# taz.de -- Vorsitz der Kongresspartei in Indien: Sieg für „King Kong Kharge“
       
       > Mallikarjun Kharge ist neuer Vorsitzender der Kongresspartei. Damit liegt
       > der Vorsitz seit 1998 wieder außerhalb der Nehru-Gandhi-Familie.
       
 (IMG) Bild: Politveteran Mallikarjun Kharge im Gespräch mit künftigen Jungwählern am 7. Oktober in Gujarat
       
       MUMBAI taz | „Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer,
       und nur bestimmte Personen haben sich den Reichtum angeeignet“, hatte
       Mallikarjun Kharge kürzlich im internen Wahlkampf um den Vorsitz der
       Kongresspartei in Mumbai erklärt. Kharge versprach Änderung. Am Mittwoch
       wurde der 80-jährige Ex-Arbeitsminister und heutige Oberhausabgeordnete zum
       Sieger erklärt.
       
       Seit Montag hatten 9.900 Delegierte für die nach Parteiangaben 40 Millionen
       Mitglieder über den künftigen Parteivorsitz abgestimmt. Kharge kam auf
       überwältigende 7.897 Stimmen, sein einziger Gegenkandidat, der 66-jährige
       Shashi Tharoor, auf 1.072.
       
       Beiden ist gemein, dass sie aus Südindien stammen. Kharge aus Karnataka,
       Tharoor aus Kerala. Letzterer war viele Jahre UN-Diplomat, ist ein
       anerkannter Schriftsteller, Unterhausabgeordneter und international viel
       bekannter als Kharge. Kharge kommt aus einer oberen Kaste, gilt als eitel
       und elitär und hat im Gegensatz zum Dalit Kharge nicht die Unterstützung
       der Familie Nehru-Gandhi, die bisher die Partei führte.
       
       Diese Familie dominierte auch jahrzehntelang Indiens Politik. Doch seit
       Narendra Modi von der hindunationalistischen Volkspartei (BJP) 2014 zum
       Premierminister gewählt wurde, hat der Kongress weiter an Macht und
       Einfluss verloren.
       
       ## Die Kongresspartei hat immer mehr Einfluss verloren
       
       Korruptionsvorwürfe plagen die Partei, aber auch ein Mangel an
       parteiinterner Demokratie. In den letzten Jahren hat der Kongress immer
       mehr Regierungen in den Bundesstaaten an die BJP verloren. Die fährt im
       säkularen Indien einen Rechtskurs und setzt sich auf Kosten von
       Minderheiten für die hinduistische Mehrheit ein.
       
       Der einst mächtige Kongress stellt heute nur noch zwei Ministerpräsidenten,
       die BJP dagegen zwölf. Nach den [1][erneut verlorenen Parlamentswahlen
       2019] gab der heftig kritisierte Rahul Gandhi den Parteivorsitz nach
       weniger als zwei Jahren wieder ab. Seine Mutter Sonia Gandhi, die schon
       seine Vorgängerin war, übernahm wieder die Führung.
       
       Seitdem wechselten nicht wenige die Seiten, darunter der amtierende
       Luftfahrtminister Jyotiraditya Scindia (BJP). Der heute 51-Jährige sah im
       Kongress zu wenig Aufstiegschancen für Jüngere. Tatsächlich wurden auch
       Kongressmitglieder gezielt abgeworben. Zudem sieht sich die indische
       Opposition Schikanen, Durchsuchungen und Festnahmen etwa durch
       Finanzbehörden ausgesetzt.
       
       In dieser schwierigen Lage sah es zunächst so aus, als fühlten sich nur
       wenige gewappnet, das Erbe und die Rettung der Partei anzutreten. Doch
       wurden die Kampagnen von Kharge und Tharoor in der Öffentlichkeit positiv
       aufgenommen. Zugleich riss Rahul Gandhi, der sich derzeit auf einem
       fünfmonatigen Marsch über 3.500 Kilometer quer durch Indien befindet, die
       Partei aus ihrer Passivität.
       
       ## Kharge ist loyal gegenüber der Nehru-Gandhi-Familie
       
       Der Politveteran Kharge genießt parteiübergreifend Respekt, ist bereits
       Oppositionsführer im Oberhaus, spricht mehrere Lokalsprachen und gilt als
       Identifikationsfigur für die meist ländliche Wählerschaft. Denn die
       regierende BJP gilt in vielen Regionen als Partei wohlhabenderer Städter.
       
       Bei Kharges Geburt stand Indien noch unter britischer Kolonialherrschaft.
       Bis heute verbinden viele die Kongresspartei mit dem indischen
       Freiheitskampf und fühlen sich deshalb der Familie Gandhi-Nehru verbunden.
       
       Ob Kharge aber auch die Jungwählerschaft mobilisieren kann, ist fraglich.
       Nach einem Aufbruch sieht seine Übernahme des Vorsitzes nicht aus. Viele
       sehen in seiner erklärten Loyalität gegenüber der Nehru-Gandhi-Familie
       vielmehr eine Absicherung ihres Einflusses.
       
       „Während Kharge im Alter von 80 Jahren seine besten politischen Tage hinter
       sich gelassen haben mag, sollten wir nicht vergessen, dass er der Sohn
       eines armen Fabrikarbeiters ist, dessen Mutter starb, als er sechs Jahre
       alt war, er einer der ersten aus seiner Familie war, der die Universität
       besuchte, der die Gewerkschaft der Fabrikarbeiter in Gulbarga gründete und
       auf Blockebene mit der Politik begann“, sagte der politische Beobachter
       Rajdeep Sardesai. Der Bestsellerautor Chetan Bhagat beschrieb Kharges Wahl
       hingegen kritisch als Referendum über eine familiengeführte Partei.
       
       Das Wochenmagazin [2][India Today] feierte ihn auf Twitter als „King Kong
       Kharge“. Der jüngere Tharoor wird auch später noch Chancen auf den Vorsitz
       haben. Auf nationaler Ebene stehen die nächsten Wahlen 2024 an.
       
       19 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Parlamentswahl-in-Indien/!5594896
 (DIR) [2] https://twitter.com/IndiaToday/status/1582655454513332230
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Mayroth
       
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