# taz.de -- Sexismus und Politik in Sitcoms: Dinos for Future
       
       > Kaum ein Fernsehformat ist bei jungen Menschen so beliebt wie Sitcoms.
       > Dabei strotzen viele vor Sexismus und Rassismus – bis auf eine Ausnahme.
       
 (IMG) Bild: Fortschrittlicher, als man denkt: die Dinofamilie Sinclair
       
       Als „Friends“, eine der erfolgreichsten Sitcoms aller Zeiten, im
       vergangenen Jahr [1][25. Geburtstag feierte], trat das eine Diskussion
       darüber los, wie zeitgemäß die Serie noch ist. Sechs weiße Freund*innen aus
       der Mittelschicht – das geht meilenweit an heutigen Diversitätsstandards
       vorbei. Und auch die sexistische Grundhaltung der Serie stößt mittlerweile
       negativ auf. Die homo- und transphoben Gags sind heute zu Recht tabuisiert.
       Gleichzeitig betonten Fans der Kultsendung, dass es unfair sei, sie nach
       aktuellen Maßstäben zu beurteilen.
       
       Was hat sich seither bei den beliebten situation comedys, wie die
       US-amerikanischen Unterhaltungsserien eigentlich heißen, getan? Wie
       progressiv sind heutige Formate?
       
       In Deutschland gehört „The Big Bang Theory“ zu den populärsten Sitcoms.
       Laut dem Branchenmagazin DWDL war sie zeitweise sogar die erfolgreichste
       TV-Serie bei den 14- bis 49-Jährigen. Mit dem indischen Astrophysiker Raj
       ist der Freundeskreis nicht ausschließlich weiß. Allerdings ist er wie auch
       seine Freunde Sheldon, Leonard und Howard ein einziges Klischee. Alle sind
       sie Wissenschaftler und damit Nerds ohne soziale Kompetenz. Gegenüber
       Frauen und Homosexuellen sind sie herablassend. Ihre „Gay Panic“-Jokes
       entsprechen dem Niveau des Running Gags der Serie „Friends“, wo die
       vermeintliche Homosexualität der Figur Chandler zur Belustigung dienen
       soll.
       
       ## Das Problem der Massentauglichkeit
       
       „How I Met Your Mother“, das 2005 startete, ist noch sexistischer als
       „Friends“. Das einzige Lebensziel des Charakters Barney besteht darin,
       Frauen zu manipulieren, damit möglichst viele Sex mit ihm haben. Das grenzt
       dabei oft an sexuelle Übergriffigkeit. Sein „Playbook“, in dem er
       „Anmachsprüche“ sammelt, macht Machismus zur einzigen Form legitimer
       Männlichkeit und Frauen zu Objekten. Das konstante Slutshaming, das von den
       beiden Frauen der Gruppe, Robin und Lily, besonders exzessiv betrieben
       wird, rundet das Horrorprogramm ab.
       
       Von „Fresh Off the Boat“ um eine taiwanesische Familie in Florida, die kein
       asiatisches Klischee auslässt, bis „Two and a Half Men“: Die Liste der
       Negativbeispiele ließe sich ohne Weiteres fortsetzen. Zwar gibt es
       bedeutende Unterschiede – manch populäre Sitcom, wie „Scrubs“ oder „Malcolm
       mittendrin“ sind weniger schlecht gealtert. Letztlich lassen sich aber in
       allen Haltungen, Figuren oder zumindest einzelne Gags finden, die heute für
       Entrüstung sorgen könnten.
       
       Das liegt in der Natur der Sache. Sitcoms sind ein Unterhaltungsformat, das
       sich in erster Linie um Massentauglichkeit bemüht. Damit der Humor von
       möglichst vielen Menschen aus möglichst vielen Erdteilen verstanden wird,
       braucht er eine Basis, mit der die Mehrheit der Zuschauer*innen vertraut
       ist. Und welches „Wissen“ könnte weiter verbreitet sein als Klischees und
       Vorurteile?
       
       Natürlich gibt es auch bei großen Sitcoms vereinzelte Experimente. Doch
       auch die weichen in der Regel nicht zu sehr vom Massengeschmack ab. Nehmen
       wir die schwule Regenbogenfamilie in „Modern Family“: Gut gemeint, aber
       Cameron und Mitchell küssen sich fast nie. Wahrscheinlich, weil die
       Zielgruppe mittlerweile zwar eine traditionalisierte Idee von
       Homosexualität ertragen kann, aber deswegen noch lange keine schwule
       Zuneigung im Fernsehen sehen möchte.
       
       Umso überraschender ist es, wenn man heute noch mal einen Blick auf eine
       Sitcom der 90er wirft: „Die Dinos“.
       
