# taz.de -- Wagner-Söldnertruppe aus Russland: Vom Boxklub an die Front
       
       > Die brutale Privatarmee „Wagner“ hat russlandweit dutzende
       > Rekrutierungszentren eröffnet. Auch in Schulen und Sportklubs wirbt sie
       > um Söldner.
       
 (IMG) Bild: imago
       
       MOSKAU taz | Knapp 30 Treppenstufen und ein eisglatter Weg führen zum
       Boxclub „Gruscha“ (russ. für Birne) in [1][Moskau]. Hinter einer grauen
       Eisentür führt ein heller Gang in eine Halle. Dort machen sich 15 Männer
       für ihr Boxtraining am frühen Morgen warm. „Gruscha“ ist nicht weit von
       Russlands Regierungssitz entfernt. Ein Kloster ist um die Ecke, auf dem
       Spielplatz gegenüber hacken Kommunalarbeiter vereiste Schneeberge weg. Bis
       zu neunmal am Tag wird hier trainiert, die Ersten beginnen bereits um 7 Uhr
       morgens, nachmittags lernen Kinder ab sieben Jahren Thai- und Kickboxen.
       Der Hinterhofklub ist so unscheinbar wie monströs.
       
       Denn vor wenigen Tagen hat der kremltreue Unternehmer Jewgeni Prigoschin
       neue Rekrutierungszentren in 42 russischen Städten ins Leben gerufen, um
       Söldner für seine Privatarmee „Wagner“ zu gewinnen. Seine Söldner gelten
       als die brutalsten Kämpfer in Putins „Spezialoperation“ in der Ukraine, als
       Schlächter, die ihr Oberchef auch in Strafkolonien quer durchs Land anwarb.
       Im Gegenzug gab es einen Straferlass und eine Art Freifahrtschein
       Prigoschins, mit Gefangenen in der Ukraine alles tun zu dürfen.
       
       „Foltern, erniedrigen, Kehle durchschneiden – ist mir alles egal“, ließ er
       verlauten und fügte hinzu, wer von seinen Kämpfern „falsch abbiege“, werde
       an Ort und Stelle erschossen. Nicht wenige von der Gesellschaft Vergessene
       nutzten den sinnlosen Kampf als Chance, sich irgendwie nützlich zu fühlen
       oder dem trostlosten Dasein in Russlands streng hierarchisch organisiertem
       Strafvollzug zu entkommen.
       
       Die [2][„Wagnerowzy“], wie sie in Russland genannt werden, dringen immer
       weiter ins Zentrum der hart umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut ein, die
       hohen Verluste spielen für Prigoschin keine Rolle. Hinter den
       Gefängnismauern hat es sich allerdings schnell herumgesprochen, wie
       [3][erbarmungslos] die Neu-Wagnerianer verheizt würden. Die Zahl der
       Freiwilligen aus den Strafkolonien nahm stetig ab. Prigoschin verkündete
       daraufhin eine „vollständige Einstellung“ seiner „Werbeaktion“ unter
       Russlands Verurteilten – und gleichzeitig eine neue Strategie. Nun sucht er
       in schlichten Wohnsiedlungen, an Schulen und in Sportklubs wie „Gruscha“
       nach neuen Söldern.
       
       Mindestvoraussetzung: 50 Liegestütze 
       
       „Ja, wir vermitteln die künftigen Kämpfer an die richtige Stelle“, sagt die
       Empfangsdame in Schwarz. Sie reicht ein pinkes Blatt Papier. „Schreiben
       Sie“, sagt sie mit ihrer weichen Stimme und diktiert eine Telefonnummer.
       Auskünfte würden nur telefonisch erteilt, mehr könne sie nicht sagen.
       Wortkarg sind auch die breitschultrigen Männer, die sich ihre gestreiften
       Bandagen um die Hände wickeln.
       
       Am Telefon meldet sich Igor, er klingt geradezu zuvorkommend. Der künftige
       Kämpfer müsse sich persönlich vorstellen und gleich neben dem Club
       beweisen, erklärt er. Igor versichert, er komme auch schon einmal zu
       Wunschzeiten des „Bewerbers“ vorbei und „begutachte“ ihn. Die
       Mindestvoraussetzung: 50 Liegestütze. „Wenn Sie bereit sind für die Front
       und ich mein Okay gebe, könnten Sie heute schon los. Wir besorgen das
       Zugticket.“
       
       Dann gehe es erst mal in die Region Krasnodar – im Süden Russlands –, zum
       dreiwöchigen Trainingscamp, sagt Igor. Für die Trainingswochen gebe es
       40.000 Rubel (knapp 500 Euro), später einen Monatsverdienst von 240.000
       Rubel (knapp 3.000 Euro). Für russische Einkommensverhältnisse ist das viel
       Geld. „Also Pass mitbringen und in guter Verfassung sein“, rät Igor. „Es
       wird sicher alles gut gehen.“
       
       16 Mar 2023
       
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