# taz.de -- Zum Tod von Franz Beckenbauer: Des Kaisers weiße Weste
       
       > Beckenbauer beherrschte die Kunst, zu glänzen, ohne ins Schwitzen zu
       > geraten – und ohne bei Schmutzeleien Flecken abzubekommen
       
 (IMG) Bild: Als die Steuerbehörden in München ihm auf den Fersen waren, da machte er eben bei Cosmos in New York weiter: Franz Beckenbauer 1977
       
       BERLIN taz | Er war anders. Von Anfang an. Er war ein Spieler, kein
       Kämpfer. Einer, der die Eleganz auf den Platz gebracht in einem Land, in
       dem oft der als der Beste gefeiert wird, dessen Trikot nach dem Spiel
       besonders schmutzig ist. Seine Kollegen auf dem Platz mögen geschuftet
       haben, Franz Beckenbauer schwebte derweil mit einer Leichtigkeit über den
       Platz, die man in Fußballdeutschland bis dahin nicht gesehen hatte. Er hat
       das Feld nicht bearbeitet, er, der Libero, hat es von der Position vor der
       Abwehr mit seinem Blick für das Geschehen vermessen, blickte stets nach
       vorne, nicht nach unten Richtung Ball, wenn er ausgeholt hat, um zu einem
       seiner Präzisionspässe mit dem Außenrist anzusetzen. Nach Arbeit hat das
       nicht ausgesehen. Nach Kunst schon eher. In der ganzen Welt wird er bis
       heute dafür bewundert.
       
       Franz Beckenbauer beherrschte das Spiel. Auf dem Platz – und daneben. Als
       er München 1977 in Richtung New York verlassen hat, um in den USA zusammen
       mit anderen Weltstars wie Pelé dem Soccer einen neuen Markt zu erschließen,
       machte der Giesinger Postlersohn eine gute Figur. Er wohnte in einem
       Wolkenkratzer am Central Park. Einer seiner Nachbarn war das Tanzgenie
       Rudolf Nurejew. Der lud den deutschen Kicker des Öfteren zum Essen ein, und
       in der Heimat staunte man.
       
       Beckenbauer hatte sich ins Weltbürgertum gedribbelt. Dass er in die USA
       gegangen war, auch um den Schlagzeilen in München zu entfliehen, die sich
       seiner nicht gerade ausgeprägten Steuerehrlichkeit gewidmet haben, war da
       schnell vergessen.
       
       Angestiftet von seinem persönlichen Berater Robert Schwan, der als Manager
       des FC Bayern München früh erkannt hat, wie sich der Name Beckenbauer
       vermarkten lässt, hatte er sich auf [1][das riskante Spiel mit den
       Finanzbehörden] eingelassen. Auch hier erfolgreich.
       
       ## Fan im Finanzministerium
       
       Der bayerische Finanzminister Ludwig Huber war ein Fan und durfte am 30.
       Geburtstag Beckenbauers bei dessen Feier am Tisch des Kaisers sitzen. Am
       Ende half er Beckenbauer sogar dabei, Geld in der Schweiz zu verstecken,
       wohin dieser seinen Wohnsitz verlegte. Dass Beckenbauer im Gegenzug
       öffentlich der CSU seine Stimme versprochen hat, gehörte zu dem Spiel, das
       er am Ende glatt und in der ihm eigenen Eleganz für sich entschieden hat.
       
       So sauber sein Trikot meist war, wenn ein Spiel abgepfiffen worden ist, so
       unantastbar schien er auch abseits des Platzes. Er war der Botschafter des
       deutschen Fußballs in der Welt. Darauf waren in Deutschland viele ebenso
       stolz wie auf den Weltmeistertitel, den die Deutschen mit ihm als Kapitän
       1974 gewonnen haben. Ein paar wackere bayerische Steuerbeamte konnten an
       seinem Ruhm nicht kratzen. Sie wurden im Zweifel eh versetzt, wenn sie
       allzu genau hinschauen wollten. So lief das Spiel. Beckenbauer war auch
       hier der Spielführer.
       
       Das war er auch als Sportfunktionär. Er hat das Spiel gelesen und
       verstanden. Beckenbauer wusste als Vizepräsident des Deutschen
       Fußball-Bundes, als Mitglied der Exekutive des Internationalen
       Fußballverbands Fifa oder als Orga-Chef der Heim-WM 2006, welche Pässe es
       zu schlagen gilt. Korruption gehörte da zur Taktik. Die hat er beherrscht
       und das Weltturnier, in dem die Deutschen sich so sehr in Schwarz-Rot-Gold
       verliebt haben, in seine Heimat geholt. „So hat Gott sich die Welt
       vorgestellt“, hat er über die Fanmeilen gesagt, in denen die Deutschen 2006
       vor allem sich selbst gefeiert haben, und niemand wollte ihm widersprechen.
       
       Es hat sich gewiss auch niemand gewundert, als 2015 die ersten Belege dafür
       öffentlich wurden, dass im Zusammenhang mit der WM-Vergabe nach Deutschland
       Millionenbeträge auf diffusen Wegen an die Fifa geflossen sind. Als dann
       bekannt wurde, dass über ein Konto Beckenbauers gut 6 Millionen Euro
       [2][an eine Gerüstbaufirma in Katar] überwiesen wurden, die einem sinistren
       Fifa-Funktionär gehörte, schüttelte dann doch so mancher den Kopf. Und als
       dann selbst die Fifa Beckenbauer bestraft, ihn für 90 Tage vom Fußball
       ausgesperrt hat, weil dieser einen Fragenkatalog nicht fristgerecht
       beantwortet hatte, da musste er feststellen, dass sich das Spiel gedreht
       hatte. Er war kein Spielführer mehr und es wurde einsam um ihn.
       
       9 Jan 2024
       
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 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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