# taz.de -- Sarah Kuttner über Brandenburg: „Ich mag das Unberlinerische hier“
       
       > Ihr neuer Roman erzählt von einem Paar, das aus Berlin nach Oranienburg
       > zieht – Sarah Kuttner kennt die Gegend gut, besitzt hier Bungalow und
       > Garten.
       
 (IMG) Bild: Sarah Kuttner hat zum Interview Kaffee mitgebracht; es ging den Grabowsee bei Oranienburg entlang
       
       Berliner Kennzeichen, das muss sie sein. Die Lichtung, die sich Parkplatz
       nennt, ist nahezu leer, Sarah Kuttners Kleinwagen ist das dritte Auto. Sie
       hat Kaffee mitgebracht, Kaffeesahne und Zucker. Und einen ihrer beiden
       Hunde. Wir gehen den Grabowsee entlang, dort drüben, in der ehemaligen
       Lungenheilanstalt hat George Clooney vor ein paar Jahren einen Film
       gedreht. Darauf ist man in Oranienburg und Umgebung sehr stolz. 
       
       Wir setzen uns ans Ufer des Kanals und gucken auf die andere Seite, die,
       glaubt man Lena, der Heldin in Kuttners neuem Roman, uncoole Seite des
       Kanals, die mit dem betonierten Weg und dem „ganzen
       Sonntagsspaziergangsluxus“. Weil heute nicht Sonntag ist, nicht einmal
       Wochenende, ist auf der uncoolen Seite auch nicht viel mehr los als bei uns
       hier auf der coolen, wo es „Moos und Sonne und einen schmalen Weg, der von
       Wurzeln durchzogen ist“, gibt. Tatsächlich steht die Sonne tief und scheint
       uns, wenn die diesigen Wolken sie einen Moment lang freigeben, direkt ins
       Gesicht. Wir trinken Kaffee, ehrlichen Kaffeemaschinenkaffee. 
       
       taz: Frau Kuttner, Ihr neues Buch „Kurt“ spielt in Oranienburg. Warum hier? 
       
       Sarah Kuttner: Ich bin ehrlich gesagt nicht so gut darin, mir Dinge
       auszudenken. Also hab ich mir gesagt: Wenn es dieses Oranienburg schon
       gibt, dann kann ich das doch beschreiben.
       
       Warum kennen Sie sich hier so gut aus? 
       
       Ich habe hier in der Nähe seit fünf Jahren ein Grundstück. Und hier am
       Kanal gehe ich manchmal spazieren. Im Sommer bin ich die halbe Zeit hier
       draußen, aber im Winter bin ich nie hier, da wird auch das Wasser
       abgestellt. Auf dem Grundstück steht ein klassisches Wochenendhaus. Aber es
       ist aus Stein, nennt man das Bungalow?
       
       Bungalow ist es, glaube ich, wenn er ein Flachdach hat. 
       
       Ja, dann ist es einer. Der gehörte einem alten Pärchen, das ihn selbst
       gebaut hatte. Die haben mir auch einen dicken Ordner mit Bauplänen
       vermacht.
       
       Ihre Protagonistin Lena beschreibt die Stimmung hier als „schöne
       Piefigkeit“. 
       
       Ja, ich kann mir auch vorstellen, dass einige Leute das piefig finden, wie
       und wo ich da bin. Aber ich mag das gerne. Ich liebe mein Grundstück, weil
       da keine asphaltierten Straßen hinführen, ich finde vor allem den Garten
       toll. Ich habe das Gefühl, wenn Menschen dauerhaft irgendwo leben, ist
       ihnen das Haus wichtiger als der Garten. Das macht ja auch Sinn, aber dann
       stehen die Häuser meist mitten im Grundstück und außen herum ist nur noch
       ein bisschen Grünfläche. Bei mir ist das anders, da steht das Haus schön in
       der Ecke von knapp 1000 Quadratmetern – und der Rest ist nur Garten. Das
       hat mir gut gefallen. Letztes Wochenende war im zum ersten Mal in diesem
       Jahr draußen und habe die alten Stauden gebrochen, die Wege frei geharkt.
       
       Die Liebe zum Gärtnern ist also schuld, dass sie hier gelandet sind? 
       
