# taz.de -- Schwedens geplanter Nato-Beitritt: Auch Stockholm sagt Ja
       
       > Mit Finnland strebt auch Schweden die Nato-Mitgliedschaft an. Die
       > Zustimmung im Parlament gilt als sicher. Doch es gibt viel Kritik am
       > Beschluss.
       
 (IMG) Bild: Protest in Stockholm: Vor allem die junge Generation sieht Schwedens Nato-Beitritt skeptisch
       
       STOCKHOLM taz | Schwedens Sozialdemokraten haben ihren historischen
       [1][Schwenk zu einer Nato-Mitgliedschaft] vollzogen. „Es gibt keine andere
       Alternative, als Schwedens militärische Bündnisfreiheit zu beenden“,
       erklärte deren Parteivorsitzende, die Ministerpräsidentin Magdalena
       Andersson am Sonntagabend in Stockholm: „Deshalb meinen wir
       Sozialdemokraten, dass ein Beitritt zur Nato der beste Beschluss für
       Schwedens Sicherheit ist.“
       
       Dieser nach stundenlanger Beratung der Führung der regierenden
       Sozialdemokraten verkündete Bescheid war erwartet worden. Auch die
       Begründung überraschte nicht mehr: „Die militärische Bündnisfreiheit hat
       uns gut gedient, aber sie wird uns in Zukunft nichts nützen“, sagte
       Andersson: Man könne nämlich nicht ausschließen, dass solche Aggressionen
       wie die [2][Russlands in der Ukraine] sich in Zukunft auch gegen Schweden
       richten könnten.
       
       Auch der [3][Nato-Beschluss Finnlands] habe für ihre Partei eine große
       Rolle gespielt. Würde Schweden ihm nicht folgen, „wären wir das einzige
       Land im Ostseeraum außerhalb der Nato“. Was bedeuten würde, „dass wir in
       eine verwundbare Position geraten“. Schweden wolle deshalb gemeinsam mit
       Finnland einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Und das „so schnell wie
       möglich“.
       
       Es wird erwartet, dass beide Länder ihre Anträge noch in dieser Woche
       gemeinsam beim Nato-Hauptquartier in Brüssel abgeben werden. Schon zuletzt
       hatten die sozialdemokratischen Parteien, die mit Sanna Marin in Finnland
       und Magdalena Andersson in Schweden die Ministerpräsidentinnen stellen,
       ihre Schritte aufeinander abgestimmt. In Finnland hatten die Parteigremien
       am Samstag, in Schweden am Sonntag Ja zu einer Mitgliedschaft gesagt.
       
       ## Abstimmungen im Parlament gelten als sicher
       
       Für Montag sind im Reichstag in Helsinki und im Reichstag in Stockholm
       Sondersitzungen für Debatten und Abstimmungen anberaumt. In Finnland ist
       eine Zustimmung des Parlaments für einen Nato-Beitritt nicht erforderlich,
       weil laut Verfassung der Staatspräsident und der Außen- und
       Verteidigungspolitische Ministerausschuss zuständig sind.
       
       Regierung und Staatspräsident Sauli Niinistö wünschten sich aber eine
       Abstimmung, „um alle Politiker in den Beschluss einzubeziehen“. Der formale
       Beschluss zur Einleitung von Beitrittsverhandlungen soll nach dieser
       Abstimmung gefasst werden.
       
       In Schweden ist mit der Pro-Nato-Entscheidung der Sozialdemokraten die
       erforderliche Drei-Viertel-Mehrheit im Parlament sicher. Lediglich die
       Linkspartei und die Grünen kündigten an, gegen einen Beitritt zu stimmen.
       Einzelne Nein-Stimmen oder Enthaltungen sind allerdings auch bei den
       Ja-Parteien nicht auszuschließen. Vor allem bei den Sozialdemokraten hatte
       es bis zuletzt Widerstand gegen eine Nato-Mitgliedschaft gegeben.
       
