# taz.de -- Peter Altmaier über GEG, Habeck und FDP: „Der Streit hat doch was Gutes“
       
       > Ex-Wirtschaftsminister Altmaier ist besorgt über die gesellschaftliche
       > Polarisierung beim Klimaschutz. Den Heizungs-Kompromiss hält er für
       > richtig.
       
 (IMG) Bild: Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier zu Besuch in der taz
       
       wochentaz: Herr Altmaier, in der ZDF-Talksendung „Markus Lanz“ hat eine
       Kollegin von der FAZ unlängst zu Ihnen gesagt: Wenn Sie als Minister schon
       der Klimaschützer gewesen wären, als der Sie sich heute präsentieren, dann
       hätten wir viele der heutigen Diskussionen nicht. Stimmen Sie zu? 
       
       Peter Altmaier: Ich war seit 2012 für dieses Thema mitverantwortlich, und
       kann mich gut erinnern, dass ich gerade von der FAZ und bürgerlichen Medien
       oft kritisiert wurde, dass ich mich zu sehr für Klimaschutz einsetzen
       würde. Ich sage das nicht anklagend, aber wir haben in dieser Frage seit 20
       Jahren eine gespaltene Wahrnehmung und starke öffentliche Polarisierung,
       die bisher nicht überwunden werden konnte. Sie hat sich zuletzt sogar noch
       verschärft.
       
       Die [1][wochentaz hat soeben herausgearbeitet], dass die CDU zwar
       klimapolitisch international etwas voranbrachte, aber national durch einen
       blockierenden Wirtschaftsflügel bremste. Hatten Sie gegen die denn keine
       Chance, das Notwendige durchzusetzen? 
       
       Die wochentaz ist auch nicht ganz objektiv: Alle geltenden CO²-Klimaziele
       wurden in unserer Regierungszeit beschlossen, wir haben den Anteil der
       Erneuerbaren am Stromverbrauch verdoppelt, Kosten gesenkt, den
       Emissionshandel wirksam gemacht, den Kohleausstieg beschlossen und das
       CO²-Ziel für 2020 erreicht, wenn auch mit Ach und Krach. Dennoch ist
       richtig, dass es auch in der CDU unterschiedliche Sichtweisen und
       Interessen gibt. Noch stärker übrigens bei der FDP, aber auch bei der SPD,
       zum Beispiel [2][in Ostdeutschland, wenn es um das Thema Braunkohle geht].
       
       Sie lenken ab. 
       
       Nein. Wir haben jetzt bei der Diskussion um das Gebäude-Energie-Gesetz
       gesehen, dass kein Minister, kein Bundeskanzler, kein Fraktionsvorsitzender
       die Möglichkeit hat, einfach durchzuregieren, sondern dass sich jede
       Maßnahme auch einer gesellschaftlichen wie politischen Mehrheit versichern
       muss. Das ist der Grund, warum ich es für nachvollziehbar und richtig
       halte, dass Robert Habeck den nun gefundenen Kompromiss akzeptiert und
       geschlossen hat.
       
       Wie finden Sie den? 
       
       Dieser Kompromiss ist eigentlich fast eins zu eins das, was Habeck schon
       vor über einer Woche angesichts des verheerenden öffentlichen Echos
       angeboten hatte. Das erlaubt einen Reset und eine künftige Zusammenarbeit
       auch über Parteigrenzen hinweg.
       
       [3][Das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG)] ist ein kleiner Teil einer großen
       Transformation. Das Problem ist doch, wie populistisch, inhaltsarm und
       verroht das teils verhandelt wurde. 
       
       Ich teile Ihre Analyse, dass es zu einer Verrohung der Sprache und
       Diskussionskultur gekommen ist, vor allem von weit rechts und weit links.
       Ich finde aber, dass Robert Habeck in der Ampel jemand ist, mit dem man
       vernünftige pragmatische Lösungen finden kann. Ich bin mir nicht sicher, ob
       es bei den Grünen so viele andere gibt, die das könnten.
       
