# taz.de -- Truppenabzug aus Afghanistan: Tür auf für die Taliban
       
       > Mit der Ankündigung, alle Truppen abzuziehen, überlassen die USA und ihre
       > Verbündeten Afghanistan bewaffneten Fraktionen – bedingungslos.
       
 (IMG) Bild: Demnächst auf dem Rückzug: US-Soldaten in Afghanistan während eines Besuchs von Trump 2019
       
       In [1][Afghanistan] beginnt nach fast 20 Jahren das Endspiel der
       gescheiterten US-Intervention nach den islamistischen Anschlägen des 11.
       September. Mit der Ankündigung, alle Truppen bedingungslos abzuziehen,
       (wenn auch nicht wie ursprünglich mit den Taliban vereinbart zum 1. Mai),
       schließen die USA dieses Kapitel für sich und ihre Verbündeten ab.
       Afghanistan überlassen sie sich selbst, oder genauer gesagt, den
       bewaffneten Fraktionen, von denen die Taliban nur eine sind.
       
       Aber das Endspiel ist nicht gleichbedeutend mit dem Ende. In einem neuen
       Kapitel werden die Karten, das heißt die Macht, neu verteilt. Nur, dass die
       USA und der Westen insgesamt darauf nicht mehr viel Einfluss haben werden.
       Auch eine Verhandlungslösung ist damit nicht vom Tisch.
       
       Die Taliban haben zwar ihre Teilnahme an der von den USA angeregten
       Afghanistan-Friedenskonferenz Ende des Monats in Istanbul abgesagt. Sie
       geben damit aber lediglich zu verstehen, dass ein Friedensschluss und eine
       Machtteilung nur noch zu ihren Bedingungen und nach ihrem Zeitplan
       stattfinden werden. Kalt spielen sie ihre militärische Kontrolle über die
       Hälfte des Landes aus sowie ihre politisch-diplomatische Position, in die
       sie das bilaterale Abkommen mit den USA vom Februar 2020 und nun auch die
       Ankündigung des bedingungslosen Truppenrückzugs gebracht haben. Wer etwas
       anderes erwartet hatte, folgte einer Illusion.
       
       Es ist nicht zu vermuten, dass [2][die Taliban] nach dem Abzug im September
       einen militärischen Durchmarsch nach Kabul versuchen werden. Das würde sie
       sofort international isolieren. Das auch nach 20 Jahren westlichen
       Engagements immer noch extrem arme Land wird auch mit ihnen an der Macht,
       allein oder (zunächst?) in einer Art Koalition, von externen Zuschüssen
       abhängig sein. Zudem verfügt die derzeitige Regierung noch über 300.000
       Soldaten und Polizisten. Scheitert aber eine innerafghanische Regelung,
       dann könnten Teile dieser Truppen zum vermeintlichen Sieger überlaufen, ein
       neuer Fraktionskrieg könnte ausbrechen.
       
       Was häufig übersehen wird: Auch die amtierende [3][afghanische Regierung]
       besteht zu großen Teilen aus Islamisten, die sich ideologisch nicht sehr
       von den Taliban unterscheiden, besonders in Bezug auf Frauenrechte, aber
       auch auf demokratische Rechte und Menschenrechte insgesamt. Um sich an der
       Macht zu halten, könnten zumindest einige von ihnen zu den Taliban
       umschwenken.
       
       Da die USA und ihre westlichen Verbündeten nicht unschuldig an der
       verfahrenen Lage in Afghanistan sind, ist der Truppenabzug als Türöffner
       für die Taliban zumindest selbstvergessen. Gegenüber der afghanischen
       Zivilbevölkerung aber, die allein die Konsequenzen tragen muss, ist er
       nichts als arrogant. Mit der Hand am Geldhahn kann der Westen vielleicht
       noch einige der schlimmsten Folgen auffangen.
       
       Mehr aber auch nicht.
       
       15 Apr 2021
       
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