# taz.de -- Rechte suchen Nähe zu Wagenknecht: Sehnsucht nach der Querfront
       
       > Der Aufruf zur Friedenskundgebung von Wagenknecht zieht auch
       > Rechtsextreme an. Sie hoffen auf einen Schulterschluss mit linken Kräften
       > – mal wieder.
       
 (IMG) Bild: QAnon-Friedensdemonstranten in München am 18. Februar
       
       BERLIN taz | Die Vorfreude ist bereits groß. „Wir brauchen die große
       Querfront für den Frieden“, erklärte zuletzt [1][Compact]-Herausgeber
       Jürgen Elsässer. Von Björn Höcke bis Sahra Wagenknecht müsse diese reichen.
       Und der 25. Februar, der Tag der [2][Friedenskundgebung von Wagenknecht und
       Alice Schwarzer] vor dem Brandenburger Tor in Berlin, sei dafür eine
       „Riesenchance“. Zu „Tausenden“ sollten „Patrioten“ erscheinen, um den
       Protest „mit Deutschlandfahnen zu fluten“, forderte Elsässer zuletzt in
       einem Compact-Video.
       
       Und Elsässer ist nicht allein. Auch die [3][AfD-Spitze um Tino Chrupalla]
       unterstützt den Aufruf von Wagenknecht und Schwarzer, der sich gegen
       Waffenlieferungen in die Ukraine stellt und „Kompromisse auf beiden Seiten“
       fordert, um den russischen Angriffskrieg zu beenden. „Im Einsatz für den
       Frieden sollten Parteigrenzen keine Barrieren sein“, twitterte Chrupalla.
       Aus seiner Partei heißt es, „zahlreiche Parteimitglieder und Funktionäre“
       wollten sich an der Kundgebung beteiligen.
       
       Identitären-Anführer Martin Sellner frohlockt ebenso über die „Möglichkeit
       einer Antikriegsallianz von rechts und links“, die Entwicklung sei „sehr
       interessant“. Auch die NPD erklärt, eine Querfront wäre „zu wünschen“. Die
       rechtsextreme „Freie Jugend“ aus Sachsen teilt den Kundgebungsaufruf: „Auf
       nach Berlin!“
       
       Das Werben um eine Querfront, sie ist in Teilen der rechtsextremen Szene
       ein Klassiker. Insbesondere Elsässer, [4][einst aus der linken Szene
       kommend], hofft darauf seit Jahren. Nun wittert er eine neue Chance. Denn
       Wagenknecht und Schwarzer grenzen sich höchstens halbherzig von den
       Rechtsextremen ab. Fahnen und Embleme aus der Szene wolle man auf der
       Kundgebung nicht, erklärten sie. Sonst aber sei „[5][jeder willkommen, der
       ehrlichen Herzens für Frieden demonstrieren möchte]“.
       
       ## Schon in München vermischte sich der Protest
       
       Einen Vorgeschmack, wie es laufen könnte, gab es vor wenigen Tagen in
       München, auf einer „Friedenskundgebung“ gegen die Sicherheitskonferenz.
       Rund 10.000 Menschen versammelten sich dort – [6][Querdenkende,
       Russlandfreunde, AfD-Anhänger:innen]. Der Linke und Wagenknecht-Freund
       Diether Dehm und der frühere Journalist Jürgen Todenhöfer hatten zum
       Protest gerufen. Auch Elsässer war da und frohlockte über den
       „lagerübergreifenden“ Protest. „Die Querfront siegt“, jubelte sein Magazin.
       
       Für den Querfront-Protest gibt es einen Vorläufer: die
       [7][Friedensmahnwachen von 2014 und 2015]. Diese entzündeten sich an den
       Maidan-Protesten in der Ukraine und der russischen Krim-Annexion – und
       suchten den spektrenübergreifenden Schulterschluss. Auch sie forderten eine
       russlandfreundlichere Politik. Schon damals mit dabei: Elsässer und Dehm.
       Und schon da stritt die Linkspartei und linke Szene über eine Abgrenzung
       nach rechts außen. Am Ende sorgte auch das für eine Spaltung der Bewegung,
       die sich schließlich verläpperte.
       