       ## „Nicht die Mama“
       
       Die lebensgroßen Dino-Puppen verkörpern die Familie Sinclair. Vater Earl,
       als Megalosaurus im Megakonzern „Treufuß“ als „Baumschubser“ tätig, spielt
       sich als Patriarch der Familie auf, während er sich gegenüber seinem
       tyrannischen Chef unterwürfig gibt. Mutter Fran ist die gutherzige
       Hausfrau, die durch ihre geschiedene, beste Freundin Monica zunehmend mit
       feministischen Perspektiven in Berührung kommt. Vor allem von Status
       getrieben, ist Teenietochter Charlene der Idealtyp des heranwachsenden
       „Dino Oeconomicus“. Sohn Robbie wiederum ist empathisch und hinterfragt
       Traditionen. Eigentlicher Star der Sitcom ist jedoch Baby Sinclair, dessen
       ikonischen Ausrufe „Nicht die Mama!“ und „Bin das Baby, musst mich
       liebhaben!“ ihren Platz in der Seriengeschichte gefunden haben.
       
       Was in den 65 Folgen der „Dinos“ verhandelt wurde, ist aktueller denn je.
       Wenn Vierbeinern von Zweibeinern mit Misstrauen begegnet wird und sie so an
       den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, wird ganz nebenbei etwa
       Rassismus thematisiert.
       
       Wenn sich Monica als Baumschubserin versucht und von einem Vorarbeiter
       bedrängt wird, kommt Sexismus zur Sprache. Als auf ihren Einspruch die
       Kündigung folgt, beginnt ein Schauprozess, in dessen Rahmen die
       Dinosaurierin als „Asphaltdino“ verunglimpft wird. Im Hinblick auf #MeToo
       wirkt das ironische Statement am Ende der Folge beinahe prophetisch: „Wir
       haben eine moderne Dinokratie, da kann es mit der Gleichbehandlung ja gar
       nicht mehr lange dauern.“
       
       Am progressivsten aber ist wohl der Dino-Sohn Robbie. Relativ zu Beginn der
       Show stellt er fest, dass er, anders als der Rest seiner Familie,
       vielleicht ein Pflanzenfresser sein könnte. Heimlich geht er in eine
       spezielle Bar für Herbivore, um sich den „verbotenen Früchten“ hinzugeben –
       ein homosexueller Dino. Und das in der Urzeit. In anderen Episoden setzt er
       sich gegen das Artensterben ein, kümmert sich um Höhlenmenschen, die die
       Dinos als gefühllose (Nutz-)Tiere wahrnehmen, oder erfindet eine
       nachhaltige Energiequelle, deren Nutzung vom profitgierigen
       Treufuß-Unternehmen allerdings unterbunden wird. Fridays for Dino-Future.
       
       ## Übermacht der Megakonzerne
       
       Sowieso ist die Übermacht des Megakonzerns das bestimmende Thema der
       Sitcom. Firmenchef B.P. Richfield versucht zwischenzeitlich, in die Politik
       zu gehen und verkauft sich als einfacher „Mann des Volkes“. Er verspricht
       der Wählerschaft, dass sich durch die Abschaffung von Reichensteuern ein
       derartiges Vermögen bei den reichen Dinos ergeben würde, dass ihnen
       sicherlich einige Dino-Mark aus den Taschen purzeln würden. Treffender kann
       man das leere Versprechen der „Trickle-down-Theorie“ nicht parodieren.
       
       Pangäa ist ohnehin ein Paradies des Neoliberalismus und damit ein Paradies,
       das am Ende untergehen muss: Weil die Treufuß einen wichtigen Sumpf
       trockenlegt, stirbt eine Käferart aus, die sich von Kletterpflanzen
       ernährt. Als die zu wuchern beginnen, organisiert besagter Konzernchef eine
       Truppe „besorgter Bürger“, die durch weitere Eingriffe in die Natur eine
       Eiszeit heraufbeschwört. Während die Temperaturen sinken, triumphiert der
       Konzern über einen nie dagewesenen Verkauf an Heizungen, Decken und
       Heißgetränken. Ob die Klimakatastrophe den Dinos ein endgültiges Ende
       bereiten wird, ist dann ein Problem für das kommende Geschäftsjahr.
       
       Wahrscheinlich, weil die Sendung in ein urzeitliches Setting gepackt wurde,
       mithilfe von Puppen inszeniert und generell als „Kindersendung“ verstanden
       wurde, konnte sie wider die Sitcom-Logik gleichzeitig kritisch sein und von
       einem Massenpublikum geliebt werden. Mit dem Disney-Konzern, der die Serie
       neben der Jim-Henson-Company mitproduzierte, habe es zwar immer wieder
       Streit gegeben, betont Produzent Michael Jacobs. Über vier Staffeln hinweg
       konnte man den hauseigenen Sender ABC aber von einer Fortsetzung
       überzeugen, solange Baby Sinclair, dem „comic relief“ der Show, genug
       Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
       
       22 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.spiegel.de/panorama/leute/friends-wird-25-so-feiern-courtney-cox-lisa-kudrow-co-a-1287749.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Arabella Wintermayr
       
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