# taz.de -- Urteil zu Ehegattennachzug: Unverhältnismäßiger Automatismus
       
       > Der Europäische Gerichtshof beanstandet die 2007 eingeführten
       > Deutschtests beim Ehegattennachzug. Einige Fragen bleiben aber offen.
       
 (IMG) Bild: Türkische Ehepartner dürfen wieder ohne Sprachtest nach Deutschland ziehen
       
       FREIBURG taz | Ehegatten, die zu einem in Deutschland lebenden Türken
       ziehen wollen, müssen vorab keinen Sprachtest mehr bestehen. Das entschied
       nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Ob die Tests für
       andere Ausländer bestehen bleiben können, ließ der EuGH offen.
       
       Geklagt hatte das türkische Ehepaar Dogan, das seit 1993 verheiratet ist
       und vier Kinder hat. Der Mann lebt seit 1998 in Deutschland und führt in
       Berlin eine kleine Firma. Die Frau blieb zunächst in der Türkei und zog die
       Kinder auf. Erst 2011 stellte sie einen Antrag auf Ehegattennachzug, der
       aber abgelehnt wurde.
       
       Sie hatte den Sprachtest zwar knapp bestanden, die deutsche Botschaft in
       Ankara erkannte dies jedoch nicht an, da die Frau Analphabetin sei. Beim
       Test habe sie wahllos Antworten angekreuzt und drei auswendig gelernte,
       aber unpassende Sätze hingeschrieben.
       
       Seit 2007 verlangt Deutschland von nachziehenden Ehegatten, dass sie sich
       „zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen“ können. Dies
       muss vor der Abreise durch einen Sprachtest nachgewiesen werden.
       Andernfalls bekommen sie keine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland.
       Betroffen sind von der Regelung vor allem Türken, Russen und Kosovaren. Für
       EU-Staatsangehörige, Amerikaner und Bürger aus vielen anderen
       Industriestaaten gilt die Deutschpflicht dagegen nicht.
       
       Das Verwaltungsgericht Berlin fragte sich, ob das deutsche Gesetz gegen
       EU-Recht verstößt und legte den Dogan-Fall dem Europäischen Gerichtshof zur
       Entscheidung vor.
       
       Der EuGH hat dies im Fall von türkischen Ehegatten nun klar verneint. Hier
       verstoße die Einführung der vorgelagerten Sprachtests gegen das
       Assoziierungsabkommen EU/Türkei von 1963 und ein entsprechendes
       Zusatzprotokoll von 1970. Dort war eine Stillhalteklausel vereinbart
       worden, wonach für Türken grundsätzlich „keine neuen Beschränkungen der
       Niederlassungsfreiheit“ in der EU eingeführt werden dürfen.
       
       Nach der ständigen EuGH-Rechtsprechung sind Ausnahmen nur möglich, wenn sie
       durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.
       Die Bundesregierung hatte argumentiert, dass die Deutschpflicht dem Schutz
       vor Zwangsehen diene.
       
       Ohne große Argumentation lehnte der EuGH die deutsche Regelung nun jedoch
       als „unverhältnismäßig“ ab, da ein Automatismus vorgesehen sei, „ohne dass
       besondere Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden“. Eine
       Sprachtest-Pflicht mit Härtefall-Regelung könnte der Bundestag also
       ersatzweise beschließen. Zunächst entfällt für Türken jedoch die Pflicht
       vorheriger Sprachtest. Frau Dogan wird deshalb jetzt ein Visum erhalten.
       
       Was bei russischen oder marokkanischen Ehegatten gilt, bleibt offen. Das
       Verwaltungsgericht hatte zwar gefragt, ob hier ein Verstoß gegen die
       generell geltende EU-Richtlinie zum Familiennachzug vorliege. Der EuGH ließ
       die Antwort aber offen, weil sie zur Lösung des Dogan-Falles nicht mehr
       erforderlich war. (Az.: C-138-13) 
       
       Im September 2012 hat das Bundesverwaltungsgericht immerhin entschieden,
       dass beim Nachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen niedrigere
       Anforderungen gelten als beim Nachzug zu einem hier lebenden Ausländer. Im
       ersten Fall soll von einem erfolgreichen Sprachtest abgesehen werden
       können, wenn Bemühungen um den Spracherwerb nicht möglich, nicht zumutbar
       oder innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich sind.
       
       10 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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