# taz.de -- NPD-Politiker als Mallorca-Kneipenwirt: Der Apfel fällt doch weit vom Stamm
       
       > Holger Apfel, bis vor kurzem eine Parteigröße der NPD, will sich nicht
       > den Mühlen eines sühnenhaften Drills unterwerfen. Bürger wie ihn muss man
       > ertragen.
       
 (IMG) Bild: Speisen bei Jasmin und Holger. Aber wo ist Holger denn nun?
       
       Irgendwann neulich war er weg. Nicht mehr auf dem Radar von Journalisten,
       die sich auf Rechtsextremes, etwa aus den Reihen der NPD, verstehen. Auch
       nicht mehr auf dem von Antifas: Holger Apfel, einst eines der
       prominentesten Gesichter der NPD, ihr Fraktionsvorsitzender im Landtag von
       Sachsen und bis zu seinem Rücktritt im Dezember vorigen Jahres ihr
       Bundesvorsitzender, war einfach verschwunden.
       
       Ein Gerücht hatte seiner Karriere den wichtigsten Stoß versetzt – er habe,
       hieß es, einem „Kameraden“ sich nicht im Sinne gesunder, heißt:
       heterosexueller Manier genähert. Genaues weiß man nicht, wurde nie
       erörtert, war kein Teil des Gossip, selbst im Netz wird geschwiegen.
       
       Aber dann war dieser Politiker plötzlich öffentlich – und das war, als
       einer Journalistin der Mallorca Zeitung, eines deutschsprachigen Blatts auf
       Malle („Mallorca“), gesteckt wurde, am Ballermann habe ein gefallener
       Neonazi ein Restaurant eröffnet. Denn es stimmt: Holger Apfel hat mit
       seiner nicht minder in der ultrarechten Szene einst wurzelnden Frau am
       Rande dieses Feier- und Fetenareals ein Lokal eröffnet, das „Maravillas
       Stube – Restaurant bei Jasmin & Holger“ heißt. Eine Lokal, in dem laut Chef
       Apfel die Schnitzelsoßen „durchgängig nahezu perfekt schmecken“, wie man
       auf Zeit-Online las.
       
       Spiegel Online wie der Internetnachrichtendienst der Wochenzeitung
       schickten eilends Reporter hin: [1][„Wirtshaus zum netten Hetzer“] war die
       eine Geschichte betitelt, die andere [2][„Lokal national“]. In jener stand
       aber der entscheidende Satz, der wenigstens bei geringem Einsatz von
       Gedanklichem aufstoßen muss: „Hat so einer eine zweite Chance verdient?
       Kann man von einer Extremistenkarriere zurücktreten wie vom Amt eines
       Sparkassenvorstands?“
       
       Allein die Frage birgt ein Dementi dessen, was Rechtsstaatlichkeit
       ausmachen könnte: eben die Möglichkeit zu einer zweiten Chance. Apfel, so
       beide Texte, lebe ein deutsches Kleinbürgerspießerleben, das sich in
       schlechten Gewohnheiten und üblen Sprüchen ausdrücke. Alles, was dieser, so
       muss man jetzt sagen, ehemalige NPD-Politiker einst sagte, wird von ihm
       selbst nicht dementiert – es muss hier nicht wiederholt werden. Es war
       rassistisch, es hatte durchweg völkischen Klang, strafbar jedoch war es
       nicht.
       
       ## Im linken Kontext wäre das ein Held
       
       Apfel, der sich offenbar selbst eine alternative Existenz in seiner
       Lieblingsgegend der Welt aufbaut, schließlich war er nach eigenem Bekunden
       mehr als ein Dutzend Mal schon auf dieser spanischen Insel, sagt über sein
       neues Leben: „Ich bin nicht im Aussteigerprogramm. Ich werde um die zweite
       Chance nicht betteln.“ Das muss natürlich auf alle wie eine Provokation
       wirken, die von Menschen solcher politischen Provenienz eine Geste des
       Abtrünnigen im Staub erwarten. Ein Mann, der sich nicht den Mühlen eines
       pädagogisch wertvollen, sühnebehafteten Drills unterwerfen will – im linken
       Kontext wäre das ein Held.
       
       Wahr ist aber ohnehin: Auch Männern wie Frauen mit rechten bis
       rechtsradikalen Vorstellungen von der Welt ist es nicht verwehrt, mit
       welchen kulinarisch-kulturellen Angeboten auch immer auf sonnigen
       Urlaubsinseln eine Kneipe, ein Café, ein Restaurant zu eröffnen – und sei
       es mit Speis und Trank, die nicht den habituellen Comments der
       Kulturschickeria entsprechen.
       
       Der Fall Apfel ist – was die Fähigkeit zur sogenannten zweiten Chance
       angeht – freilich insofern ein putziger, als er lediglich einer Partei
       vorstand, die nicht vom Verfassungsgericht verboten war. Selbst seine erste
       Chance war legal – wenn auch nicht, moralisch betrachtet, legitim –, doch
       es ist ja nicht verboten, rechtsradikales Gedankengut in sich zu tragen.
       