       Nein, eher anders herum. Meine Oma hat ein Wochenendgrundstück in der
       Schorfheide, mein Vater ein Haus in der Uckermark. An den Wochenenden und
       in den Ferien sind wir also immer von Berlin aus Richtung Norden über die
       Dörfer in die Schorfheide gefahren. Basdorf, Liebenwalde, ich bin viel in
       Brandenburg gewesen in meiner Kindheit. Ich weiß, das ist alles nicht so
       richtig schön, aber ich mag es genau so. Ich finde es rührend, wenn Sachen
       nicht so perfekt sind, wenn es schon auch hübscher ginge. Ich brauche keine
       Hardcore-Beauty. Ich mag es, wenn Sachen rumpelig sind, wenn sie nicht so
       gut funktionieren, wenn sie nicht so perfekt zusammen passen. Ich mag diese
       zehn Jahre alten Schilder in Neonorange, auf denen „Spargel“ steht, aber
       man es kaum noch lesen kann. Ich mag sogar die hässlich sanierten Häuser.
       Das sind alles Kindheitserinnerungen für mich. Das weckt in mir
       offensichtlich ein ankonditioniertes, gutes Gefühl, das Urlaubsgefühl
       meiner Kindheit. Und weil ich das vermisst habe, habe ich mir gedacht, da
       kann ich mir ja auch mal selber so ein Haus im Grünen kaufen, anstatt
       immerzu anderen Leuten mit Haus auf die Nüsse zu gehen. Aber dann hat man
       den Garten und jemand muss sich dann ja auch um den kümmern. So ist meine
       Leidenschaft für die Gartenarbeit also quasi zwangsweise entstanden.
       Inzwischen gehe ich aber richtig auf in meinem Garten.
       
       Dann hätten sie ja auch was in der Uckermark kaufen können – wie alle
       anderen Berliner. 
       
       Ja, stimmt, die Uckermark ist ja wahnsinnig schön. Unfassbar schön. Aber
       die ist mir zu weit weg. Das ist mir zu viel Autogefahre für so ein
       bisschen Ich-hab-Lust-auf-draußen. Außerdem wohnen da mittlerweile so viele
       Berliner, dass sich das anfühlt wie Prenzlauer Berg ohne Späti. Hier gibt
       es weder Späti noch Prenzlauer Berg. Ich mag das Unberlinerische hier, das
       Unprätentiöse – zugegeben, vielleicht auch, weil ich Berlin weiterhin haben
       kann. Deshalb würde ich auch – im Gegensatz zu Lena – nicht dauerhaft
       hierher ziehen wollen. Dazu wäre es selbst mir vielleicht zu piefig. Dafür
       bin ich wohl doch zu sehr Großstadtkind.
       
       Das Berlin Ihrer Kindheit und Jugend gibt es allerdings nicht mehr … 
       
       Ich will die Gentrifizierungskeule nicht schwingen, die Nachfrage bestimmt
       das Angebot. Sachen verändern sich nun mal. Mir persönlich fehlt der
       Punkrock der Neunzigerjahre nicht, denn ich war ein Durchschnittsteenager,
       ich war kein rebellierender Punkrock-Teenager. Aber klar, das Viertel im
       Prenzlauer Berg, in dem ich schon immer gewohnt habe und immer noch wohne,
       hat sich natürlich verändert, da gibt es auch nur noch Kinder und Cafés.
       Aber für mich ist das nicht besonders anstrengend, weil ich gerne meine
       Ruhe habe. Und unter Kindern hat man verwirrenderweise seine Ruhe.
       
       Das sehen manche aber ganz anders. 
       
       Ich meine ja auch nicht den Lärmpegel auf dem Spielplatz gegenüber meiner
       Wohnung, aber da gehe ich ja auch nicht hin. Aber ich finde, man kann sich
       im Lärm gut verstecken. Ich bleibe in meiner Wohnung, aber ich weiß, da
       draußen findet Leben statt. Mütter und Kinder wollen nichts von mir, aber
       sie sorgen dafür, dass es im Viertel sicher und das Konsumangebot gut ist.
       Da bin ich pragmatisch. Allerdings, was mir aktuell auffällt: Dass die
       Kinder vom Prenzlauer Berg jetzt langsam groß werden. Es hat anscheinend
       niemand bedacht, dass die Nachkommen der Macchiato-Mütter sich mal zu
       Teenagern auswachsen könnten. Jetzt gibt es plötzlich wieder Lärm und
       Rebellion im Prenzlauer Berg. Die ziehen nachts um drei grölend durch den
       Kiez, werfen meinen Roller um und schmeißen irre laut die Metalltüren des
       Spielplatzes auf und zu.
       
