# taz.de -- Linke-Pleite bei Saarland-Wahl: Ratlosigkeit einer Partei
       
       > Nach ihrem Debakel betreibt die Linke Manöverkritik. Doch auch der
       > generelle Trend für die Partei geht nach unten.
       
 (IMG) Bild: Kater nach Wahlnacht: Die Linken-Chefinnen Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow am 28. März
       
       BERLIN/ SAARBRÜCKEN taz | Es ist ein Tag, an dem nichts mehr schönzureden
       ist. „Das ist natürlich ein desaströses Ergebnis“, sagt Janine Wissler in
       der Bundespressekonferenz. Es sind nicht viele Journalist:innen
       gekommen, um zu hören, was sie, ihre Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow
       und die saarländische Spitzenkandidatin Barbara Spaniol zu dem Wahldebakel
       an der Saar zu sagen haben. Was nicht nur daran liegt, dass zeitgleich
       Friedrich Merz im Konrad-Adenauer-Haus versucht, die CDU-Niederlage zu
       erklären, sondern vor allem an dem Abschneiden der Linkspartei an der Saar:
       [1][Mit 2,6 Prozent ist sie ausgerechnet in ihrer einstigen Hochburg zu
       einer Splitterpartei geschrumpft], nur noch knapp vor der Tierschutzpartei.
       
       Wissler und Hennig-Wellsow machen ebenso wie Spaniol vor allem die
       besondere Situation an der Saar, die tiefe Zerstrittenheit des dortigen
       Landesverbandes, [2][die im Austritt ihres einstigen Zugpferdes Oskar
       Lafontaine zehn Tage vor der Wahl gipfelte], für die Wahlkatastrophe
       verantwortlich. Da ist auch etwas dran, es reicht zur Erklärung aber
       alleine nicht aus. Denn der generelle Trend geht für die Linkspartei nach
       unten. Das Ausmaß der Krise ist wesentlich größer. Sie droht bundesweit in
       der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die Parteivorsitzenden wirken ratlos,
       wie so viele zurzeit in der zerzausten Partei.
       
       Für die kommenden Landtagswahlen in westdeutschen Bundesländern verheiße
       die Saarland-Wahl nichts Gutes für die Linkspartei, analysiert der
       Sozialwissenschaftler Horst Kahrs in seiner Wahlauswertung für die
       Rosa-Luxemburg-Stiftung. Persönliche Zerstrittenheit und anschließender
       Vertrauensverlust hätten zwar für den Absturz aus dem zweistelligen Bereich
       eine Rolle gespielt. Doch befinde sich die Partei an der Saar „nun auf dem
       gleichen außerparlamentarischen Niveau wie in allen westdeutschen Ländern
       außer Hessen, Hamburg und Bremen“, so Kahrs. „Konnte der Verweis auf die
       besonderen saarländischen Verhältnisse zwar außerordentliche Erfolge
       erklären, so schützt er nicht mehr vor Antworten auf die Frage, welche
       Konsequenzen aus den letzten Wahlniederlagen nun gezogen werden sollen.“
       Von der Saarland-Wahl gehe für die Linkspartei „das Zeichen aus, dass
       Bedeutungsverlust nochmal Fahrt aufnimmt, und weiteres Abwarten auf
       günstige Situationen keine erfolgversprechende Option ist“.
       
       Die Berliner Landeschefin und stellvertretende Bundesvorsitzende Katina
       Schubert verweist auf die bundesweite Bedeutung der Personalie Oskar
       Lafontaine. Er habe die Linke immer benutzt, um die SPD wieder
       sozialdemokratisch zu machen. „Das scheint jetzt in seinen Augen gelungen
       zu sein, damit hat die Linke aus seiner Sicht ihre Aufgabe erfüllt“, sagte
       Schubert der taz. „Umso wichtiger ist es, Alternativen zu
       sozialdemokratischer und grüner Beliebigkeit von Aufrüstung, ein bisschen
       Klima, ein bisschen gute Arbeit zu entwickeln und ausstrahlungsfähig zu
       machen.“ Jetzt müsse es darum gehen, „die Linke als spannende Alternative
       zur Ampel neu aufzustellen“.
       
       Ähnlich sieht es der frühere Bundesvorsitzende Bernd Riexinger. Jenseits
       der innerparteilichen Querelen habe es die saarländische Linkspartei „nicht
       geschafft, neben einer sich wieder sozialdemokratisch gebenden SPD das
       eigene Profil zu schärfen“, sagte Riexinger der taz. Die zentrale Frage
       müsse nun sein, „ein konsequent linkes Profil für die Herausforderungen
       einer sozialen und ökologischen Transformation in den Vordergrund zu
       stellen“.
       
