# taz.de -- Schulöffnungen in NRW: Risikogruppe, zwangsverpflichtet
       
       > Vorerkrankte, ältere und schwangere Lehrer*innen sollen zurück an die
       > Schulen. Die Schulministerin ignoriert ihre Fürsorgepflicht.
       
 (IMG) Bild: Wegen Personalmangel zwangsverpflichtet
       
       BOCHUM taz | Trotz [1][Coronapandemie] und entgegen aller bisherigen
       Versprechen will Nordrhein-Westfalens FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer
       vorerkrankte, ältere und schwangere Lehrer*innen zum direkten Kontakt mit
       Schüler*innen zwingen. Das geht aus einem Schreiben von Gebauers
       Ministerium an die fünf nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen hervor,
       die gegenüber den Schulen die direkte Aufsicht führen. „Ein Einsatz dieser
       Personengruppen im Rahmen mündlicher Prüfungen ist zulässig“, heißt es in
       der auf den 11. Mai datierten Anweisung mit Erlasscharakter, die der taz
       vorliegt.
       
       „Alle Lehrkräfte aus der Risikogruppe, d.h. Lehrerinnen und Lehrer mit
       Vorerkrankungen und Lehrerinnen und Lehrer, die das 60. Lebensjahr
       vollendet haben“ seien „verpflichtet, an Verfahren zur Abnahme mündlicher
       Prüfungen teilzunehmen“, schreibt Ludger Schrapper, im NRW-Schulministerium
       Leiter der für „Personal Schulbereich, Dienst- und Schulrecht“ zuständigen
       Abteilung 2 ganz ausdrücklich. Gleiches gelte für „schwangere und stillende
       Lehrerinnen“, so der Ministerialdirigent.
       
       Konterkariert wird damit die bisherige Linie des von CDU und FDP getragenen
       Kabinetts des christdemokratischen Ministerpräsidenten Armin Laschet zum
       Schutz der Landesbediensteten. „Selbstverständlich trifft das Land
       Nordrhein-Westfalen als Dienstherr und Arbeitgeber gegenüber allen
       Beschäftigten gerade in Zeiten einer Pandemie eine besondere
       Fürsorgepflicht“, hieß es auf der Homepage von Gebauers Schulministerium
       noch am Dienstag.
       
       Bei vorerkrankten Lehrer*innen bestehe „grundsätzlich ein erhöhtes Risiko
       für einen schwereren Krankheitsverlauf bei einer Infektion mit dem
       Corona-Virus (COVID-19)“, erklärten Gebauers Ministeriale da noch. Auch
       Ältere und Schwangere dürften nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden.
       Dazu zählten „alle Tätigkeiten mit direkten Schülerkontakten, also auch die
       Abnahme von Prüfungen, Pausenaufsicht etc.“ Ausnahmen sah Ministerin
       Gebauer bisher nur für gesunde Lehrer*innen ab 60 vor, die sich freiwillig
       zum Unterricht meldeten.
       
       ## Grund: Personalmangel
       
       Entsprechend groß ist jetzt die Empörung, seit klar ist, dass die
       Bildungsministerin doch auch besonders gefährdete Lehrer*innen zurück an
       die Schulen beordern will. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
       (GEW) sprach in einer ersten Stellungnahme zu den neuen Plänen von einem
       „Skandal“ – und kündigte massiven Widerstand gegen das Vorhaben an: „Wir
       werden für die betroffenen Kolleg*innen Rechtsmittel einlegen“, sagte die
       GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern der taz. Außerdem werde die
       Gewerkschaft „die Personalvertretungen rechtlich beraten, dagegen
       vorzugehen“.
       
       Grund für den abrupten Kurswechsel der Ministerin ist massiver
       Personalmangel: Um Infektionsschutz per Sicherheitsabstand herzustellen,
       müssen Klassen halbiert oder sogar gedrittelt werden. Dazu fehlen Räume –
       und natürlich Lehrkräfte. Hinzu kommt, dass an manchen Schulen bis zu 50
       Prozent der Lehrer*innen der Risikogruppe angehören. Im [2][taz-Interview]
       hatte die GEW-Vorsitzende Finnern schon Anfang Mai gewarnt, zumindest bis
       zu den Sommerferien sei „kein normaler Unterricht möglich“.
       
       Zusammen mit den Grünen hatte die Gewerkschaft deshalb gefordert, in diesem
       Schuljahr auf Prüfungen zu verzichten und Abschlüsse auf Basis der bisher
       erreichten Durchschnittsnoten zu erteilen. Lehrer*innen bekämen so mehr
       Luft für regulären Unterricht, argumentierten Finnern und die
       bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Düsseldorfer Landtag, Sigrid
       Beer. Ministerin Gebauer hatte dagegen erklärt, Unterricht und Prüfungen
       seien gleichzeitig durchführbar.
       
       „Belastbar“ seien die Planungen der FDP-Frau wohl nicht gewesen, kritisiert
       Beer deshalb nun. Die Ministerin, die dem Landtag am 29. April noch
       versichert hatte, Angehörigen von Risikogruppen müssten selbstverständlich
       nicht an den Schulen präsent sein, habe „Lehrer*innen bewusst getäuscht“,
       sagt Beer: „Diese Dienstherrin verspielt jedes Vertrauen.“ Zur Öffnung der
       Schulen habe Gebauer „von Anfang kein richtiges Konzept“ gehabt, findet
       auch der schulpolitische Sprecher der SPD, Jochen Ott: „So schafft man kein
       Vertrauen bei den Beschäftigten und bei Eltern und Schülern.“
       
       12 May 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Andreas Wyputta
       
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