# taz.de -- Spanien vor entscheidenden Wahlen: Offen nach ganz rechts
       
       > Spaniens Konservative haben keine Hemmungen, mit Rechtsextremen wie der
       > VOX zu kooperieren. Aber das überrascht nicht, schaut man auf ihre
       > Geschichte.
       
 (IMG) Bild: PP-Parteichef Feijoo driftet nach rechts
       
       Spaniens Partido Popular (PP) sieht sich vor einem neuen politischen
       Zyklus. Die stärkste rechte Oppositionspartei, der seit einem Jahr der
       Galicier [1][Alberto Núñez Feijóo] vorsteht, hofft bei den Regional- und
       Kommunalwahlen am kommenden 28. Mai, stärkste Kraft zu werden.
       
       Die Konservativen wollen ihre kommunale und regionale Macht ausbauen und
       den Grundstein für einen Sieg bei den Parlamentswahlen Ende des Jahres
       legen. Die Regierungsbeteiligung scheint zum Greifen nahe. Doch dazu
       braucht Feijóo die Unterstützung der rechtsextremen VOX.
       
       Bislang schwankt Feijóo zwischen Zentrum und rechtem Rand hin und her. Zum
       einen umwirbt er die politische Mitte, zum anderen versucht er, die extreme
       Rechte zu bedienen, mit deren Unterstützung seine PP bereits in mehreren
       Regionen und Gemeinden regiert – im zentralspanischen Castilla y León gar
       in einer gemeinsamen Koalition.
       
       Ziel ist, die verlorene Hegemonie im rechten Spektrum zurückzugewinnen.
       Zumindest so weit, dass eine Aussicht auf eine starke Minderheitsregierung
       ohne Minister aus der VOX besteht.
       
       ## Resistenter als gedacht
       
       Lange vereinte die PP das gesamte rechte Spektrum Spaniens unter ihrem
       Dach. Die PP bzw. ihre Vorgängerorganisation Alianza Popular entstand nach
       Ende der Franco-Diktatur 1975 aus einem Teil der franquistischen Eliten.
       Sie sahen in Europa weniger ein politisches als ein wirtschaftliches
       Vorbild.
       
       Die AP unter dem Vorsitz eines ehemaligen Ministers der Diktatur ging
       pragmatisch vor, nahm die Reste gescheiterter liberaler und
       christdemokratischer Kräfte auf und ließ die PP dann zur alleinigen Kraft
       rechts der Mitte werden.
       
       Mit starker territorialer und unter José María Aznar und Mariano Rajoy
       staatlicher Macht hatte die PP allen etwas zu bieten. Im wahrsten Sinne des
       Wortes: Keine Partei bediente sich so wie die PP.
       
       Mit Korruption und Eurokrise kam dann auch die Krise des spanischen
       Zweiparteiensystems. Auf der Linken bekamen die Sozialisten Konkurrenz von
       Podemos, auf der Rechten geriet die PP zuerst durch Ciudadanos, dann durch
       die rechtsextreme VOX unter Druck. Aus dem Zweiparteiensystem wurde das
       System zweier Blöcke.
       
       Ciudadanos ist nach einer Reihe strategischer Fehlentscheidungen – unter
       anderem, sich von der Mitte weg ebenso zum rechtem Rand hinzubewegen – kein
       Jahrzehnt nach größter Ausbreitung schon wieder so gut wie Geschichte. Die
       meisten ihrer Wähler fanden den Weg zurück zur PP, andere zur
       rechtsextremen VOX, die sich als resistenter erweist, als viele dachten.
       
       VOX, im Grunde ein Stiefkind der PP, mit Politikern wie Santiago Abascal,
       die schon bei der PP Karriere gemacht hatten und von parteinahen Stiftungen
       lebten, eroberte nach dem Einzug ins andalusische Regionalparlament 2018
       die spanische Politik im Handumdrehen. Mittlerweile ist sie im Parlament
       die drittstärkste Kraft.
       
