# taz.de -- Verkehrsberuhigung durch Stadtplanung: Hannover sucht drei Superblocks
       
       > Ähnlich wie in Barcelona will Hannovers Oberbürgermeister autoarme, grüne
       > Quartiere in der City schaffen. Die SPD schaltet schon einmal auf Abwehr.
       
 (IMG) Bild: Das Straßenraster Barcelonas erleichtert das Anlegen von Superblocks
       
       HANNOVER taz | Die Idee ist nun schon ein Weilchen in der Welt: In
       [1][sogenannten Superblocks wird der Autoverkehr] gedrosselt, damit der
       gewonnene Platz den Bewohnern zur Verfügung steht. Die verkehrsberuhigten
       und begrünten Straßen sollen für mehr Aufenthaltsqualität und weniger Lärm-
       und Luftverschmutzung sorgen. Barcelona macht das schon seit 2017 vor –
       andere europäische Städte haben es nachgemacht.
       
       Jetzt will auch Hannover nachziehen. Immerhin [2][ist der grüne
       Oberbürgermeister Belit Onay ja nicht zuletzt mit] dem Versprechen auf eine
       echte Verkehrswende angetreten und gewählt worden.
       
       Über der Frage, welche Quartiere für solche Superblocks infrage kommen,
       wird noch gebrütet. Am Dienstag gaben Onay und sein Stadtbaurat Thomas
       Vielhaber (SPD) bekannt, dass sie ein Konsortium aus den Büros Fair Spaces
       (Berlin), [3][Cities for Future (Hamburg)] und Goudappel (Deventer/NL)
       beauftragt haben, drei unterschiedlich strukturierte Viertel zu
       identifizieren, in denen die Superblocks modellhaft ausprobiert werden
       sollen.
       
       Ein bisschen erstaunlich waren die Reaktionen: Die Oppositionsparteien
       signalisierten grundsätzlich Offenheit, was im Fall von Volt/Die Partei
       nicht verwundert, bei CDU und FDP, die sich sonst gern als
       Autofahrer-Parteien und [4][Verteidiger der „Brötchentaste“] profilieren,
       aber schon. Dafür stellte sich nun offenbar der Koalitionspartner SPD auf
       die Hinterbeine. „Das Büro des Oberbürgermeisters sieht es offensichtlich
       als seine Kernaufgabe an, das Leben der Menschen zu erschweren“, moserte
       Fraktionschef Lars Kelich in einer Pressemitteilung, bevor er in den Urlaub
       entschwindet.
       
       ## Polemik gegen grüne Lastenradfahrer
       
       Und dann schon fast in AfD-Manier: „Es herrscht augenscheinlich ein
       Weltbild vor, das nur noch Menschen kennt, die im Home Office oder der
       Innenstadt arbeiten, sich nur noch zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewegen, als
       Ältere keinen Besuch mehr von außen empfangen wollen, bzw. als Eltern so
       viel Zeit haben, ihre Kinder mit dem Lastenrad vom einen Ende der Stadt in
       das andere zu gondeln.“
       
       Das klingt allerdings, als habe er sich mit dem Konzept der Superblocks
       nicht wirklich beschäftigt. Die sehen nämlich eigentlich so aus, dass vor
       allem der Durchgangsverkehr aus den Viertel rausgehalten wird. Das erreicht
       man sogar mit verhältnismäßig wenig Aufwand: ein paar Diagonalsperren und
       Einbahnstraßen sorgen dafür, dass die Viertel nicht mehr einfach durchquert
       werden können.
       
       Die Anwohner können ihre Wohnungen in der Regel durchaus noch mit dem Auto
       erreichen – allerdings bei deutlich reduzierter Geschwindigkeit, mit – je
       nach Modell – nur noch zehn bis 20 Stundenkilometern. Im Idealfall nehmen
       schon diese Maßnahmen einen erheblichen Verkehrsdruck aus den Vierteln und
       ermöglichen es, Fahrspuren in Freiflächen zum Spielen, Sitzen und Flanieren
       zu verwandeln.
       
       Allerdings fällt den Freiflächen dann häufig auch der ein oder andere
       Parkplatz zum Opfer – ein nicht nur in Hannover heiß umstrittenes Thema. Es
       könnte spannend werden zu sehen, wie die Planer das lösen wollen. Immerhin
       sollen sie sich auf die stark belasteten Innenstadtquartiere konzentrieren,
       in denen oft beide Straßenseiten durchgängig zugeparkt sind.
       
       Und in einem Punkt hat Kelich vermutlich recht: In den schachbrettartig
       angelegten Straßenzügen Barcelonas sind solche Gebiete natürlich einfacher
       festzulegen als in Städten wie Hannover mit gewundenen Seitenstraßen, wo
       sich nicht so einfach dreimal drei Häuserblöcke zu einem Superblock
       zusammenfassen lassen. Unmöglich ist es allerdings auch nicht, dazu gibt es
       schon Modelle und Analysen.
       
       Auch in einzelnen Stadtteilen Hannovers hat es schon Vorstöße gegeben,
       bestimmte Quartiere als „Superblocks“ auszuweisen. Die kamen zum Teil von
       privaten Initiativen, aber auch aus den Bezirksräten. Das, betont die
       Stadt, war überhaupt erst der Anlass, sich dem Thema grundsätzlich und
       konzeptionell zu widmen.
       
       Einbezogen werden sollen in jedem Fall die betroffenen Anwohner. Denn auch
       das gehört zu den Lehren, die Barcelona ziehen musste: In den ersten
       Vierteln war der Widerstand anfangs hoch und kam nicht selten von
       Geschäftsleuten. Das von ihnen befürchtete Geschäftesterben blieb aber aus.
       Mittlerweile gibt es Viertel, die sich darum bewerben, Superblock werden zu
       dürfen.
       
       Der Auftrag an das Agenturen-Konsortium lautet jedenfalls erst einmal, eine
       gründliche Analyse der Erfahrungen aus anderen Städten zu liefern. Dann
       sollen begründete Quartiersvorschläge gemacht werden – inklusive eines
       Mobilitätskonzeptes, das darlegt, wie die Verkehrsströme innerhalb und rund
       um diese Quartiere herum funktionieren können. Die drei Quartiere sollen
       sich zudem strukturell unterscheiden – damit das Ganze auch zu
       Erkenntnissen führt, die dann auf andere Stadtviertel übertragbar sind.
       
       „Es wird mit Sicherheit nicht nur Vorschläge aus eng bebauten
       Gründerzeitquartieren geben“, schreibt Stadtsprecher Christian von Eichborn
       auf taz-Anfrage. Was man übersetzen könnte mit: nicht nur da, wo
       Grünen-Wähler mit Lastenrad wohnen.
       
       Die Machbarkeitsuntersuchung ist ohnehin nur der erste Schritt. Die
       Umsetzung und Erprobung müssen die Ratspolitiker dann erst noch diskutieren
       und beschließen. Da hat also auch die SPD-Fraktion noch viel Zeit, sich mit
       den lästigen Details zu befassen.
       
       14 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Staedte-gegen-Individualverkehr/!5783309
 (DIR) [2] /Onay-gewinnt-Oberbuergermeister-Wahl/!5639934
 (DIR) [3] https://www.superblocks.org/
 (DIR) [4] /Kleine-Pausen-im-Alltag/!5938070
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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