       Nun umgarnt Elsässer erneut seit Monaten Wagenknecht, lobt ihren
       linksautoritären Kurs. Schon im Herbst [8][suchte er auf einer
       rechtsextremen Kundgebung in Leipzig einen Schulterschluss], ließ „Sahra,
       Sahra“-Sprechchöre anstimmen. Im Dezember packte Elsässer Wagenknecht auf
       das Cover seines Magazins, titelte „die beste Kanzlerin“. „Wenn wir den
       Marsch in den Abgrund noch verhindern wollen, dann geht es nur über eine
       Querfront“, erklärte Elsässer. „Die Wagenknecht-Linken sind allein zu
       schwach, sie brauchen die patriotischen Friedenskräfte.“ Und auch der
       AfD-Rechtsaußen Hans-Thomas Tillschneider erklärte, auch wenn er Kritik
       daran habe, unterstütze er den Wagenknecht-Aufruf. „Besser als nichts.“
       
       Wagenknecht lässt die Avancen von rechts außen bisher laufen. Mehr noch
       warb auch ihr Mann und [9][Ex-Linkenchef Oskar Lafontaine] zuletzt um alle
       Protestierenden „mit reinem Herzen“. Und Parteifreund Dehm erklärte zwar,
       er grenze sich „scharf“ von der AfD ab. Dennoch lud auch er Protestierende
       mit „ehrlichem Herzen“ ein und erklärte, er habe schon in den Neunzigern
       vor Deutschlandfahnen gesungen.
       
       ## Erste Unterstützer springen ab
       
       Die Linken-Parteiführung dagegen unterstützt den Wagenknecht-Aufruf nicht,
       kritisiert die fehlende Abgrenzung nach rechts außen. Auch die
       Erstunterzeichnenden Margot Käßmann, Johannes Varwick und Jürgen Grässlin
       sagten deshalb inzwischen eine Teilnahme an der Kundgebung ab.
       
       Der Berliner Protestforscher Simon Teune sieht diesmal durchaus Chancen für
       die Querfrontler. Nach den Coronaprotesten gebe es eine größere Masse aus
       Unzufriedenen und Verschwörungsanfälligen, welche die Politik und Medien
       ablehne, mobilisierbar sei und auch kein Problem mehr damit habe, mit
       Rechtsextremen gemeinsam auf die Straße zu gehen. „Das gab es 2014 in
       dieser Breite nicht“, so Teune zur taz.
       
       Sowohl damals als auch bei späteren Protesten wie gegen TTIP sei in der
       linken Szene und Linkspartei stets um eine Abgrenzung nach rechts außen
       gerungen worden. „Dass Wagenknecht und Schwarzer eine klare Abgrenzung
       explizit aufgegeben haben, ist ein Novum“, so Teune. „Rechtsextreme werden
       am Samstag ein integraler Bestandteil dieser Demonstration sein.“ Ob daraus
       eine größere Querfront-Bewegung entstehe, sei noch offen – der heterogene
       Coronaprotest zeige aber die Möglichkeiten auf. Für die Demokratie sei die
       aufgegebene Abgrenzung indes fatal. „Am Ende wird es die Rechtsextremen
       bestärken und ihre Wirkung in breitere Kreise nochmal vergrößern.“
       
       ## Verfassungsschutz sieht „gezielte Provokation“
       
       Das Bundesamt für Verfassungsschutz bleibt derweil zurückhaltend. Zwar gebe
       es zu der Wagenknecht-Schwarzer-Kundgebung rechtsextreme Mobilisierungen,
       sagte eine Sprecherin der taz. Diese hätten aber „eher den Charakter einer
       gezielten Provokation“. Eine Querfront sei noch nicht in Sicht. „Eine
       koordinierte Zusammenarbeit der Protestlager über die politischen Grenzen
       hinaus erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt als unwahrscheinlich.“
       
       Und auch einigen Rechtsaußen geht der bemühte Schulterschluss zu weit. Sie
       ermahnte die AfD Sachsen-Anhalt vor wenigen Tagen ihre Mitglieder in einem
       Rundschreiben, Wagenknecht und andere blieben weiter eine politische
       Konkurrenz, die letztlich die AfD schwächen wollten. Man sollte deren
       Beiträge daher „nicht oder zumindest nicht mit unreflektierter Zustimmung
       teilen“.
       
       Einige der Partei setzen denn auch lieber auf eigene Aktionen. So rufen in
       Dresden die AfD und Pegida für Freitag gemeinsam zu einem
       „Friedensspaziergang“ auf – auch das ein Novum. Björn Höcke oder der
       frühere FPÖ-Politiker [10][Hans-Christian Strache] wollen kommen, auch die
       rechtsextremen Freien Sachsen mobilisieren dorthin. 3.000 Teilnehmende
       werden erwartet, ein „breites Bündnis für Frieden und Völkerverständigung“
       ist angekündigt. Das aber ist fraglich – vielmehr sind linke Gegenproteste
       angekündigt. Vor gut einer Woche hatte aber bereits der umstrittene Komiker
       Uwe Steimle in der Stadt zu einer „Demo für den Frieden“ aufgerufen, an der
       sich ein heterogenes Publikum beteiligte, inklusive Rechtsextreme.
       
