# taz.de -- Massenproteste in Bangladesch: Ministerpräsidentin flieht aus Dhaka
       
       > Nachdem Demonstranten ihre Residenz stürmten, tritt Ministerpräsidentin
       > Hasina zurück und verlässt wohl Bangladesch. Rund 300 Menschen starben
       > bisher.
       
 (IMG) Bild: Hat wohl Bangladesh verlassen: Ministerpräsidentin Scheich Hasina in einem Archivfoto
       
       DHAKA afp/ap/taz | Nach wochenlangen Massenprotesten ist Bangladeschs
       Regierungschefin Scheich Hasina nach Angaben der Armee des Landes
       zurückgetreten. Es werde nun eine „Übergangsregierung“ gebildet, kündigte
       am Montag Armeechef Waker-Uz-Zaman in einer im staatlichen Fernsehen
       übertragenen Rede an die Nation an. Zuvor hatten Demonstranten den Amtssitz
       von Hasina gestürmt, die ihrerseits nach Angaben aus ihrem Umfeld mit dem
       Hubschrauber aus Dhaka geflohen war.
       
       Zuvor hatte es Berichten zufolge bei erneuten Protesten Dutzende Tote
       gegeben. Die Tageszeitung Prothom Alo meldete am Sonntag einen Anstieg der
       Totenzahl auf fast 95, darunter 14 Polizisten. Der Sender Channel 24
       berichtete von mindestens 85 Todesfällen durch Gewalt. Das Militär
       verhängte zwar erneut eine Ausgangssperre, die unter anderem für die
       Hauptstadt Dhaka und andere Gebiete ab Sonntagabend (Ortszeit) auf
       unbestimmte Zeit gelten sollte. Die Demonstranten hielten sich am Montag
       aber nicht daran.
       
       Soldaten und Polizisten kontrollierten die wichtigen Straßen von Dhaka.
       Zudem wurden laut dem Bericht eines AFP-Reporters die Zufahrtswege zum Sitz
       von Regierungschefin Hasina mit Hilfe von Stacheldraht abgeriegelt und
       verbarrikadiert. Mit dem massiven Sicherheitsaufgebot sollte die Einhaltung
       der Ausgangssperre kontrolliert werden.
       
       Beobachter befürchteten, dass dessen ungeachtet die Gewalt am Montag noch
       die Ausschreitungen von Sonntag überschreiten könnte, die bisher blutigsten
       seit Beginn der Proteste im vergangenen Monat. Das Internet und der
       Mobilfunk wurden am Morgen nach Betreiberangaben weitgehend abgeschaltet,
       Büros sowie mehr als 3500 für die Wirtschaft des Landes immens wichtige
       Textilfabriken blieben geschlossen.
       
       ## UN-Menschenrechtskommissar: Gewalt ist „schockierend“
       
       „Da (…) ein Massenmarsch nach Dhaka geplant ist und die Jugendorganisation
       der Regierungspartei zu Aktionen gegen die Demonstranten aufgerufen hat,
       bin ich zutiefst besorgt, dass es weitere Todesopfer und größere
       Zerstörungen geben wird“, erklärte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk.
       „Die schockierende Gewalt in Bangladesch muss aufhören.“
       
       Zugleich appellierte er „eindringlich an die politische Führung und die
       Sicherheitskräfte, ihren Verpflichtungen zum Schutz des Lebens sowie der
       Freiheit friedlicher Versammlungen und Meinungsäußerungen nachzukommen“.
       
       Am Sonntag waren landesweit hunderttausende Regierungsgegner und -anhänger
       auf die Straße gegangen und hatten sich gegenseitig mit Messern, Stöcken
       und Knüppeln angegriffen. Zudem schossen Sicherheitskräfte mit Gewehren in
       die Menge. Laut den AFP vorliegenden Zahlen wurden mindestens 94 Menschen
       getötet. Dies ist die höchste [1][Zahl an Opfern] an einem Tag seit Beginn
       der Proteste gegen die Regierung im Juli.
       
       Unter den Getöteten waren auch 14 Polizisten, deren Revier nach offiziellen
       Angaben in Enayetpur im Nordosten des Landes gestürmt wurde.
       
       ## Proteste zielen auf den Sturz der Regierung
       
       Ursprünglich gingen die Demonstranten gegen eine [2][Quotenregelung für die
       Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst] auf die Straße, die ihren Angaben
       zufolge Unterstützer von Hasina bevorzugte. Die umstrittene Quotenregelung
       wurde inzwischen durch ein Urteil des obersten Gerichts weitgehend
       zurückgenommen worden. Doch unter anderem Massenverhaftungen haben die für
       einige Tage ausgesetzten Demonstrationen wieder angeheizt und inzwischen
       den Rücktritt der seit 2009 zunehmend autokratisch amtierenden
       Regierungschefin und ihres Kabinetts zum Ziel.
       
       Der Protestbewegung haben sich mittlerweile Menschen aus allen
       Bevölkerungsschichten angeschlossen, unter anderem Filmstars, bekannte
       Musiker und ehemalige Generäle haben ihre Unterstützung ausgedrückt. Auch
       47 Firmen der für die Wirtschaft des Landes wichtigen Textilbranche haben
       sich mit den Demonstrierenden solidarisiert. Offen ist bislang, ob die
       Armee die Protestierenden unterstützen wird – oder weiterhin zu Hasina
       steht.
       
       Die 76-jährige Regierungschefin war im Januar in einer von einem großen
       Teil der Opposition boykottierten Wahl im Amt bestätigt worden. Ihrer
       Regierung werden unter anderem der Missbrauch staatlicher Institutionen zum
       eigenen Machterhalt und die Unterdrückung von Regierungskritikern
       vorgeworfen – bis hin zur außergerichtlichen Tötung [3][Oppositioneller].
       
       Die Regierung hatte die zunächst friedlichen [4][Studentenproteste] selbst
       durch beleidigende Rhetorik angeheizt und dann durch Angriffe der
       Studentenorganisation der regierenden Awami-Liga auf Demonstrierende die
       Gewaltspirale in Gang gesetzt. Am Wochenende hatte Regierungschefing Hasina
       zum Dialog aufgefordert, nachdem sie bis dahin selbst unversöhnlich und
       arrogant auf die Proteste reagiert hatte.
       
       5 Aug 2024
       
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