       ## Vom Erdboden verschwunden.Tot
       
       Die Frage aber bleibt, zumal im Hinblick auf eine der sinnlichsten
       Forderungen von klassischen Antifademonstrationen („Nazis raus aus
       Soundso!“): Wo sollen sie hin, wenn sie, mal theoretisch angenommen,
       überall mit solchen Appellen konfrontiert sind? Wo hätten sie Platz, um
       ihren unappetitlichen Gedanken nachhängen zu können? Würde man zu Ende
       denken, was die Folge dieser Forderung sein könnte, lautete sie: Sie sollen
       weg. Für immer. Eliminiert. Vom Erdboden verschwunden. Tot.
       
       Da die gedankliche Wunschrealität sehr vieler Linker sich leider nicht nach
       dem richtet, was in der Welt die Sache ist, heißt das, dass man mit
       BürgerInnen wie Holger Apfel und seiner Frau umgehen muss. Sie ertragen.
       Daran messen, was sie tun. Nicht an dem, was sie möglicherweise tun
       könnten. (Damit käme man beim Grübeln nicht weit: Nicht erst Sigmund Freud
       wusste, jedeR GewaltforscherIn bei Verstand und aus Erfahrung weiß, dass
       Menschen, ließe man sie, zu eigens und lustvoll angerichteten Blutbädern
       neigen.)
       
       Eine Mitgliedschaft in der NPD rechtfertigt insofern keine Exkommunikation
       aus dem bürgerlichen Leben – nicht einmal dann, wenn er oder sie ein
       gedeihliches Miteinander zu vergiften droht. Etwa in Kindergärten, bei
       Elternabenden und so weiter und so fort. Dann liegt es an den anderen,
       libertären, linken Anderen, diese Gifte zu entkräften – sei es mit
       Argumenten, sei es mit einer anderen Praxis des Miteinanders.
       
       ## Recht auf eine zweite Chance
       
       Das Recht auf eine zweite Chance für ein bürgerliches Leben haben in den
       vergangenen 40 Jahren gerade Linke und solche aus der Terrorszene ziemlich
       in Anspruch genommen. Gern wurden sie unterstützt von HelferInnen aus der
       Sozialpädagogen-, Medien- und Kulturszene. Christian Klar, Brigitte
       Mohnhaupt, Karl-Heinz Dellwo oder Susanne Albrecht – wo auch immer sie ein
       neues Leben begannen, das alte, das andere Menschen auch mörderisch
       beschädigende, hatten sie hinter sich.
       
       Wenn das richtig war – recht war es ohnehin, sie hatten ihre Strafen
       abgesessen –, muss dies ebenso für Rechtsradikale gelten. Auch wenn sie
       weitgehend noch das glauben, was sie weltanschaulich eben zu einer Partei
       wie der NPD gebracht hat.
       
       Der Glaube an die Rehabilitation ist dem Strafrecht, ist der
       Rechtsstaatlichkeit zentral eingeschrieben. Jede Verfehlung im Sinne des
       Strafgesetzbuchs hat potenziell eine Verurteilung zur Folge, die aber mit
       dem letzten Tag im Gefängnis vorbei ist. Mit anderen Worten: Wer einem wie
       Holger Apfel – oder wem auch immer aus der rechtsradikalen Szene – die
       zweite Chance verwehrt, plädiert insgeheim für lebenslang, ohne dass dies
       ausformuliert wäre.
       
       Und zwar im Stil einer Gesinnungsjustiz: Die Sprüche von Leuten wie Holger
       Apfel sind natürlich rassistisch – vor allem aber trostlos und eng. Aber
       müsste er durch eine Gehirnwäsche, ehe man ihm Speis und Trank geben darf?
       Ist es schon – oder nur? – ein Fall für die Geschmackspolizei, dass dem
       Wirt einer kundenorientierten Futterstelle vorgeworfen wird, auf
       Volltrunkenheit orientierende Getränke wie „Bullenschluck“ im Ausschank zu
       haben?
       
       Der Zeit-Online-Text schließt tugendwächterhaft: „Als Exil für so einen
       Exilpolitiker taugt jetzt nur noch ein Fleckchen Erde, auf dem die Menschen
       rund um die Uhr besoffen sind.“ Haben wir es uns gedacht: Verbannung auf
       eine Felseninsel ohne Grün und Wasser geht leider nicht – da ist der Mann,
       der mal ein rechtsradikaler Promi war, gut aufgehoben – beim Pöbel, der es
       ohnehin nicht besser weiß.
       
       7 Jun 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/holger-apfel-besuch-im-lokal-des-ex-npd-chefs-in-palma-de-mallorca-a-971143.html
 (DIR) [2] http://www.zeit.de/2014/23/holger-apfel-npd-restaurant-mallorca/komplettansicht
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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