# taz.de -- Politische Stagnation in Belarus: Wer folgt auf Lukaschenko?
       
       > Der belarussische Präsident spricht beiläufig über potentielle
       > Nachfolger. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge
       > 72.
       
 (IMG) Bild: Nachfolger Lukaschenkos für das Präsidentenamt können nur Menschen aus seiner Entourage werden
       
       Unlängst war Alexander Lukaschenko im Gebiet Grodno unterwegs, wo er unter
       anderem zwei Molkereibetriebe besuchte. Dort erzählte er, warum 2021 das
       „Jahr der nationalen Einheit“ sei, und dass der Staat gegen eine
       Verherrlichung des Nazismus kämpfen werde.
       
       „Wir müssen einander näher sein. Wir müssen das gemeinsam durchstehen. Die
       Welt ist wild geworden und die Menschen haben in dieser Welt die
       Orientierung verloren. Darum habe ich dieses Jahr zum [1][‚Jahr der
       nationalen Einheit‘] ausgerufen“, wird er vom präsidialen Pressedienst
       zitiert.
       
       „Es ist gut, dass Sie Beziehungen zur Europäischen Union haben und dass Sie
       dorthin etwas Ihrer Produktion liefern können“, sagte Lukaschenko zu den
       Arbeitern der Fabrik. „Wenn der Weg schon ein bisschen ausgetreten ist,
       kann man zu jeder beliebigen Zeit darauf gehen, ungeachtet von
       Erschütterungen in unseren Beziehungen. Politik hat manchmal Probleme, aber
       die Wirtschaft findet ihre Wege. Darum sollte man diese Beziehungen
       aufrecht erhalten.“
       
       Außerdem riet er den Belarussen, geduldig zu bleiben [2][beim Warten auf
       einen anderen Präsidenten], der, nach seinen Worten, zweifellos kommen
       werde.
       
       „Wir werden ein einheitlicher Staat sein“, sagte Lukaschenko. „Wir werden
       uns niemandem beugen. Wir werden nicht in die Knie gehen. Schlechter leben
       werden wir nicht, wenn ihr nur den Kopf oben behaltet. Wir werden leben wie
       wir können, und nicht schlechter als andere. Darum haltet an eurem Land
       fest. Ihr werdet andere Präsidenten haben. Das garantiere ich euch. Dann
       könnt ihr vergleichen und werdet verstehen. Und jetzt müsst ihr einfach
       Geduld haben.“
       
       Lukaschenkos Meinung nach könnte der ehemalige Innenminister Juri Karajew
       der nächste Präsident werden. Aktuell ist er Beauftragter des Präsidenten
       in der Region Grodno (an der Grenze zu Polen und Litauen. Dort hatte es
       2020 besonders viele Demonstrationen gegeben; Anm. der Redaktion).
       
       Minister war er übrigens nur ein gutes Jahr, aber er wird den Belarussen in
       Erinnerung bleiben als ein Mensch, unter dem die Miliz (die belarussische
       Polizei; Anm. der Redaktion) brutale Festnahmen durchführte und Gewalt
       gegen Demonstrierende einsetzte. Bei seinem Amtsantritt als Innenminister
       hatte er erklärt: „Man muss die Miliz von dem Image eines ‚Straforgans‘
       befreien.“ Wenn man aber nach den sich überschlagenden Vorgängen seit
       August 2020 und [3][nach der steigenden Zahl politischer Gefangener]
       urteilt, dann haben sie genau das nicht geschafft.
       
       Der zweite Anwärter auf den Präsidentenposten ist der Gouverneur des
       Gebietes Grodno, Wladimir Karanik, früher Gesundheitsminister und
       Chefonkologe in Minsk. Am 17. August (nach den Wahlen) versammelten sich
       Mediziner vor dem Gesundheitsministerium und stellten Karanik eine Reihe
       von Fragen. Doch als sie die Antworten hörten, buhten sie ihn aus. Die
       Menge schrie: „Schande!“ Der Minister verkündete: „Wenn ihr schreit, dann
       geh ich wieder. Sollte es Fragen geben, dann stellt sie. Ich werde sie
       beantworten.“
       
       Am Morgen danach kommentierte er das Gehörte im Telegram-Kanal des
       Ministeriums: „Es ist traurig zu sehen, wie solche klar als inszeniert
       erkennbaren Ereignisse [4][wie spontane Protestkundgebungen von Ärzten]
       aussehen sollen. Es ist eine Schande wie man versucht, unsere Kollegen dazu
       zu benutzen, ein bestimmtes Bild zu zeigen und eine gewalttätige Antwort
       der Organe des Innenministeriums zu provozieren. Es ist erstaunlich zu
       realisieren, dass die Menschen, die gegen den Machtapparat aufstehen, es
       ablehnen, Gespräche zu führen und Probleme zu lösen.“
       
       Man hat den Belarussen übrigens bereits zu verstehen gegeben, dass eine
       neue Verfassung nicht zu neuen Wahlen führe, wie es ursprünglich
       angekündigt worden war. Und Nachfolger Lukaschenkos für das Präsidentenamt
       können nur Menschen aus seiner Entourage werden. Denn wir erinnern uns alle
       gut an seinen Ausspruch: „Die Geliebte gibt man nicht her.“
       
       Aus dem Russischen [5][Gaby Coldewey]
       
       27 Mar 2021
       
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