       Da braucht man gar keine Touristenhorden mehr. 
       
       Nee, das Randalieren übernehmen wir im Prenzlauer Berg lieber selber.
       Manchmal geh ich durch die Straßen, höre krass laute Musik, die aus einer
       Wohnung kommt, und denke mir: Geil, die Eltern sind in der Uckermark, und
       Sophie und Tom machen jetzt ihre erste Kifferparty.
       
       Kinder sind bei Ihnen eh nicht sonderlich beliebt. Sie haben vor fünf
       Jahren einen Shitstorm ausgelöst, als sie sagten, dass „ich Kinder doof
       finde und mit ihnen nichts anfangen kann“.
       
       Ach, man kann doch heute gar nichts mehr sagen, ohne einen Shitstorm
       auszulösen. Und, seien wir ehrlich: Wer kann den schon mit Kindern was
       anfangen, außer man hat selber welche? Okay, die sind ganz niedlich, finde
       ich ja auch. Ich bin ja auch keine Kinderhasserin und auch Kinder mögen
       mich, jedenfalls die paar, die mich kennen. Und ich kann mir auch
       vorstellen, dass man eigene Kinder ganz toll findet, mir geht es ja mit
       meinen Hunden schon so. Ich war nie eine Hundeperson, aber dann kam der
       hier in mein Leben und jetzt bin ich die ältere Dame, die mit allen anderen
       Hundebesitzern quatscht und alle Hunde im Kiez beim Namen kennt. Aber
       Kinder sind eben keine fertigen Erwachsenen. Ich kann mit denen nicht
       richtig reden, ich kann mit denen nicht ins Kino gehen, jedenfalls nicht in
       Filme, die ich gerne sehen würde. Deswegen denke ich eben nicht: Wow, heute
       mal wieder schön mit Kindern abhängen. Vermutlich ist das anders, wenn man
       eigene Kinder hat, aber selbst dann muss es auch irre anstrengend sein,
       zumindest sagen das meine Freundinnen mit Kindern. Und ich habe mich eben
       entschlossen, dass ich das erst einmal nicht möchte. Aber ich möchte auch
       nicht ständig Fragen beantworten, warum ich keine Kinder habe.
       
       Das habe ich auch nicht gefragt. 
       
       Ja, aber alle anderen. Dabei finde ich das eigentlich eine Unverschämtheit,
       so etwas Intimes zu fragen. Als würde mich jemand fragen, ob ich meine Tage
       habe. Bloß weil man keine Kinder hat, wird man ja mittlerweile behandelt,
       als hätte man eine Krankheit. Man muss sich ständig erklären, dabei geht es
       andere exakt einen feuchten Kehricht an. Es muss doch okay sein, nicht an
       Kindern interessiert zu sein. Deshalb wundert mich immer noch die Größe
       dieses Shitstorms – und dass jeder Journalist, der mich interviewt, damit
       um die Ecke kommt.
       
       Das wundert Sie? Ich finde es logisch, Sie darauf anzusprechen. Sie haben
       schließlich gerade ein Buch geschrieben, das auch von der Liebe zu einem
       Kind handelt. 
       
       Was ist denn daran logisch? Wenn ich mal was Unattraktives über Bäume
       gesagt habe, kann ich mich doch später trotzdem mal neben einen Baum
       stellen.
       
       Klar, aber Sie würden, während sie neben dem Baum stehen, womöglich hin und
       wieder gefragt, ob Sie immer noch etwas gegen Bäume haben. 
       
       Warum? Das eine bin ich, die übrigens nur von Journalisten unterstellt
       bekommt keine Kinder zu mögen, ich sagte lediglich, dass ich mit ihnen
       nicht viel anfangen kann – und das andere ist ein Buch, in dem ich Bäume,
       oder eben Kinder, mitspielen lasse. Das ist ja keine Autobiografie.
       
       Ja, aber Sie schreiben sehr liebevoll davon, wie es ist, ein Kind zu haben,
       wie sich Liebe entwickelt zu einem Kind, das nicht das eigene ist. Da
       interessiert mich schon, was sich in Ihrem Verhältnis zu Kindern verändert
       hat. 
       