       Die Kundgebung von Wagenknecht und Schwarzer dürfte derweil weitaus
       größeres Publikum auf sich ziehen – ihre Onlinepetition unterzeichneten
       bereits 580.000 Personen. Wie viele davon wirklich auftauchen und wie
       dominierend die Rechtsextremen sein werden, wird der Samstag zeigen. Für
       Wagenknecht geht es an dem Tag wohl auch darum, auszuloten, wie groß ihre
       eigene Anhängerschaft ist. Die Linken-Politikerin [11][liebäugelt weiter
       mit einer eigenen Parteigründung] – mit der sie wiederum auch
       Rechtsaußen-Anhängerinnen einsammeln könnte.
       
       Aktualisiert am 23.02.2023 um 08:45 Uhr. d. R.
       
       22 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rechtes-Magazin-Compact/!5873719
 (DIR) [2] /Wagenknecht-und-Schwarzer/!5912913
 (DIR) [3] /Wagenknecht-und-Schwarzer/!5912913
 (DIR) [4] /Compact-Magazin-in-der-Krise/!5676890
 (DIR) [5] /Rechtes-Magazin-Compact/!5873719
 (DIR) [6] /Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5913965
 (DIR) [7] /Neue-Montagsmahnwachen/!5039394
 (DIR) [8] /Montagsprotest-in-Leipzig/!5879137
 (DIR) [9] /Wagenknecht-und-Schwarzer/!5912913
 (DIR) [10] /Korruptionsprozess-in-Oesterreich/!5908309
 (DIR) [11] /Sahra-Wagenknecht-und-die-Linkspartei/!5908411
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sahra Wagenknecht
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Friedensbewegung
 (DIR) Diether Dehm
 (DIR) Alice Schwarzer
 (DIR) Schwerpunkt Jürgen Elsässer
 (DIR) Compact
 (DIR) GNS
 (DIR) Schlagloch
 (DIR) Die Linke / Linkspartei
 (DIR) Leopard-Panzer
 (DIR) Diether Dehm
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Russland
 (DIR) Thüringen
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Sahra Wagenknecht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Krieg in der Ukraine: Luxemburgs Legende
       
       Wo die Debatte über den Krieg zum politischen Spektakel eskaliert, gerät
       der gemeinsame Nenner rasch aus dem Fokus. Andersdenkende werden zu
       Feinden.
       
 (DIR) Kein Parteiauschluss für Diether Dehm: Poltergeist darf weiter spuken
       
       Die Landesschiedskommission der Linken in Niedersachsen hat den
       Ausschlussantrag gegen Diether Dehm abgelehnt. Nun wartet die
       Bundesschiedskommission.
       
 (DIR) Auswege aus dem Ukraine-Krieg: Diplomatie jetzt
       
       Bitter: Zwischen der Truppe um Wagenknecht und Schwarzer und Unterstützern
       der Ukraine liegt nichts außer einem Graben. Dabei gäbe es ein Dazwischen.
       
 (DIR) Wagenknecht-Allianz: Diether Dehm im Compact-Magazin
       
       Der Politiker der Linken schimpft im Interview über Political Correctness,
       wittert Manipulation durch Geheimdienste und wirbt für die Querfront.
       
 (DIR) Demos in Dresden: Solidarität und Widerstand
       
       Am Jahrestag des russischen Angriffskriegs zeigt Dresden seine
       Unterstützung für die Ukraine. Aber auch die extrem rechte Szene marschiert
       auf.
       
 (DIR) Wagenknecht und die Rechten: Altlinks oder neurechts?
       
       Sahra Wagenknecht ist es gelungen, sich das Label „Friedensbewegung“ ans
       Revers zu heften. Rechte lieben die Linken-Abgeordnete dafür.
       
 (DIR) Halle für „Aschermittwoch“ überlassen: Stadt lässt Rechtsextreme feiern
       
       Das Thüringer Ronneburg überlässt Rechtsradikalen eine städtische Halle für
       eine Aschermittwochsfeier. Der Landesinnenminister ist entsetzt.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenski ruft zum Durchhalten auf
       
       Zum ersten Jahrestag der russischen Invasion appelliert der ukrainische
       Präsident, dem „Terror“ zu widerstehen. UN-Vollversammlung will
       Friedensresolution verabschieden.
       
 (DIR) Münchner Sicherheitskonferenz: Schlacht um Frieden
       
       Auf der Sicherheitskonferenz diskutieren Politiker über Auswege aus dem
       Ukrainekrieg – ohne Vertreter Russlands. Das erhält auf Demos
       Schützenhilfe.
       
 (DIR) Manifest von Wagenknecht und Schwarzer: Die Melodie des 20. Jahrhunderts
       
       Das „Manifest für den Frieden“ hat viele Unterstützer. Unsere Kolumnistin
       hat Zweifel – und einen Ohrwurm.
       
 (DIR) Wagenknecht und Schwarzer: Rechtsoffen – ein Manifest für alle
       
       Umschwenken bei Wagenknecht: Man akzeptiere zwar keine rechtsextremen
       Flaggen auf der Demonstration am 25. Februar. Dennoch ist sie für alle
       offen.