# taz.de -- İlkay Gündoğan bei der EM: Groß vor Kroos
       
       > Der Kapitän der DFB-Elf versteht sich mit Toni Kroos beinah telepathisch.
       > Er ist Mittelfeldantreiber, Torevorbereiter und trifft auch selbst.
       
 (IMG) Bild: Jubel nach dem Tor zum 2:0: İlkay Gündoğan beim Spiel Deutschland-Ungarn in Stuttgart
       
       Als Ausweis ihrer Professionalität benutzen Fußballprofis heutzutage fast
       inflationär das englische Wörtchen „humble“ – bescheiden. Sie seien ja dem
       Hype und Aufmerksamkeitsgetöse zum Trotz so „down to earth“, also wirklich
       kein bisschen abgehoben. Was bei den meisten taktische Flunkerei ist, das
       ist bei [1][İlkay Gündoğan] einfach nur wahr. Er ist mit einiger Sicherheit
       der bescheidenste Superstar, den der Fußball derzeit aufzubieten hat. Beim
       2:0-Sieg der [2][DFB-Elf] gegen Ungarn in der Stuttgarter Arena wurde der
       33-Jährige zum „Man of the Match“ gekürt, weil er nicht nur eine formidable
       Partie als offensiver Mittelfeldstratege gespielt hatte, sondern ebenso mit
       einer Torvorlage und einem Tor glänzte.
       
       Da stand der kleine Mann, geboren in Gelsenkirchen, Papa aus Dursunbey im
       Westen der Türkei, also gut im Rampenlicht, und trotz seiner gigantischen
       Erfolge in Deutschland und England, dort mit [3][Manchester City], sind
       diese großen Bühnenauftritte immer noch nichts für ihn. Ein wenig verloren
       wirkt er, aber diesmal bekam er dieses gewisse Strahlen nicht mehr aus dem
       Gesicht. Eine stille Genugtuung ließ ihn lächeln. Dann sagte Gündoğan einen
       Gündoğan-Satz: „Ich wollte immer geduldig bleiben, ich wollte immer meine
       Aufgaben auf dem Platz so gut wie möglich erfüllen, ohne mich dabei allzu
       wichtig zu nehmen.“
       
       Diese Gefahr besteht nun wirklich nicht. Im Gegenteil, er scheint immer
       wieder Ermunterung zu brauchen, die Trickkiste nicht nur einen Spalt,
       sondern ganz zu öffnen: „Er ist ein extrem smarter Spieler, wir müssen ihm
       alle im Land vertrauen“, sagte Trainer [4][Julian Nagelsmann] nach dem
       Spiel, das bereits den Weg ins Achtelfinale frei machte und das letzte
       Gruppenspiel am Sonntag in Frankfurt gegen die Schweiz weniger wichtig
       erscheinen lässt. „Wir müssen ihn einfach alle ein bisschen pushen, weil er
       uns helfen kann, erfolgreich zu sein.“ Also İlkay, zeig uns noch mehr!
       
       Im motorischen System der DFB-Elf gibt es zwei Nervenzentren, die
       Bewegungen und Ströme lenken: [5][Toni Kroos] auf der defensiveren
       Sechser-Position und İlkay Gündoğan davor. War Kroos im Eröffnungsspiel
       gegen Schottland überragend, so wanderte die zentrale Spielleitung diesmal
       eher zu Gündoğan. Dort vorn fühlt er sich ohnehin wohl, in der Saison
       2020/21 hat er für die Skyblues in der Premier League 13 Tore geschossen,
       etliche Vorlagen kamen noch hinzu. Und es war am Mittwochabend interessant
       zu erfahren, dass Gündoğan sich offenbar blind mit Kroos versteht, auf eine
       irgendwie telepathische Art: „Das Gute mit Toni ist: Wenn wir uns eine
       Millisekunde anschauen, weiß der eine schon, was der andere vorhat.“ Dieses
       Einvernehmen sei auf dem Platz „unheimlich wichtig. Je besser man diese
       Verbindung mit den Kollegen herstellen kann, desto besser wird man auch
       spielen.“ Feinsinnig ist er, leichtfüßig sowieso.
       
       Bei der letzten Europameisterschaft standen Kroos und Gündoğan noch
       zusammen auf der Sechs herum. Das funktionierte nicht so gut, weil beide in
       so einer Lage immer nur „das Gleiche denken“ und „das Gleiche machen“
       würden, eine Dopplung der guten Absichten scheint negativ zu wirken, also
       hat Nagelsmann alles richtig gemacht, die Strategen räumlich zu staffeln.
       Aber eigentlich hat er nur nachgemacht, was ihm ManCity-Coach [6][Pep
       Guardiola], der Gündoğan stets in den allerhöchsten Tönen lobte, vorgemacht
       hat: Während Kroos im Laufe der Karriere nach hinten rückte, machte sich
       Gündoğan auf den Weg nach vorn.
       
       ## Vertrauen und Stabilität
       
       Dass er seine Rolle im Gegensatz zur Katar-WM gefunden hat, wo er von Coach
       [7][Hansi Flick] immer fahrlässig früh ausgewechselt und damit verunsichert
       wurde, gibt ihm nun auch im Nationalteam jene Stärke, die er im Verein
       immer hatte: „Ich spüre vor allem das Vertrauen vom Trainer, ich fühle mich
       in der Mannschaft extrem wohl.“ Das sei ein gutes Vorzeichen, um auf dem
       Platz frei aufzuspielen. Der Kapitän des Teams stärkt andere, aber er
       braucht auch Infusionen fürs Selbstvertrauen, vor allem Stabilität in der
       Startelf.
       
       Der mittlerweile beim [8][FC Barcelona] kickende Profi sprach auch in
       Stuttgart dieses englische Wörtchen aus: „humble“. Natürlich, und wie
       sollte es anders sein, bezog er es nicht auf sich selbst, sondern auf den
       Kollegen [9][Jamal Musiala]. „I love him“, sagte er auf die Frage eines
       englischen Reporters, „he is the most important for us.“ Wenn doch alle in
       diesem Land so wären wie İlkay Gündoğan, es wäre ein Sehnsuchtsort.
       
       20 Jun 2024
       
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