       Gar nichts. Aber ich persönlich als Sarah Kuttner kann doch mit Kindern
       nichts anfangen können, aber trotzdem ein Buch darüber schreiben. So
       merkwürdig einfach ist das für mich. Ich bin sogar im Gegenteil sehr froh,
       dass ich mir da keine Gedanken vorher gemacht habe, sonst wäre ich die
       Geschichte vielleicht ganz anders und nicht unbelastet angegangen. Mir ist
       erst aufgegangen, dass das ein Thema ist, als ich die ersten Interviews
       gegeben habe. Einmal hat sogar jemand gesagt: Sie können ja keine Kinder
       leiden – und jetzt lassen sie sogar eins sterben. Als wollte ich mich an
       Kindern rächen. So ein Quatsch. Übrigens finde ich meistens eher doofe
       Eltern doof als deren Kinder. Aber als ich das Buch schrieb, hat mich
       ursprünglich auch eher die Patchwork-Familie interessiert, weil das ein
       wichtiges, modernes Thema ist. Heutzutage wird nicht mehr für die Ewigkeit
       geheiratet und auch, wenn man ein Kind zusammen hat, sucht man sich
       vielleicht eine neue Familie.
       
       Für jemanden, der mit Kindern nicht viel anfangen kann, kennen Sie sich
       aber gut mit ihnen aus. 
       
       Naja, Kinder sind ja nun auch keine Raketenwissenschaft und die Erfahrungen
       mit dem kleinen Kurt im Buch auch nicht. Ob Sie es glauben oder nicht, ich
       kenne ein paar Kinder. Ich habe sogar ein Patenkind und mehrere Anwärter
       auf diesen Posten. Grundsätzlich ist es auch einfach nicht so schwer, über
       Kinder zu schreiben, es sind ja nur Gedankenspiele: Wie wäre es, wenn ich
       ein Kind hätte? Das habe ich mir vorgestellt. Tut mir leid, dass ich schon
       wieder mit den Hunden komme: Als ich meinen zweiten Hund aus dem Tierheim
       abgeholt habe, war das auch sehr verwirrend. Ich hatte sie zuhause, ich
       wusste, die gehört jetzt zu mir, ich fand sie auch süß, aber geliebt habe
       ich sie erstmal nicht, weil ich sie ja noch gar nicht kannte. Ich weiß,
       Kinder sind komplexer als Hunde und die Liebe zu ihnen auch – aber in
       vielen Dingen hinkt dieser Vergleich gar nicht so sehr.
       
       Diese Erfahrungen sind ins Buch eingeflossen? 
       
       Nein, da war das Buch schon geschrieben. Aber es hat mich in gewisser Weise
       bestätigt.
       
       Neben der Liebe zu Kindern geht es in Ihrem Roman auch um die Liebe zu
       Brandenburg. Das, schreiben Sie, „tut nicht so, als wäre es etwas, was es
       nicht ist. Brandenburg ist einfach nur da und schenkt Liebe.“ Ist
       Brandenburg wirklich liebevoll? 
       
       Warum sollte es nicht liebevoll sein? Jeder Ort kann doch liebevoll sein.
       Ich habe jedenfalls zauberhafte Nachbarn.
       
       Brandenburg hat das Image, unfreundlich und harsch zu sein. 
       
       Ja, aber ich bin ja Berlinerin. Uns liegt unfreundlich und harsch im Blut.
       Das ist unser Lebenselexier. In Berlin sind die Zugezogenen doch schon von
       den Bäckerinnen überfordert. Wenn der Berliner einen beschissenen Tag
       hatte, dann neigt er dazu, das auch zu sagen. Ich bin auch so. Die
       Brandenburger mögen noch eine Nummer härter sein, aber wenn man sie kennt,
       dann weiß man ja, dass sie es nicht so meinen. Und ich weiß auch, wie man
       die knacken kann. Man darf sich halt, wenn der Handwerker kommt, nicht
       einschüchtern lassen von diesem Muffeltum. Man trinkt ein Käffchen
       zusammen, raucht ein Kippchen, unterhält sich ein bisschen und nach zwei
       Minuten hat man die. Aber die tun eben nicht so als wenn, da gibt es nicht
       Küsschen links, Küsschen rechts, sondern eine Ansage: So, dit is nu Ihr
       Schornstein, oder wat?
       
