# taz.de -- Rechte Wahlerfolge: Ablenkung mit Milli Vanilli
       
       > Die Serie der Horrornachrichten wurde mit den Wahlen in Argentinien und
       > den Niederlanden fortgesetzt. Da helfen ungewöhnliche
       > Unterhaltungsmaßnahmen.
       
 (IMG) Bild: Das Pop-Duo „Milli Vanilli“ bei einem Auftritt in der Musiksendung „ Peter's Popshow“, 1989
       
       Am Dienstag war ich im Kino Babylon in Berlin-Mitte [1][bei einer „neuen
       Journalismus-Show“] [2][bei einer „neuen Journalismus-Show“]. Es ging um
       konstruktiven Klima-Journalismus, also Geschichten, die nicht nur erklären,
       wie schlimm das alles mit der Klimakrise ist, sondern Lösungen aufzeigen,
       wie man (ein bisschen) aus ihr herauskommt. Das ist gut, war nur leider
       nicht sonderlich gut gemacht. Kein Wunder, auf der Bühne standen
       Textarbeiter*innen, keine Entertainer*innen. Es war zäh, und ich bereute
       schon bald, nicht wie geplant in Neukölln zum Film „Frutos de Resistencia“
       mit anschließender Diskussion gegangen zu sein. Untertitel: „Warum in
       Spaniens Gewächshäusern Widerstand wächst“. Das klingt doch auch sehr
       konstruktiv.
       
       Und konstruktive Geschichten, die können wir doch jetzt gut gebrauchen.
       Immer diese schlimmen Nachrichten. Corona, Krieg und wieder Krieg. Am
       Montag wachten wir dann auch noch mit [3][einem Trump-Verschnitt als neuem
       argentinischen Präsidenten auf]. Javier Milei zweifelt die Anzahl der Opfer
       der Militärdiktatur an. Wenn er seine Vorhaben umsetzt, den US-Dollar als
       Währung einführt und Sozialprogramme streicht, wird Argentinien vermutlich
       noch weiter in die Inflation abrutschen, und die Armen werden noch ärmer
       werden.
       
       Am Mittwoch gewann ein weiterer Mini-Trump eine Wahl, [4][dieses Mal in den
       Niederlanden]. Geert Wilders wurde 2016 wegen einer Hassrede verurteilt. Er
       hatte versprochen, dafür zu sorgen, dass keine weiteren Marokkaner ins Land
       kommen. Als am Mittwochabend das Wahlergebnis feststand, forderte er, „dass
       etwas gegen den Asyl-Tsunami getan wird.“
       
       Steigen irgendwo die Stimmenanteile für rechte Parteien, fordert immer
       irgendjemand schärfere Asylgesetze, um ihnen den Wind aus den Segeln zu
       nehmen. So auch am Donnerstag. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai
       forderte, die Migration nach Deutschland stärker zu steuern. Denn:
       „Entweder wir entwickeln in der Migrationspolitik pragmatische Lösungen,
       oder wir bekommen es mit Wahlergebnissen wie in den Niederlanden und in
       Italien zu tun“, sagte er. Man kann es auch so sagen: Wer rechte Politik
       macht, braucht keine AfD mehr. Klingt einleuchtend, funktioniert aber nie,
       siehe Hessen, wo die SPD trotz Hardliner-Faeser abschmierte und die AfD
       zweitstärkste Kraft wurde. Und am Ende haben wir dann nur noch rechte
       Parteien.
       
       ## Die irrige Verwendung des Begriffs Rechtsruck
       
       Woran liegt es eigentlich, dass diese rechten Trump-Verschnitte immer
       ähnliche Frisuren haben? Aber bevor wir in die Abteilung Panorama
       abgleiten, noch ein paar medienkritische Worte: Wie oft habe ich am
       Donnerstag von einem „Rechtsruck“ in den Niederladen gelesen? Laut Duden
       ist ein Ruck eine „kurze Bewegung, die abrupt, stoßartig einsetzt oder
       aufhört“. Ein langsamer Kopfruck zum Beispiel wäre ein Oxymoron, ein
       Widerspruch in sich. Dass rechte Parteien bei den Wahlen in Bayern, Hessen
       und den Niederlanden so gut abgeschnitten haben, ist das Ergebnis
       kontinuierlicher Bemühungen rechter Akteure. Keine plötzliche
       180-Grad-Wende der politischen Stimmung in der Gesellschaft.
       
       Apropos kontinuierliche Bemühungen. Die FAZ bereitet offenbar schon die
       Kanzlerschaft von Carsten Linnemann vor. [5][Der Generalsekretär der CDU
       durfte in einem Interview] vorab das neue Grundsatzprogramm seiner Partei
       vorstellen. Er will das Bürgergeld abschaffen, Leute zu Arbeit verpflichten
       und erst ab 80.000 oder sogar 100.000 Euro Einkommen (statt 62.000) den
       Spitzensteuersatz verlangen. Rentner sollen 2.000 Euro im Monat steuerfrei
       dazuverdienen können. Dabei können die meisten ja froh sein, wenn sie 2.000
       Euro Rente bekommen. Klientelpolitik at it’s best.
       
       Man kann es natürlich als Entertainment verstehen – einmal lachen und gut
       ist. Nur, dass die CDU gerade gute Chancen hat, den nächsten Kanzler zu
       stellen. Von daher: Vielleicht ist so eine Journalismus-Show doch das
       bessere Entertainment. Oder ich schau mir die neue Doku über Milli Vanilli
       an. [6][Deren Geschichte ist zwar auch tragisch], hat aber
       Unterhaltungswert ohne gesellschaftliches Zerstörungspotenzial.
       
       26 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Journalismus-live/!5971466
 (DIR) [2] /Journalismus-live/!5971466
 (DIR) [3] /Praesidentschaftswahlen-in-Argentinien/!5974516
 (DIR) [4] /Rechtsruck-in-Niederlanden/!5974954
 (DIR) [5] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/cdu-carsten-linnemann-ueber-die-haushaltspolitik-der-ampel-koalition-19327206.html
 (DIR) [6] /Summer-of-Scandals-auf-Arte/!5319153
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johanna Treblin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Der rote Faden
 (DIR) Javier Milei
 (DIR) Geert Wilders
 (DIR) Carsten Linnemann
 (DIR) Argentinien
 (DIR) Niederlande
 (DIR) Popmusik
 (DIR) Unterhaltung
 (DIR) Journalismus
 (DIR) Niederlande
 (DIR) Kolumne Einfach gesagt
 (DIR) Lateinamerika
 (DIR) Wahlen NIederlande
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rechtspopulismus in den Niederlanden: Geert will das
       
       Geert Wilders hat seine Partei PVV zum Wahlsieg geführt. Das Land hatte er
       schon vorher nachhaltig verändert.
       
 (DIR) Kapitalisten unserer Zeit: Entfesselt trifft radikal
       
       In Argentinien gibt es in Zukunft Anarchokapitalismus. Im Rest der
       kapitalistischen Welt ist auch etwas passiert: Adele hat geheiratet.
       
 (DIR) Nach Milei-Wahl in Argentinien: Inflation ohne Ende
       
       Argentiniens Wahlsieger Javier Milei hatte eine Stabilisierung der
       Wirtschaft versprochen. Nach der Wahl sieht es aber schlechter aus als
       davor.
       
 (DIR) Wahl in den Niederlanden: Alarmsignal für die Europawahl
       
       Rechte Politiker von Orban bis Seidel feiern den Wahlsieg der PVV. Der
       Wahlerfolg des „niederländischen Trump“ kommt für die EU zur Unzeit.