# taz.de -- Razzia gegen Reichsbürger: Alles nur linke Propaganda
       
       > Die niedersächsische AfD-Fraktion spielt die Bedrohung durch die
       > Reichsbürgerbewegung herunter. Verbindungen in den Apparat sorgen für
       > Irritationen.
       
 (IMG) Bild: Staatsaktion: Per Hubschrauber wurden die Verdächtigen zur Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gebracht
       
       HAMBURG taz | Unter den terrorverdächtigen Reichsbürgern, die das
       Bundeskriminalamt am Mittwoch in einer groß angelegten Razzia durchsucht
       hat, sind auch einige aus Niedersachsen. Der pikanteste Fall: ein Beamter
       des Landeskriminalamtes (LKA). Er war als Staatsschutzbeamter im Bereich
       Rechtsextremismus tätig.
       
       [1][Vor einer Woche war das BKA mit Spezialeinsatzkommandos gegen 54
       Personen des bundesweiten Netzwerks Patriotische Union (PU) vorgegangen,
       das zur Reichsbürgerszene gehört.] Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik
       nicht an und gehen davon aus, dass das Deutsche Reich fortexistiert.
       
       Bei den Durchsuchungen fanden die Polizisten 90 Waffen und auch Listen mit
       Leuten, die im Falle eines erfolgreichen Putsches an die Wand gestellt
       werden sollten. Der Generalbundesanwalt wirft den Beschuldigten vor, eine
       terroristische Vereinigung gebildet zu haben.
       
       Nach einer Anhörung am Dienstag im Innenausschuss des Landtages zeigte sich
       André Bock von der CDU-Fraktion besorgt über die [2][Verbindungen des
       PU-Netzwerks zur Polizei]. Hier müsse auch über „die Kultur“ in den
       Behörden gesprochen werden, verlangte Bock.
       
       ## Führen der Dienstwaffe untersagt
       
       Das Innenministerium bestätigte, dass dem beschuldigten LKA-Beamten das
       Führen der Dienstwaffe sowie das Betreten der Dienststellen untersagt sei.
       Der Beamte ist vorläufig suspendiert. Bisher ist jedoch offen, ob er dem
       Netzwerk von Reichsideologie- und Querdenken-Bewegten dienstliche
       Informationen weitergegeben hat oder Hinweise vorab zu dem Einsatz gegen
       die PU. Das LKA verweist für nähere Informationen auf den
       Generalbundesanwalt, der die Verfahrenshoheit habe.
       
       Offen bleibt daher auch, inwieweit der LKA-Beamte mit einem früheren
       Kollegen dienstlich zu tun hatte, der als potenzieller Putschist in Haft
       genommen wurde: Michael Fritsch. Der ehemalige Kriminalhauptkommissar aus
       Hannover zweifelte bei [3][Querdenken-Demonstrationen die
       Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik an] und nannte seine Kolleg*innen
       „gekaufte Söldner“.
       
       Der in der Szene gefeierte „Schutzmann mit Herz und Hirn“ fabulierte von
       geheimen Militäreinsätzen, unterirdischen Bunkern unter dem Berliner
       Flughafen und Stuttgart 21, in denen die Flüchtlinge und Migranten für den
       Great Reset warteten. Er griff die QAnon-Verschwörung auf, nach der Kinder
       entführt würden, um aus deren Blut Adrenochrom zu gewinnen.
       
       Auf der Liste der Partei Die Basis kandidierte er für den Bundestag. Im
       April bestätigte das Verwaltungsgericht, dass Fritsch, der in Hildesheim
       lebt, zu Recht aus dem Beamtenverhältnis entlassen wurde.
       
       ## Ordnungsruf für AfDler
       
       In Haft kam auch Fritschs Lebensgefährtin Melanie R. aus Peine. Die Ärztin,
       die in Vechelde praktizierte, sollte nach dem Putsch
       „Gesundheitsministerin“ werden und für „spirituelle Fragen“ zuständig sein.
       20.000 Euro soll sie der Terrorgruppe gespendet haben. Ebenfalls in Haft
       kam auch der promovierte Jurist Tim Paul G. aus Hannover. Er sollte
       Außenminister werden.
       
