# taz.de -- Nach der Wahl in Griechenland: So sieht der Sieger aus
       
       > Alexis Tsipras kann seine Macht und seine Koalition behaupten. Jetzt muss
       > er regieren. Das aber dürfte nun deutlich schwerer werden.
       
 (IMG) Bild: Alexis Tsipras lässt sich feiern.
       
       ATHEN taz | Diesmal blieb es nicht bei einem Telefongespräch in der
       Wahlnacht. Kurz nach Verkündung der ersten Wahlergebnisse an Sonntagabend
       ließen sich Linkspolitiker Tsipras und Panos Kamenos, Parteichef der
       Unabhängigen Griechen (Anel), vor den versammelten Syriza-Anhängern in der
       Athener Innenstadt feiern. Wie ein kleines Kind freute sich der
       Rechtspopulist Kamenos auf den warmen Empfang mit roten Fahnen und
       kämpferischen Liedern. Klare Botschaft: Tsipras und Kamenos gehören
       zusammen – auch in dieser Legislaturperiode.
       
       Schon nach der Wahl am 25. Januar war die Zweckehe mit Kamenos vielen
       Linkswählern ein Dorn im Auge, aber doch ein nötiges Übel, um vermutlich
       aussichtslosen Koalitionsgesprächen aus dem Weg zu gehen. Doch diesmal
       stünden Alexis Tsipras mehrere Alternativen zur Verfügung: Eine durchaus
       willige sozialistische Pasok-Partei, die sozialliberale Gruppierung To
       Potami und nicht zuletzt die konservative Opposition, die im Wahlkampf
       immer wieder auf eine Große Koalition pochte.
       
       Nach Informationen der linksliberalen Zeitung der Redakteure sprachen sich
       sämtliche Syriza-Mitglieder gegen eine Regierungskoalition mit kleineren
       linksgerichteten Parteien und drohten sogar mit Rücktritt. Einen
       Zusammenschluss der Linkspartei mit den Konservativen bezeichnet Tsipras
       als „unnatürlich“.
       
       Die Unabhängigen Griechen, mit denen Tsipras bereits von Januar bis August
       koaliert hatte, nahmen die 3-Prozent-Hürde mit 3,6 Prozent knapp. Zusammen
       mit diesem kleinen Partner kommt Syriza, die als Wahlsieger 50 Mandate
       Bonus bekommt, auf 155 der 300 Mandate im Parlament.
       
       ## Am Mittwoch soll die Regierung stehen
       
       Ob die Koalition mit den Rechtspopulisten „natürlich“ daherkommt? So sieht
       das jedenfalls Anel-Chef Kamenos. Er und Tsipras würden eine progressive
       Regierung zusammenstellen und die Arbeit der vergangenen Monate fortsetzen,
       sagte er Journalisten am Montagnachmittag. Besonders pikiert zeigte sich
       Kamenos über die heftige Kritik des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz
       an seiner Partei: „Wieder einmal mischt sich Herr Schulz in unsere innere
       Angelegenheiten“, monierte der Rechtspopulist.
       
       Laut Medienberichten pocht Kamenos bis zum letzten Moment darauf, eine viel
       aktivere Rolle in der neuen Regierung einzunehmen und nicht zuletzt im neu
       gegründeten Ministerium für Einwanderung ein Wort mitreden zu dürfen. Am
       Mittwoch soll die Zusammensetzung der neuen Regierung bekannt gegeben
       werden, anschließend fliegt Linkspremier Tsipras zum EU-Sondergipfel nach
       Brüssel und soll dort nicht nur Griechenland, sondern auch Zypern gleich
       mit vertreten.
       
       Mit Tsipras und seiner Regierung hatten die europäischen Partner und der
       Internationale Währungsfonds im Sommer ein drittes, 86 Milliarden Euro
       schweres Rettungspaket vereinbart, um Griechenland im Euro zu halten. Dabei
       legte der Linkspolitiker eine Kehrtwende hin: Hatte er vor seiner ersten
       Wahl im Januar noch versprochen, die bei den Griechen verhassten
       Sparauflagen zu lockern, musste er sie dann doch akzeptieren.
       
       Weil ihm Teile der eigenen Partei die Gefolgschaft verweigerten, trat
       Tsipras im August zurück und strengte Neuwahlen an. Ein Teil seiner Partei
       spaltete sich ab. Die neue Volkseinheitspartei scheiterte nun allerdings an
       der 3-Prozent-Hürde.
       
       ## Linke Syriza-Abspaltung erlebt Pleite
       
       Unterdessen erstarrt die konservative Nea Dimokratia (ND) offenbar in
       Schock nach der unerwartet deutlichen Wahlniederlage am Sonntag. Vermutlich
       ist der Rücktritt vom Parteichef Evangelos Meimarakis nur eine Frage der
       Zeit. Führende ND-Politiker weisen allerdings darauf hin, dass auch Premier
       Tsipras in den nächsten Monaten keine leichte Aufgabe hat und prophezeien
       erneute Neuwahlen – spätestens 2016.
       
       Nach der Parlamentswahl erscheint die Parteienlandschaft zersplittert wie
       nie zuvor in der griechischen Nachkriegsgeschichte: Insgesamt acht Parteien
       schafften dein Einzug ins Parlament. Die von Syriza-Abweichlern neu
       gegründete „Volkseinheit“ des ehemaligen Energieministers Panagiotis
       Lafazanis bleibt dagegen außen vor. Viele rechnen damit, dass
       Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou nun eine aktivere Rolle in der
       „Volkseinheit“ einnimmt und vielleicht sogar Lafazanis vom Parteivorsitz
       verdrängt.
       
       Die Regierung muss jetzt nicht nur einen Haushalt für 2016 aufstellen,
       sondern auch die Rekapitalisierung der Banken voranbringen. Zudem stehen
       eine Reform des Rentensystems, eine Serie von Steuererhöhungen und der
       Verkauf von Staatsbetrieben an. Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem
       schrieb noch in der Wahlnacht auf Twitter: „Freue mich auf schnelle Bildung
       einer neuen Regierung mit einem starken Mandat, um den Reformprozess
       fortzusetzen.“
       
       Anleger reagierten am Montag vorsichtig auf das griechische Wahlergebnis.
       Bis zum frühen Nachmittag verbuchten die Kurse an der Athener Börse ein
       Prozent minus.
       
       21 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Papadimitriou
       
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