# taz.de -- Nationalismus bei der WM: „Die Mannschaft massakriert“
       
       > Das Spiel zwischen Serbien und der Schweiz wurde von einem verbalen
       > Schlagabtausch überschattet. Provokationen gibt es auf beiden Seiten.
       
 (IMG) Bild: Den Kosovo am Hacken: Die Fahne ziert der rechten Schuh von Xherdan Shaqiri
       
       SPLIT taz | Natürlich geht es bei der Fußball-Weltmeisterschaft nicht nur
       um Sport. Es geht bei jeder Weltmeisterschaft auch um einen Wettbewerb der
       Nationen unter aufgeladenen nationalistischen Vorzeichen. Wie sich die
       Emotionen nach dem [1][Spiel zwischen der Schweiz und Serbien] jedoch
       überschlagen haben, ist ziemlich einmalig. Blanker Hass brach sich nach dem
       Spiel Bahn.
       
       Es ging nicht nur um eine fragwürdige Elfmeterentscheidung. Es ging vor
       allem um den politischen und nationalistisch motivierten Konflikt zwischen
       Serben und den Kosovoalbanern im Schweizer Team, der durch Provokationen
       beider Seiten auf die Spitze getrieben wurde.
       
       Als der deutsche Schiedsrichter in der 66. Minute einen in serbischen Augen
       berechtigten Elfmeter für Serbien nicht gab, fühlte sich die serbische
       Seite schwer benachteiligt, der Konflikt eskalierte. Alles fing schon damit
       an, dass die Schweizer Spieler mit Kosovo-albanischem Hintergrund Granit
       Xhaka und Xherdan Shaqiri von den serbischen und russischen Fans gnadenlos
       ausgepfiffen wurden.
       
       Mit dem Befreiungskrieg der UCK und dem Eingreifen der Nato 1999 hatte sich
       Kosovo zwar von Serbien losgesagt und sich 2008 für unabhängig erklärt.
       Nach serbischer Lesart sind die Kosovaren aber Verräter, die serbisches
       Land geraubt haben, also Feinde.
       
       Granit Xhakas Vater dagegen war Opfer der serbischen Repression gegenüber
       Albanern in den 90er Jahren. Er saß drei Jahre in serbischen Gefängnissen.
       Beide Spieler stammen aus kosovarischen Flüchtlingsfamilien, beide sind in
       der Schweiz aufgewachsen. Sie fühlen sich wie viele Menschen mit
       Migrationshintergrund als Schweizer, aber auch als Kosovaren.
       
       ## Albanischer Adler
       
       Xherdan Shaqiri hatte vor dem Spiel die serbische Seite bewusst provoziert,
       indem er seine Fußballschuhe mit der Schweizer und der kosovarischen Flagge
       verziert hatte. Dass es ausgerechnet diesen beiden Spielern gelang, die
       entscheidenden und spielerisch herausragend vollendeten Tore für den Sieg
       der Schweiz zu erzielen, gehört zu den Ausrufezeichen in diesem Spiel. Doch
       dass beide dann als Zeichen ihre Triumphes mit ihren Händen den albanischen
       Adler formten, brachte die serbischen Fans zur Weißglut.
       
       Die Schweizer Polizei meldete kurz nach dem Spiel Überfälle auf albanische
       Fans in Zürich und anderen Städten. Dass es zudem ausgerechnet ein
       deutscher Schiedsrichter war, der den Serben in der ersten Halbzeit einen
       Elfmeter verweigerte, steigerte die Enttäuschung und die Wut auf serbischer
       Seite ins Maßlose, werden doch Deutsche als parteiisch empfunden, als
       Freunde der Albaner.
       
       „Der Deutsche Felix Brych, eine Schande für die Schiedsrichterorganisation
       der FIFA, hat Serbien auf dem Weg ins Achtelfinale gestoppt. (…) Das ist
       einer der der schlimmsten Diebstähle bei den letzten Weltmeisterschaften,“
       lautete der Tenor in der Presse. „Der Deutsche hat uns bestohlen – der
       Unparteiische massakrierte unsere Mannschaft und ermöglichte unserem
       Gegner, eine Niederlage in einen Sieg umzuwandeln.“
       
       ## Fifa prüft
       
       Der serbische Verband protestierte in einem offiziellen Brief bei der FIFA
       über den deutschen Schiedsrichter und seine Assistenten. Doch der aus
       Sarajevo stammende Trainer des serbischen Teams, der bosnische Serbe Mladen
       Krstajic, setzte noch einen drauf. „Ich würde ihn nach Den Haag schicken,
       damit man ihm den Prozess macht, so wie man uns den Prozess gemacht hat“,
       sagte der Ex-Bundesligaprofi über Brych und stellte damit den deutschen
       Schiedsrichter und auch sich selbst auf eine Stufe mit den verurteilen
       Kriegsverbrechern Ratko Mladic und Radovan Karadzic.
       
       Nach seinen skandalösen Aussagen wird sich nun Serbiens Coach Mladen
       Krstajic beim Weltverband verantworten müssen. Die Schweizer Presse dagegen
       bedauert, dass der sportliche Erfolg durch den politischen Konflikt
       zugedeckt wurde.
       
       „Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka provozieren mit ihrem Torjubel die
       serbischen Zuschauer. Sie befeuern damit eine Diskussion, die man für
       beendet oder zumindest für abgemildert hielt. Sie haben so feine Füße wie
       kaum jemand sonst in dieser Auswahl. Aber ihre politische Sensibilität und
       ihr gesellschaftliches Bewusstsein sind unterentwickelt,“ schrieb die Neue
       Züricher Zeitung. Dem serbischen Protest gegen die Wertung des Spiels
       werden in der Schweiz nur wenig Aussichten auf Erfolg eingeräumt.
       
       24 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
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