# taz.de -- Türkei geht gegen linke Partei HDP vor: „Rekrutierungsbüro für die PKK“
       
       > Vor den Wahlen möchte die türkische Regierung noch schnell die Konkurrenz
       > ausschalten. Die erste Hürde zum Verbot der HDP hat sie genommen.
       
 (IMG) Bild: Anhänger der prokurdischen HDP werden während eines Protests im November in Istanbul eingekesselt
       
       ISTANBUL taz | Im Verbotsverfahren gegen die kurdisch-linke Partei der
       Völker (HDP) hat am Dienstag der Generalstaatsanwalt vor dem
       Verfassungsgericht plädiert. Erwartungsgemäß forderte Bekir Şahin ein
       Verbot der Partei. Als Begründung gab er an, die HDP sei auf „organische
       Weise“ mit der [1][„Terrororganisation PKK“] verbunden. Die HDP fungiere
       wie ein „Rekrutierungsbüro für die PKK“. Als Beweis sagte er: „Unsere ganze
       Gesellschaft weiß darüber Bescheid.“
       
       Die HDP war bei den letzten Wahlen mit rund 6 Millionen Wählern drittgrößte
       Partei im türkischen Parlament geworden und stellt insgesamt 56
       Abgeordnete. Viele Beobachter gehen davon aus, dass die Partei noch vor den
       [2][spätestens im Juni dieses Jahres stattfindenden] neuen Parlaments- und
       Präsidentschaftswahlen aus dem Rennen genommen werden soll, um die
       Opposition zu schwächen. Nimmt die HDP dagegen an den Wahlen teil, könnte
       sie zum entscheidenden Faktor sowohl bei der Wahl eines neuen Präsidenten
       als auch für die Mehrheiten im Parlament werden.
       
       Schon Ende letzter Woche hatte das Verfassungsgericht mit einer knappen
       Mehrheit von 8 zu 7 Stimmen die HDP vorläufig von der staatlichen
       Parteienfinanzierung ausgeschlossen, bis über das Verbotsverfahren
       entschieden ist.
       
       ## Urteil soll noch vor den Wahlen kommen
       
       Für ein Verbot muss allerdings eine Zweidrittelmehrheit der 15
       Verfassungsrichter zustimmen. Rein formal bekommt die Partei nun erst
       einmal selbst die Gelegenheit, zu den Vorwürfen des Generalstaatsanwaltes
       Stellung zu nehmen. Dafür hat die Partei 30 Tage Zeit. Danach wird der
       zuständige Berichterstatter aus dem Richterkollegium eine Entscheidung
       vorbereiten. Liegt die Empfehlung vor, kann das Gericht jederzeit ein
       Urteil fällen.
       
       Innerhalb der HDP rechnet man damit, dass das Urteil noch vor den Wahlen
       kommt. Entsprechend hat die Partei sich vorbereitet und eine Alternative
       aufgebaut. Die Partei Linke-Grüne, die bislang unter dem Dach der HDP
       existierte, soll so ausgebaut werden, dass sie notfalls statt der HDP
       antreten kann.
       
       Die Opposition hat sich in einem Bündnis von sechs Parteien
       zusammengeschlossen und will einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten
       ins Rennen schicken. Die HDP ist nicht Teil dieses Bündnisses, hat aber in
       einer ähnlichen Konstellation bei den Kommunalwahlen 2019 in den Städten,
       in denen sie selbst keine Chance hatte, den Oberbürgermeister zu stellen,
       zur Wahl des Oppositionskandidaten aufgerufen. Dadurch gelang es dem
       Bündnis von sozialdemokratischer CHP und nationalistischer İyi-Partei, die
       wichtigsten Großstädte wie Istanbul und Ankara zu gewinnen. Allerdings hat
       die HDP dem Bündnis jüngst angedroht, selbst einen
       Präsidentschaftskandidaten zu nominieren.
       
       Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist angesichts der [3][Wirtschaftskrise] und
       der [4][extrem hohen Inflation] angeschlagen und muss um seine Wiederwahl
       fürchten – wie noch nie in den 20 Jahren, die er nun bereits regiert.
       
       Mit dem möglichen Verbot der HDP versucht die Regierung nun, die Konkurrenz
       bereits im Vorfeld der Wahlen auszuschalten – genauso wie zuvor schon mit
       einem politisch motivierten Urteil gegen den [5][Istanbuler
       Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu], der als gemeinsamer
       Präsidentschaftskandidat der Opposition gehandelt wird.
       
       11 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Terroranschlag-in-Istanbul/!5892100
 (DIR) [2] /Wahlkampf-in-der-Tuerkei/!5905679
 (DIR) [3] /Inflation-in-der-Tuerkei/!5823937
 (DIR) [4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/987938/umfrage/monatliche-inflationsrate-in-der-tuerkei/
 (DIR) [5] /Verurteilter-Buergermeister-von-Istanbul/!5899379
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Wittenfeld
       
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