# taz.de -- Vorstand des Paritätischen über Armut: „Wenige Fortschritte“
       
       > Die Armutskonferenz diskutiert heute die gesundheitlichen Folgen
       > wachsender sozialer Ungleichheit – trotz vieler Beschlüsse unter Rot-Grün
       > tut sich in Bremen aber wenig.
       
 (IMG) Bild: Wer arm stirbt, stirbt früher – erst recht, wenn er auf der Straße lebt
       
       taz: Wer arm ist in Bremen, stirbt früher. Das wissen wir seit zwölf
       Jahren. Hat sich seitdem etwas gebessert, Herr Luz? 
       
       Wolfgang Luz: Nein. Männer in Schwachhausen oder Oberneuland werden im
       Schnitt noch immer fünf bis acht Jahre älter als in Gröpelingen oder
       Blumenthal. Bei Frauen sind es rund fünf Jahre. Für mich ist das besonders
       erschütternd – je größer das Armutsrisiko ist, je niedriger ist die
       Lebenserwartung. Und die Altersarmut wird in den kommenden Jahren rasant
       zunehmen.
       
       40 Prozent aller Kinder aus den Quartieren mit den niedrigen Einkommen
       haben bereits erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen. Welche? 
       
       Probleme mit Übergewicht treten dort beispielsweise häufiger auf, auch die
       Zahngesundheit ist dort viel schlechter. Aber es geht auch um psychische
       Probleme. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig – da sind die
       schlechteren Wohnverhältnisse zu nennen, aber auch die schlechteren
       Ernährungsgewohnheiten. Manche können sich nicht besser ernähren, weil das
       Geld fehlt, manchmal fehlt aber auch das Wissen.
       
       Oder der Arzt vor Ort. 
       
       Ja. Auch der Zugang zu Ärzten in den betroffenen Stadtteilen ist
       schlechter: Während in Gröpelingen kaum Allgemein- oder Kinderärzte
       niedergelassen sind, sind es im Viertel oder in Schwachhausen sehr viel
       mehr. Es ist also genau anders herum, als es sein müsste, angesichts der
       Krankheitslagen in den benachteiligten Stadtteilen. Die Ärzte bräuchten
       dort mehr Zeit mit den Patienten, zumal viele von diesen nicht so gut
       deutsch sprechen. Man müsste dauerhafte Anreize schaffen, damit Ärzte sich
       auch da niederlassen.
       
       Welche sollten das sein? 
       
       Sie könnten in Gröpelingen etwa Sozialpädagogen zur Seite gestellt
       bekommen. Auch bei der Verteilung der Gelder könnte man das
       berücksichtigen.
       
       Es gibt Berichte, wonach viele Bremer Kinder immer gesünder aufwachsen.
       Kommt das in Tenever nicht an? 
       
       Die Schere geht immer weiter auseinander. Während die Verhältnisse sich auf
       der einen Seite immer weiter verbessern, werden sie auf der anderen immer
       schlechter.
       
       Ein Armutsausschuss hat 2015 131 Empfehlungen erarbeitet, 88 wurden
       interfraktionell beschlossen. Gab es seither Fortschritte? 
       
       Wenige. Im Ausbau der Kindertageseinrichtungen mit erweiterten
       Öffnungszeiten und der Ganztagsschulen hat sich etwas getan, auch in der
       Teilhabe gab es Verbesserungen. Wir wissen vor aber allem nicht, wie es
       weitergeht. In der aktuellen Wahlperiode ist das Thema versandet –
       Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) hat seinerzeit noch einen runden Tisch
       ins Leben gerufen. Wir nehmen nicht wahr, dass das Thema bei der aktuellen
       rot-grünen Regierung Priorität hat.
       
       Was müsste denn noch passieren? 
       
       Die kommunale Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik muss intensiviert
       werden. Außerdem kann Bremen die betroffenen Quartiere stärken, etwa indem
       präventive Angebote, die es gibt, dauerhaft finanziell abgesichert werden.
       Die müssen zurzeit immer von Jahr zu Jahr bangen. Es muss aber auch Geld
       umverteilt werden – deshalb plädieren wir schon lange für eine andere
       Steuerpolitik. Das ist natürlich eine Bundesaufgabe. Der Paritätische
       Wohlfahrtsverband ist für eine Vermögenssteuer, für eine
       Finanztransaktionssteuer oder für eine Erhöhung des Höchststeuersatzes.
       Außerdem brauchen wir eine Mindestrente, die klar über dem Hartz-IV-Satz
       liegt, auch der Mindestlohn müsste deutlich angehoben werden. Von einer
       neuen Bundesregierung hätten wir da sehr viel mehr erwartet, als jetzt im
       Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
       
       27 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Armut
 (DIR) Obdachlosigkeit
 (DIR) Paritätischer Wohlfahrtsverband
 (DIR) Bremen
 (DIR) Kassenärztliche Vereinigung 
 (DIR) Stadtentwicklung Bremen
 (DIR) Paritätischer Wohlfahrtsverband
 (DIR) Bremen
 (DIR) Schwerpunkt Armut
 (DIR) Diabetes
 (DIR) Alleinerziehende
 (DIR) Gender
 (DIR) Alleinerziehende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Versorgungsengpässe in Hamburg: Ärzte jetzt auch für arme Kinder
       
       Sechs neue Kinderärzte sollen sich in Hamburg ansiedeln. Ob das ausreicht,
       um die Versorgungsengpässe in einigen Stadtteilen zu beheben, ist
       fraglich.
       
 (DIR) Soziale Problemlagen in Bremen-Gröpelingen: Aus dem letzten Loch
       
       Beim Talk mit dem Bürgermeister und der Bürgermeisterin machen Gröpelinger
       Bürger*innen klar, wie abgehängt sie sich fühlen.
       
 (DIR) Paritätischer Gesamtverband: Soziale Spaltung sorgt für Ängste
       
       Fast 90 Prozent der Deutschen fürchten um den sozialen Zusammenhalt,
       berichtet der Sozialverband – und fordert einen höheren Spitzensteuersatz.
       
 (DIR) Versorgungslücken in Bremen: Zu wenig Ärzte in Nord
       
       Gesundheit und Wohlstand hängen zusammen: Gerade in ärmeren Stadtteilen
       mangelt es immer wieder an ÄrztInnen
       
 (DIR) Ungesunde Armut: Keine Daten, keine Taten
       
       Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat ein Positionspapier über Armut als
       Gesundheitsrisiko veröffentlicht. Das Ergebnis: Es gibt nicht einmal
       aktuelle Daten
       
 (DIR) Ursache für Zivilisationskrankheiten: Dick sein ist okay, arm sein nicht
       
       Arme Menschen sind häufiger übergewichtig und sterben früher. Das liegt
       nicht an ihrem Verhalten, sondern an den sozialen Verhältnissen.
       
 (DIR) Hilfe für Alleinerziehende in Bremen: Ohne Papa aus der Armut
       
       Zur Verbesserung der Lage von Alleinerziehenden will der Senat ein
       Modellprojekt in Bremen-Nord und Tenever starten und ein Hilfsnetzwerk neu
       gründen.
       
 (DIR) Bremens Frauenbeauftragte über ihr neues Amt: „Fortschritt ist eine Schnecke“
       
       Bremens künftige Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm über Feminismus,
       den Genderbegriff und Bremer Besonderheiten
       
 (DIR) Bremer Kinder in Armut: Stigma für die Kinder
       
       Alleinerziehende in Bremen leben in immer unzumutbareren Verhältnissen. Das
       geht aus einer umfassenden Befragung der Arbeitnehmerkammer hervor