# taz.de -- Straßenumbenennung im Wedding: Der König ist tot, lang lebe der König!
       
       > Die Gegner der neuen Straßennamen frohlocken: Ein Brief ist aufgetaucht,
       > in dem sich ein Kameruner König beschwert. Leider stimmt die Story nicht
       > ganz.
       
 (IMG) Bild: Rudolf Duala Manga Bell, König des Duala-Volkes im heutigen Kamerun, wurde 1914 von den deutschen Kolonialisten ermordet. Nach ihm soll der bisherige Nachtigalplatz in Wedding in Manga-Bell-Platz umbenannt werden
       
       BERLIN taz | Die „Initiative Pro Afrikanisches Viertel“ (IPAV) gibt nicht
       auf. Seit der Bezirk Mitte vor gut einem Jahr die Umbenennung von drei nach
       deutschen Kolonialisten benannten Straßen im Wedding beschlossen hat, läuft
       die Ini, die anders als ihr Name vermuten lässt, von jeher gegen
       Umbenennungen ist, verbissen Sturm. Jeder Schritt der beteiligten Ämter,
       jede Nachricht wird zum Anlass genommen, über das angeblich „zutiefst
       undemokratische Verfahren“ zu lamentieren und den verantwortlichen
       PolitikerInnen Kolonialherren-Manier, Paternalismus und andere
       Schlechtigkeiten vorzuwerfen.
       
       Für die heutige Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat IPAV
       mal wieder „Einwohneranfragen“ gestellt. Dieses Mal drehen sie sich um
       einen Brief, den ein Großneffe des Königs Rudolf Duala Manga Bell, nach dem
       der Nachtigalplatz in Manga-Bell-Platz unbenannt werden soll, an den
       Vorsteher der BVV geschrieben hat. Der Absender, ein pensionierter Lehrer
       aus Bayern, schreibt, dass er dem aktuellen König von den Plänen des
       Bezirks telefonisch berichtet habe.
       
       Beim Gespräch darüber sei ihnen „ein für uns gravierender Fehler“
       aufgefallen, schreibt der Großneffe. So sei der Name Manga Bell „eine
       Erfindung der Kolinialherren“, die seinerzeit für ihre afrikanischen
       Untertanen einen Familiennamen brauchten; der eigentliche Name des Königs
       sei Duala gewesen. Bei aller Freude über die geplante Umbenennung: Man
       bitte diese Änderung zu veranlassen. Der Brief schließt mit der
       Feststellung, der König würde sich freuen, zur Umbenennungsfeier eingeladen
       zu werden.
       
       Für die BI ist das selbstredend ein gefundenes Fressen: Ob jetzt die
       „Umbenennung der schon einmal umbenannten Umbenennung vorgesehen“ sei (man
       hatte bereits den Bell-Platz wegen Einsprüchen der Feuerwehr in
       Manga-Bell-Platz ändern müssen), will man nun in der BVV wissen? Ob der
       aktuelle König denn zur Feier eingeladen werde? Ob dessen Belehrung über
       „die fehlerhafte, nämlich auf Kolonialisten-Perspektive“ basierende
       Namensgebung Konsequenzen habe für die anderen Straßennamen?
       
       ## „Durch Boten – EILT!“
       
       Nun hat auch die Autorin dieser Zeilen diesen „brisanten“ Brief bekommen –
       in einem anonym abgegebenen Umschlag mit dem Hinweis „Durch Boten – EILT!“
       Eilig ist die Sache allerdings weniger, wie ein kurzer Anruf beim Absender
       klärte. Er habe den Brief schon im März geschrieben, sagt der Großneffe des
       1914 von den Deutschen ermordeten Königs. Die Sache sei für ihn auch längst
       erledigt.
       
       Ach, so schnell? Ja, beteuert der Bayer. Der (am Umbenennungsprozess
       beteiligte) Verein Africavenir habe ihn angerufen und die Zusage gegeben,
       dass ein Schild über den Namensgeber des Manga-Bell-Platzes und die
       „kolonialistische Erfindung des Namens“ informieren werde. Und weil sie die
       Umbenennung grundsätzlich „natürlich befürworten“, hätten der aktuelle
       König und er diesen Kompromiss akzeptiert, „um die ganze Sache nicht zu
       gefährden“. Die Berliner hätten ihm erklärt, dass es ohnehin noch dauern
       werde mit den neuen Namen.
       
       In der Tat: Der Bezirk muss in den kommenden Monaten erst einmal zu den
       rund 1.200 Widersprüchen von 400 Einzelpersonen gegen die insgesamt drei
       Umbenennungen Stellung nehmen. Wo er ablehnt, dürfte es Klagen hageln,
       dafür wird IPAV schon sorgen. Das ganze Verfahren werde wohl noch Jahre
       dauern, sagte kürzlich Bezirksbürgermeister Stephan Dassel (Grüne).
       
       ## Cui bono?
       
       Zurück zum Großneffen: Der erklärt glaubwürdig, dass er voriges Wochenende
       nicht in Berlin war und seinen zwei Monate alten Brief auch nicht bei der
       taz abgegeben hat. Aber wer dann? Wem würde es nützen, wenn Berliner Medien
       Artikel schreiben mit Überschriften wie „König Douala Bell kritisiert
       Straßenumbenennung“, wie es der Tagesspiegel Checkpoint am Mittwoch dann
       wirklich tat?
       
       Anruf bei der Initiative Pro Afrikanisches Viertel. Nein, sie könne nicht
       sagen, wer den Brief der taz gebracht habe, erklärt Sprecherin Karina
       Filusch – und setzt hinzu: wenn derjenige das nicht möchte. Hmm…
       
       So gibt es am Ende dieser Geschichte zwar keinen Skandal mehr, den einige
       offenkundig wollten. Dafür sitzt in Bayern nun ein Mann, der, wie er sagt,
       „Angst hat, dass mein Brief den Gegnern der Umbenennung in die Hände
       spielt.“ Der IPAV dürfte das egal sein: Schließlich schwingt sie sich gerne
       ungefragt zu Fürsprechern afrikanischer Interessen auf.
       
       Erst kürzlich sagte Filusch in der Berliner Zeitung als Argument gegen die
       Umbenennungen, auch Berliner „mit afrikanischem Hintergrund mögen es nicht,
       in die Sonderrolle von Opfern gedrängt zu werden“. Was in Einzelfällen
       stimmen mag, insgesamt aber natürlich ein Affront gegenüber den vielen
       politisch organisierten Schwarzen ist, die sich seit Jahren für die
       Umbenennung von Straßen mit kolonialen Unrechtsbezügen engagieren.
       
       Zum Schluss noch eine gute Nachricht (von der Gruppe Berlin Postkolonial):
       Der König wird selbstverständlich eingeladen! Nur das Datum für die große
       Umbenennungsparty steht noch nicht.
       
       15 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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