# taz.de -- Rechtsextremer in Verein aufgenommen: Verstärkung von rechts außen
       
       > Eintracht Gladau hat trotz Bedenken im Verein den Neonazi Dennis Wesemann
       > aufgenommen, dessen Exklub FC Dornburg verboten wurde.
       
 (IMG) Bild: Geht das noch mit rechten Dingen zu? Dennis Wesemann (r.) für Gladau in Aktion
       
       GLAUDAU taz | „Sehen Sie, es sind alle freundlich hier.“ Marc Randel hat
       zum Spiel der DSG Eintracht Gladau eingeladen. Und während des Gesprächs
       mit ihm am Spielfeldrand ist man immer wieder mit Händeschütteln
       beschäftigt. Ob Kinder oder Erwachsene, hier auf dem Dorf im Jerichower
       Land, knapp 50 Kilometer nordöstlich von Magdeburg, wird noch ordentlich
       gegrüßt. Randel gefällt das. Er war bis vor Kurzem im Vorstand der
       Eintracht und übernimmt gerade die Rolle des Außenministers. Er ist eifrig
       bemüht, das Gute hier hervorzukehren.
       
       Normalerweise braucht ein Kreisoberligist keinen Außenminister. Aber seit
       durch einen Bericht der regionalen Tageszeitung Volksstimme bekannt wurde,
       dass man Dennis Wesemann hier aufgenommen hat, ist man in Gladau in
       Habachtstellung. Denn Dennis Wesemann wird vom Innenministerium
       Sachsen-Anhalt als Rechtsextremist geführt. Diverse Strafverfahren wegen
       gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch, Verwenden von Kennzeichen
       verfassungswidriger Organisationen überstand er schadlos. Es fehlte meist
       an Zeugen, die sich trauten, gegen ihn auszusagen.
       
       Wesemann ist zudem Gründungsmitglied der rechtsextremen Magdeburger
       Hooliganvereinigung „Blue White Street Elite“ (BWSE), vertreibt Kleider mit
       gewaltverherrlichenden Motiven und verbreitete bis zur letzten Saison auch
       auf Fußballplätzen in der Region Angst und Schrecken. Mit Kameraden hatte
       er 2011 den FC Ostelbien Dornburg gegründet. Mindestens zehn Spieler waren
       den Behörden als Rechtsextremisten bekannt.
       
       Wesemann aber, der sich auch als Bürgermeisterkandidat im benachbarten
       Stresow versuchte, war und ist gewiss der bekannteste. Nachdem der Verein
       immer hemmungsloser das Regiment auf den Rasenplätzen übernahm,
       Gewaltvergehen sich häuften, immer mehr Schiedsrichter und Gegner sich
       weigerten, mitzumachen, setzte der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA)
       gemeinsam mit dem Landessportbund im Sommer vergangenen Jahres erfolgreich
       ein Verbotsverfahren durch.
       
       ## Der Wunsch nach Korrekturen
       
       Nun ist Dennis Wesemann wieder als Stürmer am Ball. Mitgebracht hat er
       Domenic Rüdiger vom FC Dornburg. Seit März spielen die beiden hier bei
       Eintracht Gladau. Insbesondere Wesemann hat dem Verein durch sein bloße
       Präsenz eine zweifelhafte Aura beschert.
       
       Marc Randel hat sich an diesem kühlen Frühlingstag gut vorbereitet. In
       einer neongelben Ordnerweste hat er vor dem Eingang des Sportplatzes
       gewartet, und er hat einen zu unterschreibenden Vertrag dabei. Er möchte
       vor der Veröffentlichung Korrekturen vornehmen können. Nach dem Verweis auf
       das Presserecht lässt er aber von seinem Vorhaben ab.
       
       Randel hat ein Problem. Der Bauingenieur muss nicht nur nach außen, sondern
       auch nach innen befrieden. Eine knappe Mehrheit des Vorstands hatte sich
       nämlich gegen die Aufnahme Wesemanns ausgesprochen, gerade weil man die
       schlechte Außenwirkung fürchtete. Randel will sich dazu nicht äußern. Er
       sagt: „Vorstandsversammlungen sind immer geheim, deshalb ist das eine
       interne Angelegenheit.“ Fest steht: Denjenigen, denen das Ergebnis nicht
       passte, gelang es, eine Wiederholung der Abstimmung zu erreichen.
       