       Bei einer aktuellen Stunde am Mittwoch im Landtag versuchte die
       niedersächsische AfD-Fraktion, die Bedrohung herunterzuspielen. Die große
       Razzia sei ein „PR-Coup“, sagte der Fraktionsvorsitzende Stefan
       Marzischewski-Drewes schon vor der Sitzung. Der parlamentarische
       Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Klaus Wichmann, bezeichnete die PU als
       „skurrile Spinner-Truppe“.
       
       Wichmann kassierte einen Ordnungsruf für einen [4][Angriff auf
       Innenminister Boris Pistorius (SPD)]: Den Hinweis von Pistorius, dass die
       AfD Verbindungen zu den Reichsbewegten habe, kommentierte er mit den
       Worten: „Herr Pistorius, ich lege Ihnen dringend einen Arztbesuch ans Herz.
       Das ist krankhaft, was Sie da machen.“
       
       In seiner Rede ging Pistoris auf keine AfD-Äußerung ein, er betonte
       vielmehr, dass die Reichsbewegten nicht verharmlost werden dürften: „Das
       hier ist eine ernstzunehmende Bewegung, mit der wir es zu tun haben,
       unabhängig davon, ob der Umsturz tatsächlich unmittelbar bevorstand“, sagte
       der Innenminister. „Hier gab es kriminelle Energie, hier gab es Pläne, den
       Bundestag zu stürmen, hier gab es die Absicht, Abgeordnete zu verhaften.“
       
       Und wohl doch mit Blick auf die AfD mahnte er: „Wer das nicht ernst nimmt,
       steht auf der Seite dieser Verschwörer.“
       
       ## AfD-Kontakte ins Reichsbürgermilieu
       
       Der innenpolitische Sprecher der Grünen Michael Lühmann hielt der AfD auch
       vor, dass der Hinweis, keinen Reichsbewegten in der Fraktion zu haben,
       nicht reiche: „Denn das alles hat ja einen langen Vorlauf, Pegida, Chemnitz
       2018, Coronaleugnung. Es ist auch und vor allem ihre politische
       Verantwortung“, sagte Lühmann.
       
       In Erklärungsnöte gerät die AfD, weil die im Zuge der Razzia inhaftierte
       Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann für die Partei im Bundestag
       saß. In Hannover, versicherte die örtliche AfD, dürfte sie aus der Partei
       fliegen, falls die Vorhaltungen zuträfen. Fraktionschef
       Marzischewski-Drewes erinnerte daran, dass Reichsbürger auf der
       Unvereinbarkeitsliste der AfD geführt werden.
       
       In Niedersachsen hatte eine Große Anfrage der CDU jedoch bereits 2017
       persönliche Kontakte ans Licht gebracht. Mehr noch: Ein Reichsbürger
       verantwortete AfD-Wahlveranstaltungen im Bereich Braunschweig; im Bereich
       Osnabrück hatte eine AfD-Kandidatin einen „Reichsbürgerbezug“ und im
       Bereich Göttingen und Lüneburg gehörte jeweils ein AfD-Mitglied auch zu den
       Reichsbürgern.
       
       Alles Geschichte? Nach der Innenausschusssitzung referierte der
       Grünen-Abgeordnete Lühmann mit Bezug auf die Patriotische Union: „Es gibt
       mehrere Menschen, die mit AfD-Bezug da drin sind.“ Für Marzischewski-Drewes
       ist das Terrornetzwerk aber nur eine „stammtischartige Telegram-Gruppe“.
       
       14 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [3] /Nahkontakt-mit-Schwurblerinnen/!5885284
 (DIR) [4] https://www.boris-pistorius.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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