       Noch ein Vorurteil: Brandenburg ist provinziell. 
       
       Klar, aber ich finde das nicht negativ erwähnenswert. Natürlich kann es
       passieren, dass man – wie ich letztens – ausgerechnet in einem Restaurant,
       das ziemlich fancy tut, Ameisen auf dem Salat findet. Und beim
       Durchschnittsitaliener in Oranienburg schneiden sie das Rinderfilet mit dem
       Schmetterlingscut in der Mitte durch, damit es flacher und schneller durch
       ist. Aber das ist dann doch wieder okay, schmeckt ja trotzdem. Natürlich
       ist das nicht wie im Sage Restaurant in Berlin, und ein Teil von mir weint
       auch, dass die das mit dem Filet machen. Aber ein anderer Teil von mir
       liebt diesen Pragmatismus. Und man verändert sich auch: Mit 20 hätte ich
       einen Carport affig gefunden. Jetzt habe ich das dritte Jahr in Folge
       Fichtenkotze auf meinem Auto – und denke jetzt doch tatsächlich drüber
       nach, so einen Carport anzuschaffen. Unterm Strich werde ich wahrscheinlich
       drauf verzichten, weil ich zu faul und zu geizig bin und mein Auto mir
       nicht wichtig genug ist, aber ein Teil von mir fängt an in diesen
       Dimensionen zu denken. Also bin ich offensichtlich gar nicht so weit weg
       von provinziell.
       
       Ist das Buch auch eine Ehrenrettung für Brandenburg? 
       
       Ach das klingt alles zu groß. Ich kriege einfach ein gutes Gefühl im Bauch,
       wenn ich hier bin. Ich liebe das platte Land, mich kannst Du mit Bergen
       jagen. Ich bin ein Feldmädchen, weit gucken können finde ich super. Ich bin
       vielleicht die einzige, die nicht glaubt, Brandenburg müsse verteidigt
       werden. Aber ich würde Brandenburg natürlich jederzeit verteidigen, wenn
       ich müsste. Die Gegend hier tut nicht so als wäre sie cool. Die ist
       einfach, was sie ist.
       
       Was ist, auch das beschreiben Sie schön im Buch: „Das sind meine liebsten
       Brandenburggeräusche: das nölige Aufheulen der Rasenkantentrimmer, das
       entfernte Böllern lebensmüder Motorradfahrer und eben das Kreischen der
       Tischkreissägen.“ 
       
       Jaaa, das ist der Klassiker, dass die Leute ausgerechnet am Wochenende
       ihren Carport bauen und Lärm machen müssen. Aber auch logisch, weil die
       arbeiten unter der Woche. Ich habe es natürlich auch lieber ruhig, aber ich
       höre das tatsächlich gern, das gehört dazu zur Geräuschkulisse, das ist wie
       ein lauter Vogel.
       
       Ein sehr lauter Vogel. 
       
       Ja, zum Glück wird so ein Carport ja nur sehr selten direkt neben einem
       gebaut. Aber wenn die Tischkreissäge aus der Ferne kreischt, dann ist das
       etwas, was mich kriegt.
       
       Kann man sagen, dass Sie in dem Buch durchgespielt haben, wie es wäre, hier
       fest zu wohnen? 
       
       Nein, eigentlich hab ich das nicht als Gedankenexperiment begriffen. Ich
       schreibe über zwei Menschen, die nach Oranienburg ziehen, nicht über mich.
       Ich werde auf keinen Fall komplett rausziehen. Ich will immer beides haben.
       Ich bin in Berlin geboren, ich bin quasi unterm Fernsehturm groß geworden,
       ich liebe die Stadt. Aber ich liebe es auch hier draußen. Ich kann beides
       gut, aber ich habe noch nie das Bedürfnis gehabt aufs Land zu ziehen. Das
       bisschen, was ich jetzt habe, das reicht mir auch.
       
       Nerven diese beiden vollen Kühlschränke nicht? 
       
       Zwei volle Kühlschränke sind doch perfekt. Das ist meine Idee von Glück:
       zwei gut gefüllte Kühlschränke zu besitzen.
       
       17 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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