       Sie besetzt die üblichen rechtspopulistischen Themen: Anti-Feminismus,
       Kampf gegen Abtreibung und sexuelle Minderheiten, Verteidigung der
       Traditionen, hier mit den spanischen Besonderheiten wie Jagd und
       Stierkampf. Hinzu kommt ein aggressiver, zentralspanischer Nationalismus,
       der sich gegen die Regionen richtet, die mehr Eigenständigkeit oder gar die
       Unabhängigkeit wollen.
       
       Seit dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien 2017 macht VOX erfolgreich
       Stimmung gegen alles, was ein homogenes Spanien in Frage stellt.
       
       Entstanden ist sie aus einem Konglomerat von kleineren rechten, oft
       ultrakatholischen Organisationen, die jahrelang von der herrschenden PP
       benutzt wurden, um die Ablehnung eines Friedensdialogs mit der baskischen
       ETA oder den Widerstand gegen unliebsame linksliberale Inhalte wie ein
       modernes Familienkonzept, mehr Frauenrechte oder die Homoehe auf die Straße
       zu bringen. Diese Gruppen waren es irgendwann leid, nur ein Spielball der
       PP zu sein. Sie wollten Resultate sehen.
       
       „Kleine, feige Rechte“ schimpfen VOX-Politiker die PP mittlerweile gerne.
       Mit zwei – [2][wenn auch gescheiterten] – Misstrauensanträgen gegen die
       Linkskoalition unter dem Sozialisten Pedro Sánchez gelang es ihnen,
       innerhalb der Rechten die Initiative zu ergreifen und der PP den Rang
       abzulaufen.
       
       Bei vielen Themen gibt VOX inzwischen den Ton an, PP und Ciudadanos laufen
       nur noch hinterher. VOX sagt offen, was die meisten PP-WählerInnen bloß
       denken. In mehreren Regionen ist die Partei damit längst hoffähig geworden.
       
       In Castilla y León sitzt sie mit im Kabinett, in Murcia ist die
       PP-Regierung von VOX abhängig, ebenso wie der PP-Bürgermeister in Madrid
       oder die PP-Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso in der Hauptstadtregion.
       Anders als in Deutschland, wo die „Brandmauer nach rechts“ (noch) steht,
       ist für Spaniens Konservative eine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten
       kein Tabu. Sie speisen sich schließlich aus denselben Quellen.
       
       ## Spanien! Oder die Regierung!
       
       Mehr noch: In der Hoffnung, verlorene Wählerschaft zurückzugewinnen, rückt
       die PP selbst immer weiter nach rechts. In der Region Madrid wird das
       besonders deutlich. Die dort regierende Ayuso wettert gegen ein Gesetz, das
       Transsexuellen mehr Rechte einräumt, sucht nach Gesetzeslücken, um Schulen
       zu fördern, die nach Geschlecht getrennten Unterricht anbieten.
       
       Feijóo beschwört ein Szenario herauf, in dem es gelte, zwischen der
       Regierung und Spanien zu entscheiden. Die Koalition aus Sozialisten und
       Linksalternativen sei die Regierung der „Feinde Spaniens“, da sie von
       katalanischen und baskischen Parteien unterstützt wird, so Feijóo.
       Gemeinsam mit VOX ging die PP schon gegen den „Kommunisten und
       Vaterlandsverräter Sánchez“ und „für Spanien und die Verfassung“ auf die
       Straße. Feijóo lässt keinen Zweifel an seiner nach ganz rechts offenen
       Flanke. „Wir werden regieren, mit wem wir können“, sagt er.
       
       Sollte sein Kalkül aufgehen, könnte die extreme Rechte in einem weiteren
       wichtigen EU-Land zumindest mitregieren.
       
       18 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://en.wikipedia.org/wiki/Alberto_N%C3%BA%C3%B1ez_Feij%C3%B3o
 (DIR) [2] /Sanchez-bleibt-Spaniens-Regierungschef/!5923952
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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