# taz.de -- „Volt“ bei der Europawahl: Wenn Expatschnösel politisch werden
       
       > Es ist seltsam, dass plötzlich alle „Volt“ für eine wählbare Partei
       > halten. Nichts könnte falscher sein, als diese Populisten zu
       > unterstützen.
       
 (IMG) Bild: In einer seltsamen Neunziger-Jahre-Jungvonmatthaftigkeit mit flotten Werberzoten auftrumpfen
       
       Zum Glück heißt diese Rubrik „starke Gefühle“ und nicht „schlaue Gedanken“,
       denn dieser Text wird sich vollkommen haltlos, oberflächlich, übertrieben,
       ungerecht und gemein [1][an dieser Partei mit dem lächerlichen
       Automodellnamen „Volt“] abarbeiten, die bei den Europawahlen 2,6 Prozent
       der Stimmen bekommen hat und künftig drei Sitze im Europäischen Parlament
       haben wird. Vor allem geht es aber um die Frage, warum mir diese Partei so
       grundunsympathisch ist.
       
       Klar – es gibt schlimmere, aber in dieser Beurteilung sind sich die
       vernünftigen Menschen ja auch weitestgehend einig.
       
       Gegen „Volt“ allerdings scheint niemand so wirklich was zu haben.
       
       Warum auch?
       
       Nette junge Menschen sind das doch, die sich für „Europa“ einsetzen, dabei
       irgendwie auch „grün“ und „sozialliberal“ daherkommen und niemandem
       ernsthaft was Böses wollen. Und anscheinend können sie [2][die sogenannten
       Jungwähler] begeistern und gelten manchem bereits als das Bollwerk gegen
       die AfD im Wählerspektrum der 16- bis 24-Jährigen, von denen 9 Prozent
       „Volt“ gewählt haben.
       
       Und es klingt ja auch alles ganz okay, was die Partei so fordert: ein
       vereintes Europa mit föderaler Demokratie, Umstieg auf Ökoenergie bis 2035
       und bis 2040 soll die gesamte europäische Wirtschaft komplett klimaneutral
       sein.
       
       Sie will außerdem die Seenotrettung legalisieren und einen Rechtsrahmen für
       Klima-Geflüchtete schaffen.
       
       All diese Dinge gelten dem einen oder anderen politischen Beobachter als
       Beweis dafür, dass es sich bei „Volt“ um eine linke Partei handelt, aber
       meine Beobachtung ist das nicht.
       
       Ich glaube, es handelt sich bei „Volt“ um eine Expats-Schnösel-Partei, die
       vor allem deshalb so für „Europa“ ist, damit man an den Ländergrenzen nicht
       mehr seinen Ausweis zeigen muss, sondern mit Papas Tesla durchbrausen kann,
       um pünktlich zur Semesterauftakt-Party nach Aix-en-Provence zu kommen.
       
       Ja, ja, ich weiß – man darf nicht nur von den Namen der Vorstandsmitglieder
       ausgehen oder davon, was der eine oder andere im Leben vor dem politischen
       Engagement so getrieben hat. Aber ich hätte große Bauchscherzen, einen Mann
       zu wählen, der mit vollem Namen Damian Hieronymus Johannes Freiherr von
       Boeselager heißt und für die Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet hat.
       
       Und dann waren da noch diese Plakate, mit denen die Partei auf sich
       aufmerksam gemacht hat und die in einer seltsamen
       Neunziger-Jahre-Jungvonmatthaftigkeit mit flotten Werberzoten auftrumpften
       wie „Sei kein Arschloch“ oder „Für mehr Eis“ oder – Obacht!
       Revolutionssimulation! – „Power to the People“, einem Slogan also, der
       überhaupt nichts mit Europa, dafür aber sehr viel mit den USA zu tun hat,
       denn dort kam diese Forderung in den sechziger Jahren auf, skandiert von
       jungen Menschen, die gegen die Unterdrückung durch die Generation der Alten
       protestierten und gegen den Vietnamkrieg.
       
       Man lehnt sich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass
       „Volt“ eventuell nicht so ganz in dieser Tradition steht.
       
       Abgesehen davon wirken ihr Profil und ihre Forderungen wie ein Best-of aus
       den Profilen und Forderungen von [3][Grünen], SPD und FDP, nur eben ohne
       dieses nervige Regierenmüssen und Kompromissefinden. Und so ist es auch
       kein Wunder, dass sie, wenn Jung- oder Erstwähler die Verdummungsmaschine
       Wahl-O-Mat ausfüllen, zuverlässig auf den vorderen Plätzen landet, denn
       das, was „Volt“ will, wollen doch eigentlich alle.
       
       Und vielleicht ist es genau das, was mich so stört und wütend macht: dass
       es eine durch und durch populistische Partei ist, die mithilfe von Werbung
       aus der Mottenkiste aber so tut, als sei sie progressiv oder neu oder
       anders oder links.
       
       „Volt“ ist ein Politik-Start-up von reichen Schnösel-Kids, die versuchen,
       die Leere in ihren Herzen mit Sinn und Inhalt zu füllen. Ist aber auch nur
       so ein Gefühl.
       
       15 Jun 2024
       
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