# taz.de -- Zwischen Staatszerfall und Machtwillkür: Afrika kriegt die Krise
       
       > In Afrika werden 2018 autokratische Staatschefs um ihren Machterhalt
       > kämpfen. Doch die EU und die USA zeigen wenig Interesse, Demokraten zu
       > unterstützen.
       
 (IMG) Bild: Bundespräsident Steinmeier besuchte im Dezember Gambia und dessen neuen Präsidenten Barrow
       
       GENF epd | Krisen sind für Mark Lowcock Alltag: Der UN-Nothilfekoordinator
       hat im Blick, wo auf der Welt die Lage besonders kritisch ist. Und für 2018
       sieht er außer Syrien und Jemen vor allem ein Land, in dem die Lage
       besonders schlimm werden wird: den Kongo.
       
       „Die Gewalt hat sich fast im ganzen Land ausgebreitet“, sagt er. Mit
       mindestens 10,5 Millionen Hilfsbedürftigen kalkulieren seine Mitarbeiter,
       vielleicht auch mehr. Denn für Ende 2018 ist die Präsidentenwahl angesetzt.
       Ob aber Amtsinhaber Joseph Kabila sein Volk nach sieben Jahren endlich
       wählen lässt, dürfte vor allem vom internationalen Druck abhängen.
       
       Von ausländischem Engagement war 2017 wenig zu spüren. Eigentlich hätten
       die Wahlen im Kongo schon dieses Jahr stattfinden müssen, doch die
       amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley lenkte bei ihrem Besuch in
       Kinshasa ganz ungefragt ein, 2018 sei doch auch in Ordnung. Den Aufschrei
       der Opposition ließ Kabila, der eigentlich nicht noch einmal antreten darf,
       an sich abperlen: Fortan war nur noch von 2018 die Rede.
       
       Haleys Auftritt in Kinshasa ist ein Beispiel dafür, dass sich die
       US-Regierung unter Präsident Donald Trump aus dem Geschehen in Afrika
       weitgehend zurückgezogen hat. Ob Wahlchaos in Kenia oder Völkermordvorwürfe
       in Burundi: Washington schweigt.
       
       Und auch die EU interessiert sich derzeit vor allem für Afrika, wenn es um
       Flüchtlingsabwehr geht. Eine Milliarde Euro soll das bitterarme Niger bis
       2020 an Entwicklungshilfe bekommen, teilte der zuständige Kommissar für
       Entwicklung, Neven Mimica, Mitte Dezember in Brüssel mit. „Der Schwerpunkt
       wird auf grundlegenden sozialen Dienstleistungen und zugleich auf
       Sicherheit liegen, das eine geht nicht ohne das andere“, sagte der Kroate.
       
       Was Sicherheit bedeutet, das sagte er auch: Kampf gegen die transnationale
       Kriminalität, darunter illegale Migration und Schleuserei – in Richtung
       Europa.
       
       ## Nur noch Reste von Staatlichkeit
       
       Um einen Frieden für den Südsudan, wo seit mehr als vier Jahren Bürgerkrieg
       herrscht, bemühen sich EU und USA derzeit ebenso wenig wie um die
       Stabilisierung der Lage in der Zentralafrikanischen Republik, wo die Not
       der Menschen ins Unerträgliche wächst. In beiden Ländern sind nur noch
       Reste von Staatlichkeit vorhanden. Anderswo haben Separatisten Zulauf, im
       Südosten Nigerias etwa, wo es wachsende Unterstützung für ein unabhängiges
       Biafra gibt. Der Staat weiß sich wie einst Ende der 60er Jahre nur mit
       Gewalt zu helfen.
       
       Auch in Kamerun drohen die Unruhen zwischen der französischsprachigen
       Bevölkerungsmehrheit und der empörten Englisch sprechenden Minderheit zu
       eskalieren. Separatisten sind erfolgreich, weil die Minderheit sich zurecht
       vernachlässigt fühlt. Der seit 1975 regierende Paul Biya (84) will sich
       2018 für weitere sieben Jahre wiederwählen lassen. Unruhen scheinen sicher.
       
       Noch älter als Biya war zuletzt nur Simbabwes Präsident Robert Mugabe (93),
       der nach 37 Jahren an der Macht abgesetzt wurde. 2018 soll sein Nachfolger
       gewählt werden. Dass mit Emmerson Mnangagwa ein Mitglied des ancien régime
       in den Startlöchern steht, lässt auch dort wenig Gutes erwarten.
       
       ## Eisige Stimmung auf dem EU-Afrika-Gipfel
       
       Das fast schon biblische Alter vieler afrikanischer Herrscher übertüncht,
       dass hinter den politischen Krisen ein ungelöstes Problem steckt. Drei
       Fünftel der 1,2 Milliarden Afrikaner sind unter 25, viele auch gut
       ausgebildete junge Männer und Frauen haben keine Chancen auf dem
       Arbeitsmarkt.
       
       Die Wirtschaftsabkommen, die die EU als einzige Lösung anbietet, würden die
       Lage vermutlich verschlimmern, weil die afrikanischen Staaten dann ihre
       Märkte weiter öffnen müssten. Auch deshalb war die Stimmung auf dem
       EU-Afrika-Gipfel in Abidjan im Dezember 2017 eisig. Einwanderungsquoten,
       die helfen könnten, lehnt die EU dagegen bisher ab.
       
       Wie Afrika sich aus eigener Kraft erneuern kann, zeigt indes das Beispiel
       Gambia. Der westafrikanische Staatenbund Ecowas schaffte es im Januar 2017,
       den diktatorisch regierenden Yahya Jammeh aus dem Land zu zwingen und den
       Wahlsieg des jungen Oppositionsführers Adama Barrow anzuerkennen. Der
       anfängliche Jubel ist der Erkenntnis gewichen, dass auch Barrow die
       Probleme des Landes nicht über Nacht lösen kann. Die erhoffte Unterstützung
       aus dem Westen für die Kräfte des friedlichen Wandels blieb indes
       weitgehend aus.
       
       27 Dec 2017
       
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