# taz.de -- Sicherheitsgipfel in Berlin: Ein Wink mit dem Zaun
       
       > Am Freitag steht der Görlitzer Park im Mittelpunkt eines
       > „Sicherheitsgipfels“ beim Regierenden Bürgermeister. Wird eine nächtliche
       > Abriegelung der Grünfläche kommen?
       
 (IMG) Bild: Kiezrundgang „Görli by night“
       
       BERLIN taz | Am Nour Imbiss an der Falckensteinstraße geht es los: „Görli
       by night“ heißt der spätabendliche Rundgang durch den Görlitzer Park und
       angrenzende Straßen, zu dem die Initiative Wrangelkiez United an diesem
       Dienstag eingeladen hat. Zwölf Interessierte sind gekommen, um sich ein
       Bild [1][vom „Hotspot der Kriminalität“] zu machen, wie diverse Medien den
       Park betiteln. Gemeinsam machen sich Kiezbewohner*innen und -fremde,
       zwei Referent*innen der Grünen im Abgeordnetenhaus und ein TU-Forscher
       auf den Weg.
       
       Schon am Treffpunkt sind die Probleme des Kreuzberger Kiezes
       allgegenwärtig: Die Gruppe begegnet abwechselnd Drogenhändler*innen
       und Konsument*innen, immer wieder ist aggressives Grölen zu hören. „Wir
       wollen die Probleme im Kiez nicht kleinreden“, sagt David Kiefer,
       Organisator des Rundgangs und Sprecher von Wrangelkiez United.
       
       [2][Der Rundgang ist eine Reaktion auf die erhitzte Sicherheitsdebatte, die
       Medien und Politik nach einer Gruppenvergewaltigung im Park neu entfacht
       hatten]. Am Freitag mündet sie in einen „Sicherheitsgipfel“, den der
       Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) einberufen hat. Am Beispiel des
       Görlitzer Parks und des [3][Weddinger Leopoldplatzes] soll die Sicherheit
       im öffentlichen Raum verhandelt werden, auch um konkrete Lösungen für den
       „Görli“ soll es gehen. Mehrere Ideen stehen im Raum, eine hat Wegner in die
       Diskussion geworfen: Er sieht vor, die Zugänge zu dem ohnehin eingemauerten
       Park abends zu schließen.
       
       „Wenn wir das tun, reden wir in zwei, drei oder fünf Jahren über die
       gleichen Probleme im Wrangelkiez“, verurteilt David Kiefer die Idee. Es
       würde die Probleme der Ruhestörung durch Konsument*innen verschärfen
       und den Drogenkonsum weiter in die Kieze und Hauseingänge verdrängen. Die
       erhöhte Polizeipräsenz seit dem Senatswechsel und vor allem seit
       Bekanntwerden der Vergewaltigung habe schon dazu geführt.
       
       ## Zaun stößt auf wenig Gegenliebe
       
       Im grün regierten Friedrichshain-Kreuzberg stößt das nicht auf Gegenliebe.
       Dazu äußern wollte sich die Bezirksbürgermeisterin von
       Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, am Mittwoch aber nicht. Ihre
       Haltung will sie am Donnerstag, einen Tag vor dem Gipfel, bei einer
       Pressekonferenz darstellen, zusammen mit der Bürgermeisterin von Mitte,
       Stefanie Remlinger (auch Grüne).
       
       Remlinger ließ die taz immerhin wissen, dass es am Montag ein Vorgespräch
       mit dem Regierenden gegeben habe. Über den Inhalt habe man Vertraulichkeit
       vereinbart, sie gehe aber davon aus, dass alle an einem konstruktiven
       Verlauf interessiert seien. Es werde nicht nur um Sicherheitsmaßnahmen
       gehen, sondern auch um Lösungen für die sozialen Probleme.
       
       Gerade einmal zwei Stunden sind für den Gipfel angesetzt. Die
       Senatsgesundheitsverwaltung und die Bezirksbürgermeisterinnen sollen die
       sozialen Fragen einbringen, die Polizei soll Vorschläge machen, wie der
       Repressionsdruck auf die Drogenhändler erhöht und die Prävention gefördert
       werden kann. Allein 2022 gab es 70.000 polizeiliche Einsatzstunden rund um
       den Görlitzer Park, viel mehr als eine temporäre Verschiebung der Probleme
       habe das nicht bewirkt, sagen Leute, die sich damit auskennen.
       
       Auf der „Görli by night“-Tour führt die Route zur bewachsenen Kuhle in der
       Parkmitte, die trotz milder Temperaturen fast menschenleer ist. „Eigentlich
       war das hier unser Garten, wo wir zusammen gesessen und getrunken haben“,
       sagt Judith, die seit 20 Jahren im Kiez wohnt. Dass der Park jetzt auch am
       Wochenende meist leer sei, liegt für die 46-Jährige an der erhöhten
       Polizeipräsenz und der Beleuchtung durch starke Scheinwerfer, die unlängst
       an den Parkeingängen aufgestellt wurden.
       
