# taz.de -- Vielfalt auf dem Teller: Ernährungsregeln überarbeitet
       
       > Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat einige Empfehlungen neu
       > formuliert. So sind etwa fettreiche Milchprodukte nicht mehr tabu.
       
 (IMG) Bild: Herstellung von Sauerkraut: Mit Kohlgemüse auf dem Tisch kann man nichts verkehrt machen
       
       Klar, man kann beim Essen einfach auf seine Intuition, auf sein Bauchgefühl
       vertrauen. Ob das dann auch gesund ist, ist wohl von Person zu Person
       unterschiedlich. Zumindest ist diese Ernährungsweise in jedem Fall
       stressfrei. Wer jedoch lieber auf Expertise setzt, der wird bei den „10
       Regeln für eine vollwertige Ernährung“ fündig. Diese werden von der
       Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) anhand wissenschaftlicher
       Studien formuliert, im Auftrag der Bundesregierung.
       
       Nun produziert die Ernährungswissenschaft zwar nicht immer eindeutige
       Ergebnisse, trotzdem häuften sich Studien, die frühere Erkenntnisse klar
       widerlegten. Deshalb waren die 10 Regeln auch bereits Anfang des Jahres
       massiv in die Kritik geraten, vor allem von Ernährungsberaterinnen aber
       auch von anderen Fachgesellschaften. Die DGE hat nun reagiert und eine
       Neufassung herausgegeben.
       
       Neu ist vor allem, dass die Empfehlung, viele Kohlenhydrate wie
       Getreideprodukte und Kartoffeln zu essen, gestrichen wurde. Dafür sollte
       man besser „Vollkorn wählen“. Der Grund: Vollkornprodukte senken das Risiko
       für Diabetes, Dickdarmkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und anstatt
       pauschal „fettreiche Lebensmittel“ zu verteufeln, solle man lieber
       „gesundheitsfördernde Fette nutzen“. Dabei seien vor allem Rapsöl und
       daraus hergestellte Streichfette günstig. Trotzdem hält die DGE daran fest,
       mehr als 50 Prozent der Energiezufuhr aus Kohlenhydraten und maximal 30
       Prozent aus Fett zu speisen. Allerdings: Sie hält es für vertretbar, von
       den Richtwerten abzuweichen, wenn das gesamte Ernährungsmuster stimme.
       
       Zunehmend wird in der Ernährungswissenschaft nämlich deutlich, dass es
       nicht die eine gesunde Ernährungsweise, sondern, dass es verschiedene
       Möglichkeiten gibt, sich gesund zu ernähren: Etwa mit der Mediterranen
       Diät, dem Vegetarismus, der New Nordic Diet oder auch der japanischen
       Ernährungsweise. Die DGE hält eine Kost für gesund, die folgenden Kriterien
       entspricht: Sie liefert alle unentbehrlichen Nährstoffe wie Vitamine,
       Mineralstoffe und bestimmte mehrfach ungesättigte Fettsäuren, zudem sollten
       Faserstoffe aus Getreide einen wesentlichen Anteil an der
       Ballaststoffzufuhr haben. Obendrein liefert eine gesunde Kost wenige
       gesättigte Fettsäuren und industrielle trans-Fettsäuren. Vor allem für
       trans-Fettsäuren, wie sie etwa in Pommes, Chips, Fertigpizza, Croissants
       oder Backwaren mit Fettglasur stecken können, ist gesichert, dass diese dem
       Herzen zusetzen.
       
       Wichtig ist auch, dass ein Mehr an Eiweiß aus pflanzlichen Lebensmitteln
       wie Hülsenfrüchten und Brot stammt und nicht aus einem erhöhten
       Fleischverzehr, besonders nicht aus „rotem Fleisch“, also Rind, Kalb,
       Schwein oder Lamm. Eine Menge von 300 bis 600 Gramm Fleisch und
       Fleischprodukte pro Woche sollte der Gesundheit wegen nicht überschritten
       werden.
       