       Der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt hat gesagt, Habeck wolle „die
       Energie-Stasi einsetzen, wie in einem Schnüffelstaat“. So spricht man
       nicht, wenn man Interesse an einer inhaltlichen Diskussion hat, sondern,
       wenn man Leute aufhetzen will. 
       
       Ich habe Vergleiche zum SED-Unrechtsregime nie gebraucht und verteidige sie
       auch nicht. Allerdings will ich darauf hinweisen, dass viele grüne
       Aktivisten keinerlei Bedenken hatten, in ähnlich problematischer Weise
       gegen mich, Andreas Scheuer oder Jens Spahn vorzugehen. Ich finde, dass ein
       vernünftiger, nicht diffamierender Umgangsstil für alle im politischen Raum
       Imperativ sein sollte.
       
       Sie sagen, der Schutz des Klimas sei das wichtigste Thema unserer
       Generation und müsse politische Priorität haben. CDU-Chef Friedrich Merz
       sagt: Och, wir haben viele wichtige Themen. Söder macht den Leuten Angst,
       dass sie deshalb künftig Heuschrecken essen müssen. Gehören Sie zur
       Minderheit in der CDU? 
       
       Ich bin seit 46 Jahren in der CDU glücklich, und das soll so bleiben. Dass
       es mir möglich war, so viele verantwortungsvolle Funktionen wahrzunehmen,
       verdanke ich der damaligen Bundeskanzlerin, aber auch der breiten
       Unterstützung meiner Partei. Trotzdem ist es richtig, dass meine Position
       wahrscheinlich von vielen Abgeordneten des Bundestages so nicht
       unterschrieben werden würde, am wenigsten von denen der FDP. Natürlich gibt
       es immer auch andere wichtige Themen, wie 2015 die Flüchtlinge, 2020 die
       Corona-Pandemie, 2022 der [4][Krieg gegen die Ukraine]. Dennoch müssen wir
       liefern, wenn wir glaubwürdig sein wollen.
       
       Es passiert aber immer etwas und künftig umso mehr, je weniger Klimapolitik
       man macht. 
       
       Deshalb ist es wichtig, dass man zu bestimmten Zeiten prioritäre
       Herausforderungen definiert. Es gibt nur eine Chance, die Transformation
       erfolgreich zu bestehen, wenn wir drei Säulen nebeneinander betrachten. Das
       eine ist der Klimaschutz: Wir müssen die Ziele erreichen, die übrigens im
       Gesetz stehen, das wir als Vorgängerkoalition nach dem Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts im Sommer 2021 noch einmal verschärft haben.
       Zweiter Punkt: Der soziale Frieden wird nur gewahrt, wenn wir die
       Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand erhalten.
       
       Und drittens? 
       
       Das ist der bislang unterbelichtete Punkt: Die Gruppe, die durch die
       Transformation übermäßig betroffen ist, sind nicht die ganz Reichen und
       Besserverdienenden, es sind auch nicht die sozial sehr Schwachen. Es sind
       Angestellte, kleine Beamte, Witwen, die Renten beziehen und in schlecht
       gedämmten Häusern wohnen. Viele machen sich Sorgen um ihren sozialen
       Status. Sie sind nicht gegen Klimaschutz, aber auch nicht bereit, ihre
       Lebensleistung dafür aufzuopfern. Wir verdanken die Stabilität unserer
       Demokratie zu wesentlichen Teilen dieser Mittelschicht, und deshalb müssen
       wir ihnen die Garantie geben, dass ihre Lebensleistung erhalten bleibt. Das
       führt zu einer Frage an die Regierung und speziell an den Finanzminister.
       
       Also FDP-Chef Christian Lindner. 
       
