# taz.de -- Rassismus-Vorwurf gegen Bremer Behörde: Verweigerte Geburtsurkunden
       
       > Schwarze Bremer Mütter werfen dem Standesamt vor, ihnen pauschal zu
       > unterstellen, verheiratet zu sein und deshalb Vaterschaften nicht
       > anzuerkennen.
       
 (IMG) Bild: Sie wollen Geburtsurkunden für ihre Babies: Schwarze Mütter demonstrieren in Bremen
       
       BREMEN taz | Sie fordern Geburtsurkunden für ihre Kinder und ein Ende der
       „systematischen Diskriminierung“: Schwarze Frauen werfen dem Bremer
       Standesamt vor, ihnen pauschal zu unterstellen, [1][sie seien verheiratet].
       Dokumente oder Angaben, die das Gegenteil sagen, würden oft nicht anerkannt
       werden, so das [2][Bündnis „Together we are Bremen“], in dem sich 30 bis 40
       der Betroffenen organisieren.
       
       Und das ist fatal: Denn nach deutschem Recht ist derjenige Vater eines
       Kindes, der mit der Mutter verheiratet ist. So würden
       Vaterschaftsanerkennungen deutscher Männer, die nicht die Ehemänner sind,
       oft nicht dafür ausreichen, dass ein Baby eine Geburtsurkunde bekommt. Das
       sei nicht nur strukturell rassistisch, in der Praxis seien Kind und Mutter
       darum auch von Umverteilung oder sogar Abschiebung bedroht, sagt Anna
       Schroeder, Sprecherin des Bündnisses.
       
       Denn das Migrationsamt weigere sich, ohne Geburtsurkunde die deutsche
       Staatsangehörigkeit des Kindes festzustellen und damit auch der Mutter eine
       Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, so der Vorwurf des Bündnisses. Die Frauen
       fordern, dass dafür die Vaterschaftserkennung ausreiche.
       
       Die Demonstrierenden sind laut, viele – rund 100 Menschen stehen im
       Schneematsch vor der Bremer Innenbehörde –, und sie sind wütend. „Papers
       for all babies“ und „Enough is enough“ steht auf ihren Plakaten. „Wenn ein
       Mann sagt, er ist der Vater“, ruft eine Rednerin, „haben Sie kein Recht,
       das anzuzweifeln.“
       
       Seit dem letzten Protest im September hätte sich die Situation für viele
       Schwarze Frauen nicht verändert. Ein Gespräch von Together we are Bremen,
       dem Flüchtlingsrat und dem Standesamt hätte viele Fragen offen gelassen,
       sagt Schroeder. Deswegen und weil sich die Behörde irgendwann nicht mehr
       gemeldet habe, protestieren sie erneut.
       
       Sie wollen mit Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) persönlich sprechen. Doch
       der sei gerade in Terminen und habe darum keine Zeit, lässt seine
       Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler ausrichten. Gemeinsam mit der Leiterin des
       Standesamts, Petra Konzok, kommt sie vor die Tür, um mit den
       Demonstrant*innen zu reden. „Wir sind gesprächsbereit“, betont sie.
       Noch im Februar könne man sich gemeinsam hinsetzen. Heute allerdings nicht,
       alle Räume seien belegt.
       
       „Wir wollen Taten, nicht reden“, schreien die Frauen den beiden entgegen,
       „Wir leiden!“ und „Unsere Situation hat sich nicht verbessert“. Mit „Shame
       on you“-Rufen werden die Behördernvertreterinnen verabschiedet.
       
       Together we are Bremen fühlt sich mit der Forderung, dass das Migrationsamt
       sich mit einer Vaterschaftsanerkennung zufrieden geben müsse, von einem
       Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen von Oktober bestätigt. Eine Mutter
       ohne deutsche Staatsangehörigkeit hatte sich gegen eine Umverteilung aus
       Bremen gewehrt – und Recht bekommen.
       
       Denn sie habe ein deutsches Baby, sagt ihr Anwalt Anatol Anuschewski. Die
       Vaterschaft, und damit auch die Staatsangehörigkeit des Kindes, „ergibt
       sich relativ schlank aus der Vaterschaftsanerkennung, und diese lag damals
       schon vor“. Die Ausländerbehörde habe aber auf die Geburtsurkunde bestanden
       und deswegen an den Plänen festgehalten, sie gemäß des Aufenthaltsgesetzes
       umzuverteilen.
       
