# taz.de -- Spitzenpolitik in Vietnam: Strippenzieher wird Präsident
       
       > Vietnams Kommunistische Partei nominiert den Hardliner und bisherigen
       > Sicherheitsminister To Lam zum Staatsoberhaupt. Seine Wahl gilt als
       > sicher.
       
 (IMG) Bild: Hier zieht To Lam wohl bald ein: der Präsidentenpalast in Hanoi
       
       BERLIN taz | Vietnams Kommunistische Partei hat am Samstag den Weg frei
       gemacht für die Wahl des mit erheblicher krimineller Energie ausgestatteten
       Sicherheitsministers To Lam zum neuen Staatspräsidenten. Seine Nominierung
       gab die alleinherrschende Partei am Ende ihres 9. Plenums des 13.
       Zentralkomittees [1][über die Staatsmedien bekannt].
       
       Die Wahl ist für Pfingstmontag in der Nationalversammlung angesetzt. Es
       gibt wenig Zweifel, dass sie erfolgt. 2023 jedoch wollte der 66-jährige To
       Lam schon einmal Staatspräsident werden, [2][bekam im Parlament des
       Einparteienstaates dafür aber keine Mehrheit]. Er war umstritten als
       innenpolitischer Hardliner, aber auch als jemand, der mitten in der
       Pandemie, als es der Bevölkerung wirtschaftlich schlecht ging, in einem
       Londoner Luxusrestaurant ein vergoldetes Steak verzehrte, was der Betreiber
       des Ladens in den sozialen Medien dokumentierte.
       
       Laut Urteil des Berliner Kammergerichtes von 2018 ist To Lam zudem
       Auftraggeber der Entführung des nach Deutschland geflohenen früheren
       Wirtschaftsfunktionärs Trinh Xuan Thanh von Berlin nach Hanoi im Juli 2017.
       Es gibt auch wenig Zweifel, dass er Entführungen von oppositionellen
       Publizisten aus Thailand in Auftrag gegeben hat.
       
       Für den Strippenzieher To Lam geht es bei der Wahl um alles. Denn wenn
       Anfang 2026 nach dem 14. Parteitag die Positionen in Partei und Staat neu
       besetzt werden, kann er aus Altersgründen nicht erneut Minister werden. Nur
       für die vier höchsten politischen Ämter in Partei und Staat (Parteichef,
       Staatspräsident, Ministerpräsident, Parlamentschef) gibt es keine
       Altershöchstgrenze. Bekommt To Lam nicht einen dieser Posten, bleibt ihm
       nur die Rente.
       
       Und da hat er als Sicherheitsminister vorsorglich gleich mal zwei
       Funktionen im Führungsquartett freigeräumt. Sowohl [3][der Staatspräsident]
       als auch [4][der Parlamentspräsident] mussten in den letzten Wochen ihre
       Ämter wegen angeblicher Korruptionsvorwürfe räumen. Wären sie nicht
       „freiwillig“ gegangen, hätten sie mit Strafen rechnen müssen.
       
       Dabei ist bezeichnend, dass die Vorwürfe gegen den bisherigen
       Staatspräsidenten mehr als zehn Jahre zurückliegen. Und dem sehr fähigen
       bisherigen Parlamentspräsidenten wurden nicht einmal eigene
       Korruptionshandlungen vorgeworfen. Vielmehr ging es um die Korruption eines
       Mitarbeiters.
       
       Unter ähnlichen Umständen musste auch schon der Gesundheitsminister sein
       Amt räumen, der Vietnam äußerst erfolgreich durch die Pandemie gebracht
       hatte, sowie mehrere Spitzendiplomaten.
       
       Seit 2016 hatte sich Vietnams KP unter Führung des inzwischen greisen und
       kranken Nguyen Phu Trong den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen
       geschrieben. Die ist in Vietnam in der Tat weit verbreitet, denn ohne
       Bestechung bekommt man weder eine Baugenehmigung noch einen lukrativen
       Arbeitsplatz. Doch statt sich mit den strukturellen Ursachen der Korruption
       zu befassen, maßregelt Vietnam einzelne Protagonisten.
       
       „Trongs Antikorruptionskampagne haben Partei-Hardliner vorangetrieben. Sie
       haben Mitglieder der höchsten Führungsriege gestürzt und so den Weg für
       sich selbst geebnet,“ schreibt der australische Vietnamexperte Carl Thayer.
       Allein im Jahr 2023 wurden nach Recherchen der BBC 459 Parteikader wegen
       „Korruption“ ausgesondert. Die Nachfolger kommen meist aus Polizei, Militär
       oder dem Ideologieapparat. „Die Polizei übernimmt nach und nach die Macht“,
       sagte der britisch-tschechische Journalist David Hutt der BBC.
       
       Vietnams bekanntester Dissident, der im deutschen Exil lebende Nguyen Van
       Dai, kann der Nominierung To Lams zum Präsidenten bei aller Kritik auch
       etwas Gutes abgewinnen. Er sagte der taz: „Dann ist To Lam nicht mehr der
       Herr über die Ermittlungsakten und hat womöglich sogar weniger Einfluss als
       in seiner bisherigen Funktion.“ Auf der anderen Seite geht Dai davon aus,
       dass To Lam auf dem nächsten Parteitag Anfang 2026 den Posten des
       Parteichefs anstrebt, Vietnam wichtigstes politisches Amt. Wenn er schon
       dem Führungsquartett angehört, hat er gute Chancen den Posten auch zu
       bekommen.
       
       18 May 2024
       
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