       „Als die zum ersten Mal eingeschaltet wurden, fand ich es echt gruselig
       hier durchzulaufen – weil niemand mehr in der Kuhle und am Eingang war“,
       berichtet Judith. Ein „Wohlfühlort“ sei der Görli nie gewesen, aber
       besonders am Wochenende habe sie sich zwischen den vielen Leuten sicherer
       gefühlt. „Falls was ist, wusste ich, dass ich nach Unterstützung fragen
       kann“, sagt sie.
       
       ## Macht Wegner Ernst?
       
       Horcht man ins Bezirksamt hinein, sind die Bekenntnisse gegen eine
       Schließung klar. Was aber, wenn sich [4][Wegner] aufs Absperren versteift?
       Könnte er das gegen den Willen des Bezirks veranlassen? Anders als das
       Tempelhofer Feld, das der landeseigenen grün Berlin GmbH betrieben wird und
       nachts geschlossen ist, untersteht der Görli dem Bezirk. Im Allgemeinen
       Zuständigkeitsgesetz (AZG) ist geregelt, was dem Senat und was den Bezirken
       obliegt. Darin heißt es, der Senat könne Befugnisse an sich ziehen, wenn
       „das Handeln oder die Unterlassung“ eines Bezirks das Gesamtinteresse
       Berlins „beeinträchtigt“.
       
       Kaum vorstellbar, dass der Senat diese Karte ziehe, glauben
       Verwaltungsexperten – schon weil es für die Zusammenarbeit zwischen den
       Ebenen absolut kontraproduktiv wäre. Im gesamtstädtischen Interesse sei es
       vielmehr, eine gute Prävention hinzubekommen, sagt einer. Weder Kreuzberg
       noch Mitte seien dafür verantwortlich, dass sie Anziehungspunkt für
       Drogenhändler und Abhängige geworden seien.
       
       Zurück in den Park: Im Görli gehe es längst nicht mehr nur um die
       Vergewaltigung. Frauen und ihre Gewalterfahrungen würden für rassistische
       Law-&-Order-Kampagnen instrumentalisiert, meint man bei Wrangelkiez United.
       Laut David Kiefer sind die Kontrollen von People of Color nochmals enorm
       angestiegen. Die Initiative sieht im Ausbau der Drogenhilfe, von
       Schlafplätzen und Konsumräumen eine Lösung. Auch sollen Menschen ohne
       Arbeitserlaubnis eine Perspektive und legale Beschäftigungsmöglichkeiten
       bekommen.
       
       Am Mittwoch, bei Sonnenlicht, lassen sich vereinzelt auch andere Stimmen im
       Kiez hören. „Ich bin für den Zaun. Es wäre ein Signal, dass mal etwas
       passiert“, sagt eine Anwohnerin, der ihre Haltung selbst merklich
       unangenehm ist: „Ich bin ja keine CDU-Wählerin“, ergänzt sie sofort. Als
       Frau hänge ihr die Gruppenvergewaltigung aber nach, und die sei nur im
       dunklen Park möglich. „Alle Probleme wird der Zaun nicht lösen“, räumt sie
       ein, aber man könne es ja mal probieren.
       
       In einem Frühstückscafé im Wrangelkiez sitzt Petra Behr, die Rentnerin lebt
       seit 50 Jahren hier. „Es war mal ein so schöner Kiez“, sagt sie, jetzt sei
       es „unsicher“ – sie deutet in Richtung einiger junger schwarzer Männer.
       Auch wenn ihr noch nie etwas passiert sei, traue sie sich nicht mehr in den
       Park. Einen Zaun fände auch sie gut. „Oder eine Polizeiwache“, schiebt sie
       hinterher, „dann muss man auch nicht abschließen.“
       
       Antonia, deren WG-Zimmer zur Sorauer Straße hinausgeht, sieht das anders:
       Ein Zaun wäre eine „feige Lösung“ auf Kosten der Anwohner:innen. Die
       müssten ohnehin im Herbst und Winter mit mehr Konsument:innen in ihrem
       direkten Umfeld rechnen. Was es brauche? Mehr Licht im Park, sagt sie – und
       mehr Sozialarbeiter:innen.
       
       Wrangelkiez United hätte Ideen der Anwohner*innen gerne mit Kai Wegner
       diskutieren wollen, hat David Kiefer gesagt. Eine Einladung zum Gipfel habe
       die Initiative aber nicht erhalten.
       
       7 Sep 2023
       
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