       Randel sagt, es seien bei der ersten Wahl nicht alle stimmberechtigt
       gewesen. Er habe den Vorstand wegen der Arbeitsbelastung schon einmal
       erweitert. Damals habe man aber keine Änderung der Satzung vorgenommen, um
       die neuen Mitglieder mit einem Stimmrecht auszustatten. Eine formale Lücke,
       die offenbar die Wesemann-Fraktion im Verein ausnutzte.
       
       ## Zehn Frauen treten aus
       
       Obwohl die Frauenabteilung mit dem Vereinsaustritt drohte, stimmten
       letztlich bei einer erneuten Wahl auf der Mitgliederversammlung etwa 70
       Prozent für Wesemann. Zehn Frauen, so berichtet Randel, hätten daraufhin
       den Verein verlassen. Auch Bürgermeister Klaus Voth, dem das Stimmrecht
       nachträglich aberkannt wurde, verließ den Vorstand. Randel ebenfalls, aber
       nur wegen seiner beruflichen Belastung, wie er sagt.
       
       Die Causa Wesemann hat den Verein gespalten. Jetzt ist Burgfrieden
       angesagt. Eine Frau, aus dem Verein, die gegen die Aufnahme votierte,
       erklärt: „Ich kann Ihnen nichts sagen, ansonsten kann ich hier im Dorf
       niemandem mehr in die Augen schauen.“ Und selbst Bürgermeister Voth bittet
       darum, doch die Vereinsverantwortlichen zu befragen.
       
       Marc Randel will nicht sagen, wie er abgestimmt hat. „Es gab auch zwei
       Enthaltungen. Diese Wahl war eine geheime Wahl aller anwesenden Mitglieder.
       Ich muss Ihnen ja auch nicht erzählen, wen ich bei einer Landtags- oder
       Bundestagswahl gewählt habe.“ Randel beteuert: „Auf unserem Sportplatz wird
       nur Sport getrieben. Es ist nur Fußball. Man kann doch nicht alles in einen
       Topf werfen.“
       
       Vier Tore hat Wesemann in sechs Spielen für seinen neuen Verein geschossen.
       Auch beim Duell gegen den SV Grün-Weiß Bergzow erzielt er den ersten
       Treffer zum 2:0-Sieg. „Fußball spielen kann er ja“, sagt ein
       Gründungsmitglied der Eintracht am Spielfeldrand. Er ist einer von etwa 60
       Zuschauern. Ein freundlicher älterer Herr, der gern lacht und ebenso gern
       einen kleinen Plausch hält. Er zieht einen gewagten Vergleich: Wenn bei
       Dynamo Dresden ein paar Nazis randalieren, könnten deshalb doch auch nicht
       alle aus dem Verein austreten. Zur Vergangenheit von Dennis Wesemann sagt
       er: „Was war, ist wahr, aber es war.“ Ein sehr sportlicher Pragmatismus.
       
       ## Nicht eine Gelbe Karte
       
       Ein einwandfreies Benehmen attestiert Randel Wesemann in Gladau. „Er hat
       sich peinlich genau an unsere Vorgaben gehalten.“ Nicht eine Gelbe Karte
       hat er bislang kassiert. An diesem Nachmittag im Spiel gegen Bergzow fällt
       er ebenfalls nicht weiter auf. Geradezu mustergültig verhalten sich auch
       alle anderen Spieler auf dem Platz, als ob hier jeder um gute Benimmnoten
       bemüht wäre. Die Zuschauer gruppieren sich um die Ersatzbänke. Auffällig
       viele tragen Schirmmützen auf ihrem Kopf. Es herrscht
       Kaffeeklatschatmosphäre. Nur mit Bier statt Kaffee. Anscheinend die heile
       Welt des Amateurfußballs.
       