       ## 3 x Gemüse, 2 x Obst
       
       Letztlich ist es der Gesundheit zuträglich, täglich 5 Portionen Gemüse und
       Obst zu essen. Neu ist dabei, dass es möglichst 3 Portionen Gemüse und 2
       Portionen Obst sein sollten. Da Obst je nach Art viel Fruchtzucker, der im
       Verruf steht, die Leber zu schädigen, enthalten kann. Dabei zählen
       beispielsweise auch Hülsenfrüchte, ungesalzene Nüsse oder Trockenobst als
       Portion. Denn in der Pflanzenkost tummeln sich große Mengen Vitamine,
       Mineralstoffe, Ballaststoffe und Sekundäre Pflanzenstoffe.
       
       Weil Ernährungsmuster zählen, gibt es auch kaum noch einzelne Lebensmittel,
       die komplett zu meiden sind. So dürfen neuerdings auch fettreiche
       Milchprodukte regelmäßig auf dem Speiseplan stehen. Schließlich zeigen
       immer mehr Studien, dass Milch, Käse & Joghurt trotz ihres hohen Gehaltes
       an gesättigten Fettsäuren nicht dem Herzen schaden. Vielmehr können
       Milchprodukte vermutlich das Risiko für Diabetes und Herzkrankheiten
       senken. Auch die Obergrenze für Eier wurde gecancelt. Früher hielt man
       lediglich drei Eier pro Woche für vertretbar, da Eier cholesterinreich sind
       und bei bestimmten Menschen das Risiko für Herzkrankheiten erhöhen. Dies
       tun sie allerdings auch nur minimal, darum nun der Freispruch für Eier.
       
       Gleichgeblieben ist die Empfehlung, ein- bis zweimal pro Woche Fisch zu
       essen. Schließlich liefere Seefisch Jod und fettreiche Sorten lieferten
       obendrein herzschützende Omega-3-Fettsäuren. Auch Salz ist laut DGE nach
       wie vor sparsam zu verwenden, da das Würzmittel im Übermaß den Blutdruck
       erhöhe. Das oberste Gebot lautet jedoch, abwechslungsreich zu essen.
       
       Für bewiesenermaßen ungesund hält man bei der DGE mittlerweile
       zuckergesüßte Getränke und Lebensmittel – sie sollten gemieden werden.
       Diese lieferten „leere“ Kalorien und würden Karies fördern. Zudem haben
       zahlreiche Studien ergeben, dass vor allem Softdrinks und unverdünnte Säfte
       das Risiko erhöhen, an Übergewicht und Diabetes zu erkranken, wie die DGE
       bereits in ihrer Leitlinie Kohlenhydrate aus dem Jahr 2014 feststellte.
       Viel besser ist es daher, Wasser zu trinken.
       
       ## Unveröffentlichte Studien über Krebsrisiko
       
       „Auch Herzkrankheiten und Krebs werden mittlerweile mit einem hohen
       Zuckerkonsum in Verbindung gebracht“, betont Johannes Scholl, Vorsitzender
       der Deutschen Akademie für Präventivmedizin in der Zeitschrift Prevention
       First. Erst kürzlich hat eine Studie der University of California in San
       Francisco aufgedeckt, dass die Zuckerindustrie bereits vor 60 Jahren in
       Mäusestudien beobachtet hatte, dass Ratten mit Zuckerdiät ein erhöhtes
       Risiko für Herzkrankheiten und Gallenkrebs haben als Tiere, die nur Stärke
       fressen. Diese Studien wurden jedoch nie veröffentlicht, das Risiko der
       süßen Substanz wurde also systematisch vertuscht.
       
       Auch beim Alkoholkonsum gelten neuerdings strengere Regeln. Vormals war ein
       moderater Konsum vertretbar, nun wird vor Alkohol gewarnt. Denn Bier, Wein
       und Schnaps seien kalorienreich, förderten die Krebsentstehung und seien
       mit gesundheitlichen Risiken verbunden.
       
       Mediziner Scholl kann diese Neuerung nicht verstehen, schließlich zeigten
       viele Studien, dass bei einem geringen Alkoholkonsum die
       Gesamtsterblichkeit am niedrigsten sei. Insgesamt begrüßt er jedoch die
       Änderungen als Schritt in die richtige Richtung. Auch bei der Deutschen
       Adipositasgesellschaft lobt man die neuen Regeln, da sie mehr Flexibilität
       und Freiheitsgrade böten. Denn: Es stünden nicht mehr Nährstoffrelationen,
       sondern vielmehr Lebensmittelgruppen im Fokus.
       
       15 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kathrin Burger
       
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