       Wir sind zwar endlich bereit, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für
       Verteidigungsausgaben festzuschreiben, aber niemand weiß, wie viele Mittel
       in den nächsten 10, 20 Jahren für die Energiewende zur Verfügung stehen.
       Weshalb der Bundesfinanzminister bei jeder Maßnahme vom Wirtschaftsminister
       eine Gegenfinanzierung verlangt. Das wird so nicht gehen. Diese
       Transformation ist die größte Herausforderung seit dem Wiederaufbau und der
       Wiedervereinigung, und deshalb muss sichergestellt werden, dass sie
       finanziell in all den drei Bereichen, nämlich Dekarbonisierung,
       Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Zusammenhalt, begleitet und abgefedert
       wird. Je schneller die Mittel und Zuschüsse geklärt und vom Finanzminister
       freigegeben werden, desto besser für die Akzeptanz des Projekts.
       
       Sie sind ein Vertreter von großen gesellschaftlichen Kompromissen. Schlagen
       Sie das auch jetzt vor, um aus der dysfunktionalen Lage zu kommen? 
       
       Eindeutig. Aufgrund der Größe der Herausforderungen und der Schwäche der
       Akteure: Die Grünen haben 14,8 Prozent bekommen, nicht 50 Prozent, aber
       auch CDU und SPD haben jeweils nur etwa ein Viertel der abgegebenen
       Stimmen. Deshalb halte ich es für wichtig, sich um einen
       parteiübergreifenden Konsens zu bemühen, der über das Datum der nächsten
       Bundestagswahl hinausträgt. Hier ist die Regierung in der Verantwortung auf
       andere zuzugehen. Robert Habeck hat es ja bereits erfolgreich praktiziert
       beim Konsens mit dem NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst über den
       vorgezogenen Kohleausstieg auf 2030. Insofern hat der Streit der letzten
       Wochen, so verheerend er für die Akzeptanz von Klimaschutz gewesen sein
       mag, doch etwas Gutes, weil er deutlich gemacht hat, dass das hier eben
       nicht das normale Spiel von Regierung und Opposition ist. Die Trennlinie
       geht mitten durch die Ampelkoalition.
       
       Sie geht durch alle liberaldemokratischen Parteien außer durch die Grünen. 
       
       Es ist leider so, dass die Kritik, die aus der FDP kam, im Hinblick auf
       persönliche Schärfe und inhaltliche Unerbittlichkeit zum Teil weit über das
       hinausging, was von vernünftigen Akteuren meiner Fraktion wie Andreas Jung
       vertreten worden ist oder auch durch die [5][Ministerpräsidenten Hendrik
       Wüst] und Daniel Günther. Robert Habeck muss auf der Erreichung der
       Klimaziele bestehen, aber er kann pragmatisch sein bei der Wahl der Mittel.
       
       Wo liegt der Nutzen eines übergreifenden Konsenses? 
       
       Es entsteht Verlässlichkeit, und es ist für die Opposition leichter, wenn
       sie in die Formulierung der Politik mit eingebunden ist. Meines Wissens ist
       die Opposition beim GEG überhaupt nicht gefragt worden. Erst die
       Gemeinsamkeit und Mitentscheidung in der Sache ermöglichen die
       Gemeinsamkeit in der Verantwortung.
       
       Sind Sie wirklich sicher, dass die CDU sich nicht zu der rechtsdrehenden
       Partei entwickelt, vor der Angela Merkel und Sie die Bundesrepublik ein
       Vierteljahrhundert bewahrt haben? 
       
       Die CDU hat es seit ihrer Gründung 1949 immer geschafft, bis auf marginale
       Versuchungen, die Volkspartei der Mitte zu bleiben und den Spagat
       hinzubekommen. Ich bin überzeugt, dass diejenigen, die jetzt in den Ländern
       in der Verantwortung sind, Günther, Wüst und viele andere, sehr darauf
       achten werden, dass diese Balance gewahrt bleibt.
       
       16 Jun 2023
       
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