       Aber Christian Reinhardt, Geschäftsführer des FSA, schaut besorgt nach
       Gladau. „Ich habe mich schon über die knappe Mehrheit gegen Wesemann bei
       der ersten Abstimmung gewundert. Ich hätte mir ein eindeutiges Votum gegen
       ihn gewünscht.“ Mit dem Verbotsverfahren gegen Dornburg, so scheint es, ist
       der Verband aus einer jahrelangen Lethargie erwacht. Reinhardt erklärt, man
       beobachte ganz genau, wo ehemalige Dornburger wieder Fußball spielen.
       Schließlich sei nicht davon auszugehen, dass sie mit ihrem Ausschluss ihre
       Überzeugungen abgelegt hätten. Ein Teil der Spieler sei wieder aktiv.
       
       Beim Kreisfachverband Fußball Jerichower Land dagegen hat Präsident Horst
       Wichmann wenig Verständnis für das Interesse am Fall Wesemann. Er wird
       recht laut am Telefon: „Warum sollten wir den Verein beobachten? Leben Sie
       denn noch in der DDR? Kümmern Sie sich um Ihre Probleme.“ Und er droht noch
       mit einem Anwalt, falls sein Name in der Geschichte auftauchen sollte.
       
       ## Starke Charaktere
       
       Reinhardt will das lieber nicht kommentieren, sondern hebt vielsagend die
       gute Zusammenarbeit mit dem Kreissportbund Jerichower Land hervor. Und er
       berichtet von den Bemühungen des FSA darum, dass durch Satzungsänderung
       künftig der Ausschluss von Einzelpersonen aus dem Verband deutlich
       vereinfacht wird.
       
       Marc Randel hingegen glaubt nicht, dass er seinen Verein vor solchen Leuten
       schützen muss. Er sagt: „Das ist auch Integration, was wir hier machen.“
       Sein Verein sei nicht rechtsradikal. Das zeige schon die Aufnahme des
       litauischen Spielers Gediminas Norvila, der zeitgleich mit Wesemann
       gekommen ist. Das Team in Gladau habe starke Charaktere, die auf das
       Verhalten von Wesemann positiven Einfluss ausübten. Was beim FC Dornburg
       passiert sei, sei nur möglich gewesen, weil dort Gleichgesinnte
       aufeinandertrafen.
       
       Das mit der Integration ging rasend schnell in Gladau. Hundert Prozent der
       Spieler hätten nach ein paar Trainingswochen im Dezember für Wesemann
       gestimmt, erzählt Randel. Anfängliche Skepsis sei schnell gewichen.
       
       ## Eine Provokation
       
       Warum aber fragte Wesemann hier an? Hatte er schon vor seiner Aufnahme
       Kontakt zu Spielern oder Verantwortlichen? Sein Wohnort Stresow liegt nur
       acht Kilometer entfernt von Gladau. Randel räumt zwar ein, dass man sich
       hier auf den Dörfern gut kennt, sagt aber, Genaues wisse er nicht. Er habe
       sich mit dem Thema noch nicht befasst. „In Gladau ist jeder willkommen, der
       Fußball spielen will, wenn er sich an unsere Regeln und Vorgaben hält“,
       betont er und verweist auf das Problem in den ländlichen Regionen,
       überhaupt noch eine Mannschaft zusammenzubekommen.
       
       Mit der Aufnahme Wesemanns ist die Willkommenskultur bei Eintracht Gladau
       in eine gewisse Schieflage geraten. Als der Pressebesuch durch das
       Fotografieren am Spielfeldrand offenkundig wird, werden die Freundin und
       ein Freund von Wesemann sichtlich nervös. Insbesondere Letzterer drängt
       sich nun massiv auf, stellt sich demonstrativ zu den Gesprächen, nimmt die
       Manndeckung auf. Als die Rede auf eingeschüchterte Zeugen bei
       Strafverfahren gegen Wesemann kommt, droht er auszurasten.
       
       „Was erzählst du da für einen Scheiß?“, schnaubt er. Die Dabeistehenden
       können ihn zurückdrängen und besänftigen. Und als eine zweites Mal eine
       Eskalation droht, schickt ihn der herbeieilende Marc Randel weg. Ihm ist
       der Vorfall sichtlich unangenehm. Er wirbt für Verständnis. Das Auftreten
       eines Reporters hier, erklärt er, sei für einige Personen eine Provokation.
       
       23 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
       
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