# taz.de -- Putins Krieg in der Ukraine: Russland ändert sein Narrativ
       
       > Der Kreml kündigt an, dass nun der Donbass militärisches Hauptziel sei.
       > Dort wird der Anschluss an Russland ins Spiel gebracht.
       
 (IMG) Bild: Zivilisten vor einem Panzer der pro-russischen Truppen in Mariupol am 18. März 2022
       
       BERLIN taz | Es klang wie das Eingeständnis einer Niederlage, als Russlands
       stellvertretender Generalstabschef Sergei Rudskoi am Freitag in Moskau eine
       positive [1][Bilanz des ersten Kriegsmonats in der Ukraine] zog. Die
       wichtigsten Ziele der ersten Phase der Operation seien im Allgemeinen
       erreicht worden, sagte Rudskoi. Die russischen Streitkräfte könnten sich
       nun auf das Hauptziel konzentrieren, „die Befreiung des Donbass“.
       
       Demnach waren die russischen Großoffensiven zur Einnahme von Kiew und
       Charkiw und die Bombenangriffe auf Ziele in der gesamten Ukraine seit dem
       24. Februar also nur Nebenkriegsschauplätze. Damals hatte Russlands
       Präsident Wladimir Putin seine „Sondermilitäroperation“ so erklärt: „Ihr
       Ziel ist der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und
       Genozid ausgesetzt sind. Dafür werden wir die Entmilitarisierung und die
       Entnazifizierung der Ukraine anstreben.“ Am Tag danach hatte er einen
       Putsch in Kiew gefordert.
       
       „Rudskois Kommentar könnte darauf hindeuten, dass Russland seine Ziele
       zurückgefahren hat und sich jetzt mit der Kontrolle der gesamten Distrikte
       Donezk und Luhansk zufriedengeben würde, aber diese Lesart ist vermutlich
       falsch“, analysiert das „Institute for the Study of War“ in den USA.
       „Russische Kräfte anderswo in der Ukraine haben den Kampf nicht
       eingestellt.“ Die Schlussfolgerung, so die US-Analyse: „Russlands
       Generalstab versucht, das Kriegsnarrativ anzupassen, damit es so aussieht,
       als ob Russland seine Ziele erreiche und eine Einschränkung seiner
       Operationen beschließe. Tatsächlich erreicht es seine Ziele nicht und wird
       dazu gezwungen, großangelegte Offensivoperationen einzustellen, wegen
       seiner eigenen Fehler und Verluste sowie andauernd wirkungsvollen
       ukrainischen Widerstandes.“
       
       Schon seit einigen Wochen betonen russische Beobachter des Krieges die
       Perspektive einer Einkesselung der ukrainischen Streitkräfte an der Front
       im Osten gegen die selbsternannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk.
       Von der Region um Mariupol nach Norden und von der Region um Charkiw nach
       Süden könnten russische Einheiten den gesamten Osten der Ukraine in die
       Zange nehmen, lauten diese Analysen.
       
       ## Eine Reihe erfolgreicher ukrainischer Gegenoffensiven
       
       Passend dazu deutete die „Volksrepublik Luhansk“ am Sonntag die Möglichkeit
       eines Referendums zum Anschluss an Russland an – die „Volksrepublik“
       beansprucht den gesamten Distrikt Luhansk, einschließlich des von der
       Ukraine kontrollierten Teils. „Ich denke, dass in naher Zukunft ein
       Referendum auf dem Territorium der Republik abgehalten werden wird“, sagte
       Volksrepublik-Anführer Leonid Passetschnik.
       
       „In der Tat ist das ein Versuch, Nord- und Südkorea in der Ukraine zu
       schaffen“, sagte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo
       Budanow, dazu am Sonntag. Russland wolle die Ukraine aufteilen und sich den
       Osten einverleiben, so die Befürchtung. „Alle gefälschten Referenden in den
       vorübergehend besetzten Gebieten sind null und nichtig und werden keine
       Rechtsgültigkeit haben“, sagte der Sprecher des ukrainischen
       Außenministeriums, Oleg Nikolenko.
       
       Doch sehen Militärbeobachter bislang keine größeren Verlagerungen
       russischer Kampfverbände von den anderen Fronten in Richtung Ostukraine.
       Eher werden russische Verstärkungen aus dem Osten Richtung Kiew gebracht,
       damit die bedrängten russischen Stellungen dort nicht zusammenbrechen. Eine
       Reihe erfolgreicher ukrainischer Gegenoffensiven bringt seit Anfang
       vergangener Woche die russischen Truppen nordwestlich und nordöstlich von
       Kiew sowie an allen Frontabschnitten bis Charkiw in Schwierigkeiten. Am
       Wochenende wurden aus diesen Regionen zahlreiche Videoaufnahmen
       ukrainischer Truppen in frisch zurückeroberten Dörfern veröffentlicht.
       
       Die Ukraine verzeichnet auch zahlreiche russische Gefangene, wie andere
       Videos belegen – darunter eines, das möglicherweise Kriegsverbrechen
       belegt: Gefesselte russische Soldaten werden zu Boden geworfen und dann
       beschossen, wobei der Kontext der Aufnahme nicht klar wird.
       
       Was auch immer Russland genau plant – weiterhin ist die gesamte Ukraine vom
       Krieg betroffen. [2][Am Samstag erlebte die westukrainische Metropole Lwiw
       die bisher schwersten russischen Raketenangriffe.] Dichte schwarze
       Rauchwolken hingen nach Beschüssen über der Stadt. Nach russischen Angaben
       wurden Treibstoffdepots des ukrainischen Militärs getroffen.
       
       27 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verteidigungsminister-Sergei-Schoigu/!5844262
 (DIR) [2] /Notizen-aus-dem-Krieg/!5841129
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Donbass
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Demonstrationen in deutschen Städten: Entsetzen über russischen Autokorso
       
       In Berlin und anderswo wurde für Russland demonstriert. Die Bundesregierung
       warnt vor Desinformation, ein Innenminister will härtere Auflagen.
       
 (DIR) Vermittler im Ukrainekrieg: Erdoğans Balanceakt
       
       Der türkische Präsident bemüht sich um einen Ausweg aus dem Krieg. Doch mit
       Russlands Machthaber Putin brechen will Erdoğan nicht.
       
 (DIR) US-Präsident in Polen: Biden zeigt die Zähne
       
       Der US-Präsident erinnert in Warschau daran, dass die Nato mit
       demokratischen Werten verbunden ist. Der Artikel 5 sei ihm „heilige
       Verpflichtung“.
       
 (DIR) Notizen aus dem Krieg: „Man will nicht wach werden“
       
       Seit vier Wochen Krieg in der Ukraine. Ljuba Danylenko aus Kiew lebt jetzt
       im Westen des Landes und schrieb auf, was sie auf der Flucht erlebt hat.
       
 (DIR) Energieimporte aus Russland: Harte Worte an Putin
       
       Die EU, Nato und G7 warnen Russland vor einer Fortsetzung des Kriegs.
       Vorerst gibt es aber kein Importstopp für russisches Gas und Öl.