# taz.de -- Sabrina Sarabis Debütfilm „Prélude“: Kein Funke Genialität
       
       > In „Prélude“ wird ein Klavierstudent auf die Probe gestellt. Leider guckt
       > sich der Film wie ein Stück, das man trocken einstudiert hat.
       
 (IMG) Bild: Angespanntes Musizieren: Professor Matussek (Ursina Lardi) und David (Louis Hofmann)
       
       David ist da was entglitten. Langsam schleicht sich der Kontrollverlust in
       Sabrina Sarabis Debütfilm „Prélude“, der vor der Kulisse eines
       Musikkonservatoriums passiert. Eigentlich standen die Zeichen für David,
       dem Louis Hofmann („Freistatt“, „Die Mitte der Welt“) sein hübsches, teils
       auch recht markantes Bubengesicht leiht, ziemlich gut: Er zählt zu jenen
       vielversprechenden Studenten, die Professor Matussek (Ursina Lardi)
       höchstpersönlich unter ihre Fittiche nimmt.
       
       Matussek, auf die die Bezeichnung „kühle Blonde“ passt, ist sogar der
       Ansicht, David habe gute Chancen, ein Stipendium zu bekommen, um das es an
       der Schule offenbar ein Gerangel gibt. Anreiz und Gift zugleich: Professor
       Matussek schmeichelt, spornt an, setzt sich schon mal verdächtig nahe an
       den jungen Pianisten, lässt ihn aber auch sogleich fallen, wenn sich Fehler
       in sein Spiel einschleichen.
       
       Denn in „Prélude“ bedeutet Klavierspiel nicht nur die Wiedergabe von Noten,
       sondern auch, die Eitelkeit jener zu bedienen, die zu wissen meinen, wie
       man dieses Kunststück am besten vollführt. Dass Sabrina Sarabi konsequent
       aus der Perspektive Davids zu erzählen scheint, macht das Abtauchen in den
       gefährlichen Psychostress greifbar und seltsam zugleich. Die Realitäten
       verwackeln, bald schon ist man sich nicht mehr ganz sicher, was wirklich
       geschehen und was vielleicht nur Davids nervöser Wahrnehmung geschuldet
       ist.
       
       Kleine inszenatorische Schleifen zeugen davon, etwa wenn das Ticken eines
       Metronoms mit aufschlagenden Tischtennisbällen zu kommunizieren beginnt,
       sich die Ebenen bei David also verschalten, Chaos anzeigen und
       demonstrieren, dass hier schon längst etwas aus dem Rhythmus geraten ist.
       
       Weil es zum Verlust der Balance aber meist mehr braucht als eine
       Professorin, die möglicherweise selbst etwas neben dem Takt liegt, gibt es
       in „Prélude“ außerdem eine Dreiecksgeschichte, die Davids Nerven noch
       stärker anspannt. In deren Zentrum steht [1][Gesangsstudentin Marie (Liv
       Lisa Fries)], die, wie im Grunde das ganze Konservatorium, einem Ort
       entsprungen zu sein scheint, den wohl nur Drehbücher gebären können. Ein
       altmodisches Mädchen mit Manieren, das nicht „Tschüss“ sagt, sondern „Auf
       Wiedersehen“, das mit seinem Freund Walter (Johannes Nussbaum) eine Art
       Gartenlaube bewohnt, in der auch gut Pflaumenkompott aus dem Jahr 1954
       stehen könnte, und das furchtlos Walter gegen David eintauscht.
       
       Der erste Kuss ereilt David dann auch gleich, als Walter noch friedlich
       neben Marie schlummert. Nicht unerwähnt bleiben soll natürlich, dass es
       sich bei Walter obendrein um Davids direkten Kontrahenten in Sachen
       Stipendium und Gunst der Professorin Matussek handelt – es strömt hier
       wirklich wenig Luft von außen an die Dinge. Auf allem sitzt ein Deckel,
       fest verschlossen, und unter den Töpfen wird mit höchster Temperatur
       geheizt.
       
       Zwischendrin kommt es, weil die Siedetemperatur eben doch nicht von jetzt
       auf gleich erreicht werden kann, dennoch zu schönen Zwischentönen, etwa
       wenn David und Marie in Davids Zimmer (wenigstens eine Topfpflanze hat es
       von der Welt da draußen hineingeschafft) Zeit verbringen und sich folgender
       kleiner Dialog entspinnt: „David, mir ist kalt.“ „Dann zieh dir was an.“
       „Mir ist aber langweilig.“ Sogleich eilt der junge Mann, hüllt die
       fröstelnde Gelangweilte in eine Decke und beginnt ihr vorzulesen.
       Normalität vorschützende Momente (die sich unbestreitbar nett ansehen
       lassen), im Grunde aber auch nichts mehr zu retten vermögen.
       
       Scheitern an Leistungsdruck und Dreiecksaffäre 
       
       Unweigerlich muss man an [2][Damien Chazelles „Whiplash“] denken, in dem
       ein ebenfalls 19-Jähriger, hier allerdings hinters Schlagzeug geketteter
       Musiker unter den irren Methoden seines Lehrers Schweiß und irgendwann sein
       Blut auf die Hi-Hats tröpfelte. Auch in „Prélude“ hackt sich David die
       Fingerkuppen wund, allerdings nicht mal an einem Klavier, sondern an einem
       mit Folie beklebten Schreibtisch, an dem er stumm seine Partituren übt.
       
       Dummerweise guckt sich auch „Prélude“ nach einer Weile wie ein Stück, das
       man trocken und dafür immer und immer wieder einstudiert hat, in der
       Hoffnung, dass sich im zigsten Versuch doch noch der Funke Geniales
       einstellt. Er bleibt aus. Das macht den Film auf eine unabsichtliche Art
       dann doch kohärent und verbrüdert ihn gewissermaßen mit seiner Hauptfigur.
       
       Als Studie über einen Klavierstudenten, der an sich, dem Leistungsdruck und
       einer nicht ganz unkomplexen Affäre scheitert, ist „Prélude“ wegen seiner
       sich aufbäumenden Hysterie, seines Formwillens und gleichzeitigen Blicks
       fürs Kleine trotzdem nicht völlig uninteressant. Jedenfalls möchte man von
       David, Marie und Walter, auch eine ganze Weile nachdem man ihnen begegnet
       ist, nicht ganz lassen. Eigentlich auch von Sabrina Sarabi und ihren
       im-expressionistischen Charakterskizzen nicht – die sich in kommenden
       Filmen gerne wieder mehr Richtung Laube verlagern dürfen.
       
       29 Aug 2019
       
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