       ## Unberechtigtes Misstrauen
       
       Das Gericht erkennt in seinem Beschluss an, dass die Frau schon im
       Anhörungsverfahren vor der Verteilung „die Vaterschaft des deutschen
       Staatsangehörigen“ nachgewiesen habe. Und das ist relevant für den
       Sachverhalt. Eine Geburtsurkunde beweist laut Urteil dagegen nur die Geburt
       im Inland, sie hat nichts mit den rechtlichen Eigenschaften des Kindes zu
       tun.
       
       Das Gericht attestiert den Behörden wegen der Vaterschaftsanerkennung bei
       gleichzeitiger Verweigerung der Geburtsurkunde zudem „prozessual
       widersprüchliches Verhalten“. Letztlich stellt es in seinem Beschluss fest,
       dass nicht einmal die Zweifel der Behörde daran, dass die Mutter
       unverheiratet ist, berechtigt waren.
       
       Das Kind hat inzwischen einen deutschen Pass. Aber die Behörde habe
       Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, nun muss das
       Oberverwaltungsgericht Bremen entscheiden. Anuschewski geht davon aus, dass
       die Behörden aber „mit wehenden Fahnen untergehen“ werden.
       
       Die Mutter aus diesem Gerichtsverfahren ist nicht die einzige von
       Anuschewskis Mandantinnen, die sich mit dem Standesamt um Geburtsurkunden
       streitet. „Das Standesamt prüft immer irrsinnig aufwendig“, sagt er. Sofern
       es Hinweise gebe, dass etwas nicht stimmt, sei dies auch legitim. Es gebe
       schließlich den gesetzlichen Auftrag an das Standesamt, genau hinzugucken.
       „Aber das Standesamt macht eine Pauschalunterstellung“, sagt Anuschewski.
       
       Auch Anna Schroeder wirft dem Standesamt vor, auch ohne individuellen
       Verdacht zu prüfen. „Wir sprechen jetzt schon teilweise von Racial
       Profiling: Es reicht die Tatsache, dass Frauen Schwarz sind oder aus
       bestimmten Ländern kommen.“ Die Frauen forderten daher neben einer
       veränderten Handhabung beim Migrationsamt auch, dass das Standesamt künftig
       ihre Angaben und Dokumente als Ausgangspunkt nehmen.
       
       ## Rassismus sei kein Problem
       
       Die Frage an Behördensprecherin Gerdts-Schiffler, ob es strukturellen
       Rassismus im Standsamt gebe, [3][wird weiterhin mit Nein beantwortet]. Alle
       Mitarbeiter*innen würden „fortlaufend in interkultureller
       Kommunikation geschult“. Das Misstrauen des Standesamts gelte in jedem Fall
       den Urkunden, denn: „Aktuell gibt es weltweit 30 Länder, deren
       Urkundenwesen als sehr unsicher gilt.“ Dazu gehörten auch Nigeria und
       Ghana, so Gerdts-Schiffler.
       
       Die Standesämter seien vom Auswärtigen Amt verpflichtet, die Urkunden zur
       inhaltlichen Prüfung an die Auslandsvertretungen in den Ländern zu geben.
       Das koste zwischen 300 und 500 Euro und könne auch bis zu einem halben Jahr
       dauern. „Die Hautfarbe ist dabei“, sagt Gerdts-Schiffler, „von absolut
       keinem Interesse.“
       
       Die Fragen, die nach dem Gespräch nach der letzten Demo vom Flüchtlingsrat
       aufkamen, habe man zudem „umfangreich beantwortet“. Außerdem habe man das
       Standesamt personell verstärkt und nachgearbeitet, inzwischen hätten alle
       Kinder, die älter als sechs Monate sind, eine Urkunde.
       
       „Das ist aber nicht das Problem“, sagt Schroeder. Denn entscheidend sei,
       dass in der Urkunde auch der Vater steht – und dies sei oft nicht der Fall.
       
       Für die Innenbehörde gilt auch weiterhin: „Soll das Migrationsamt über die
       Aufenthaltserlaubnis der Mutter entscheiden, ist die Geburtsurkunde von
       zentraler Bedeutung.“ Die Vaterschaftsanerkennung eines Mannes mit
       deutscher Staatsangehörigkeit reiche nicht, erklärt Gerdts-Schiffler. Das
       Migrationsamt sei auf die Angaben in der Geburtsurkunde angewiesen, weil es
       die Staatsangehörigkeit des Kindes nicht selbst prüfe.
       
       5 Feb 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Muetter-sehen-sich-in-Bremen-diskriminiert/!5711701
 (DIR) [2] https://togetherwearebremen.org/
 (DIR) [3] /Abwehrreflexe-in-der-Bremer-Politik/!5711702
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Götz
       
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