine zurückzuziehen –
       stattdessen kritisiert der 77-Jährige die USA und Europa, sie würden durch
       Waffenlieferungen an die ukrainischen Verteidiger den Krieg befeuern.
       
       Mit der lange beschworenen „Äquidistanz“ Brasiliens zwischen dem
       US-geführten Westen einerseits und China/Russland andererseits hat das kaum
       noch etwas zu tun. Kein Wunder, dass sich Lawrow nach den Gesprächen
       hocherfreut für das brasilianische Verständnis bedankt.
       
       China und Russland haben ein großes Interesse daran, die doch eher lose
       Wirtschaftsallianz der [2][BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien,
       China und Südafrika)] zu einem politischen Bündnis zu formen – solide
       antiwestlich, mit dem nur knapp nicht ausgesprochenen Anspruch auf
       Führerschaft des Globalen Südens.
       
       ## Keine Solidarität mit der Ukraine
       
       Aus rein nationalen Interessen ist nachvollziehbar, dass Lula dem nicht
       widersprechen möchte: [3][China ist stärkster Handelspartner des Landes];
       die in den vergangenen Jahren gemachten Erfahrungen mit EU und USA geben
       kaum Anlass, das ändern zu wollen, und Brasiliens Rolle in diesem Bündnis
       ist größer und wichtiger, als sie in einer westlichen Allianz je sein
       könnte.
       
       Moralisch und politisch allerdings ist Lulas Positionierung für einen
       Linken eine Bankrotterklärung. Antiimperialistische Solidarität mit einem
       überfallenen Land? Pustekuchen. Lula behauptet, er wolle unter keinen
       Umständen Teil eines neuen Kalten Krieges werden. Aber seine anbiedernde
       Kritiklosigkeit gegenüber seinem russischen Gast macht ihn genau dazu.
       Lulas Gerede vom „Friedensclub“ für die Ukraine, den er gründen wolle, kann
       nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich de facto auf die Seite des
       Aggressors geschlagen hat. Putin wird es freuen.
       
       18 Apr 2023
       
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 (DIR) Bernd Pickert
       
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