       „Das Entscheidende für unsere Partei ist, dass wir unseren Gründungskonsens
       erneuern, dass wir nach vorne schauen“, sagt Wissler am Montag in der
       Bundespressekonferenz. Doch wie soll das gelingen?
       
       Als die Linkspartei vor fünfzehn Jahren entstand, waren die
       Aufbruchstimmung groß und die Ansprüche hehr. „Gemeinsam wollen wir eine
       Partei, wie es sie in Deutschland noch nicht gab – Linke einigend,
       demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und antipatriarchal,
       offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und
       antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend“, ist in der
       „Programmatische Eckpunkte“ genannten Gründungserklärung zu lesen, auf die
       sich die ostdeutsch geprägte PDS und die westdeutsch dominierte WASG Ende
       März 2007 auf parallel stattfindenden Parteitagen in den Dortmunder
       Westfalenhallen verständigten.
       
       Heute erinnert nur noch wenig daran, was die Linkspartei mal hatte werden
       wollen. Ein Hauen und Stechen allerorten, die Umgangsformen untereinander
       sind nicht nur im Saarland unterirdisch. Mittlerweile sei sie „längst eine
       Mogadishu-Linke, in der unterschiedliche Stammesführer nur noch die eigene
       schmale Anhängerschaft bedienen“, twitterte frustriert der ehemalige
       Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi am Wahlabend. Er bleibe zwar
       „demokratischer Sozialist“, habe sich jedoch „innerlich bereits so stark
       von meiner Partei entfremdet, dass mir derzeit der Glaube an dieses Projekt
       abhandengekommen ist“.
       
       ## Verheerende Polarisierung innerhalb der Partei
       
       Was De Masi unerwähnt ließ, ist sein eigener Beitrag an dem Fiasko. Mit
       seiner äußerst aktiven Beteiligung an der gescheiterten „Sammlungsbewegung
       Aufstehen“ Sahra Wagenknechts hat er nicht unentscheidend an der
       verheerenden Polarisierung innerhalb der Partei mitgewirkt, aus der sie nun
       keinen Ausweg mehr zu finden scheint. Aber auch das ist charakteristisch
       für die Linkspartei: Selbstkritik gehört weder bei den einen noch den
       anderen zu den Stärken.
       
       Ein Extrembeispiel dafür lieferte am Montag Thomas Lutze, der
       hochumstrittene Nochlandesvorsitzende der Saar-Linken, der mit seinen
       jahrelangen Machtspielchen maßgeblichen Anteil an dem Desaster im Saarland
       hat. Kein Fünkchen Selbstkritik kam Lutze bei seiner
       Niederlagenpressekonferenz im Restaurant des saarländischen Landtags über
       die Lippen. Nicht eigene Fehler machte er für das „verheerende“
       Wahlergebnis verantwortlich, sondern bloß das „grobe Foul“ Lafontaines, mit
       dem er seit zehn Jahren hoffnungslos zerstritten ist. Wenn man hinten mit
       einer Viererkette spiele und es würden drei Spieler davon „vom Gegner
       bezahlt, dann kannst du nur verlieren“, giftete Lutze. Bereits am Wahlabend
       hatte er kräftig ausgeteilt: „Das war ein Komplott einer Clique, die zum
       Teil hoch bezahlt wird“, polterte Lutze. „Der Kopf dieser Clique war lange
       Zeit auch unser Spitzenkandidat, unser Fraktionsvorsitzender.“
       
       Die dramatische Niederlage im Saarland zeige, dass die Linkspartei „aktuell
       nicht attraktiv“ sei, konstatierte Bundesvorstandsmitglied Maximilian
       Becker. Das liege daran, dass sie „einen Berg hausgemachter Probleme vor
       sich herträgt“. Dieser Berg müsse schnellstmöglich kleiner werden. „Dazu
       braucht es unter anderem ein Update linker Außenpolitik und eine eigene
       politische Idee“, sagte Becker.
       
       Noch deutlicher formuliert es die Bundestagsabgeordnete Caren Lay, die
       ebenfalls ein „außenpolitisches Update“ fordert: „Die Russlanddebatte hat
       uns massiv geschadet“, ist Lay überzeugt. Das spielt an auf eine Erklärung
       von Sahra Wagenknecht und sechs weiteren Fraktionsmitgliedern, die den USA
       eine „maßgebliche“ Mitverantwortung für Russlands Krieg gegen die Ukraine
       geben. Die Linkspartei müsse ihre Haltung zu Russland klar ziehen. „Wir
       müssen deutlich machen, dass wir Russlands Krieg weder unterstützen noch
       relativieren.“ Lay hofft, dass der Parteitag im Juni einen Prozess zur
       Klärung dieser und anderer offener Fragen startet.
       
       28 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
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