       Im südschwedischen Parteidistrikt Schonen blieb beispielsweise der
       Bürgermeister von Malmö bei seinem Nein. „Es ist für mich eine
       Selbstverständlichkeit, dass ich mein Land verteidigen würde und ich bin
       überzeugt, dass auch meine Kinder das tun sollen“, sagte Andreas
       Schönström. „Aber ich bin absolut nicht davon überzeugt, dass ich oder
       meine Kinder in eine Situation geraten wollen, wo wir ein Land wie Ungarn
       oder die Türkei gegen einen Angriff verteidigen müssen.“
       
       ## Vorbehalte gegen Atomwaffen und Stützpunkte
       
       Auch in Stockholm war Kritik laut geworden. Die ehemalige
       Distriktsvorsitzende und Ex-Reichstagsabgeordente Veronica Palm forderte:
       „Lasst uns wenigstens versuchen, so viel wie möglich von dem zu bewahren,
       was ein kleines allianzfreies Land wie Schweden erreichen konnte. Die Welt
       braucht das.“
       
       Die Parteiführung nahm diese [4][Kritik] an, indem sie gleichzeitig zu
       ihrem Nato-Ja versprach, die Regierung werde sich dafür einsetzen, „dass
       Schweden, wenn der Antrag von der Nato genehmigt wird, einseitige
       Vorbehalte gegen die Stationierung von Atomwaffen und die Einrichtung
       dauerhafter Stützpunkte auf schwedischem Territorium äußern wird.“
       
       Solche „Vorbehalte“ hätten womöglich nur begrenzte Wirkung, wie das
       Beispiel Norwegen zeigt. Auch dort galten ursprünglich entsprechende
       Vorbehalte gegen ausländische Militärbasen und Atomwaffen. Auf Druck der
       USA sind diese mittlerweile stark aufgeweicht worden. Es gibt feste
       Stützpunkte, in denen Militärmaterial für US-Truppen lagert und in den
       nordnorwegischen Häfen gehören britische und US-amerikanische Atom-U-Boote
       mit atomarer Bewaffnung an Bord zur Routine.
       
       ## Forderung nach atomwaffenfreiem Schweden
       
       Ein solches „Versprechen“ sei deshalb nicht ausreichend, kritisierte auch
       Schwedens größte Friedensorganisation, die Svenska Freds- och
       Skiljedomsföreningen. Wenn die Regierung es ernst meine, müsse Schweden
       neben einem gesetzlichen Verbot für Atomwaffen auf seinem Territorium auch
       das Atomwaffenverbot der Vereinten Nationen ratifizieren. „Die Entscheidung
       ist traurig und vorschnell und führt Schweden und die Welt in die falsche
       Richtung“, sagte Organisationsvorsitzende Agnes Hellström.
       
       Bei den Sozialdemokraten kam Kritik am Ja-Votum unter anderem von den
       Jungsozialisten, den Sveriges Socialdemokratiska Ungdomsförbund (SSU).
       Statt einer Nato-Mitgliedschaft hätte ihr Verband lieber „ein
       Verteidigungsbündnis innerhalb der EU gesehen“, sagte die Vorsitzende Lisa
       Nåbo. „Die SSU fordert nun von der Regierung, dass sie für zukünftige
       Generationen ein atomwaffenfreies Schweden und eine atomwaffenfreie Zone im
       Norden garantiert.“
       
       Umfragen zeigen, dass gerade Schwedens jüngere Generation eine
       Nato-Mitgliedschaft skeptisch sieht. 40 Prozent der unter 30-Jährigen
       befürworten diese – 10 Prozent weniger als in anderen Bevölkerungsgruppen.
       
       Die Reaktion aus Moskau auf den Bescheid aus Stockholm war zunächst
       verhalten. Diese Nato-Erweiterung werde nicht zu mehr Sicherheit in Europa
       führen, erklärte laut der Nachrichtenagentur Ria-Novosti der Kreml-Sprecher
       Dmitrij Peskow: Einen möglichen [5][Beitritt Finnlands und Schwedens] sehe
       Russland nicht als existenzielle Bedrohung an.
       
       16 May 2022
       
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