# taz.de -- Politiker über deutsche Waffen in Mexiko: „Unterstüzung nicht um jeden Preis“
       
       > Ein Polizeiabkommen biete Chancen, sagt Christoph Strässer,
       > Menschenrechtsbeauftragter des Bundes. Waffenlieferungen sieht er
       > kritisch.
       
 (IMG) Bild: Ein G36-Gewehr von Heckler & Koch in den Händen eines Bundeswehrsoldaten: Vermutlich wurden mit solchen Waffen die Studenten in Iguala ermordet.
       
       taz: Herr Strässer, vor einigen Tagen haben die kirchlichen Hilfswerke Brot
       für die Welt und Misereor die Bundesregierung aufgefordert, ein
       [1][Polizeiabkommen mit Mexiko nicht umzusetzen]. Sie haben sich für eine
       solche Zusammenarbeit ausgesprochen. Warum? 
       
       Christoph Strässer: Ich bin selbst gespalten. Der Zustand der mexikanischen
       Polizei ist mehr als problematisch. Menschenrechtliche und andere
       rechtsstaatliche Standards werden teilweise nicht beachtet. Lokale und
       bundesstaatliche Polizisten arbeiten teilweise mit der organisierten
       Kriminalität zusammen. Das zu unterstützen kann natürlich nicht im Sinne
       einer Sicherheitspartnerschaft sein.
       
       Andererseits: In Mexiko müssen Polizisten nach wenigen Ausbildungswochen
       Aufgaben erfüllen, auf die sie nicht ausreichend vorbereitet sind. Vieles
       funktioniert schlecht, etwa die Sicherung von Tatorten und Beweismitteln.
       Aber das eigentliche Problem ist die Korruption. Wenn man mit deutscher
       Hilfe Konzepte entwickeln kann, um diese Schwierigkeiten zu überwinden,
       wäre das nicht falsch. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die
       Menschenrechte eingehalten werden.
       
       Es könnte passieren, dass Polizisten ausgebildet werden, die später für die
       Mafia arbeiten. 
       
       Die Gefahr besteht sicher in Einzelfällen. Deshalb muss man im Abkommen
       festlegen, wie überprüft wird, ob das passiert. Das ist machbar, wir haben
       schließlich mit vielen Staaten Sicherheitspartnerschaften, um Polizisten in
       demokratischem Handeln zu schulen. Wenn es dafür eine realistische
       Perspektive gibt, ist das sinnvoll. In Mexiko gibt es eben nur diese
       Polizei. Wenn man dort rechtsstaatliche Strukturen stärken kann, sollte man
       es versuchen. Aber nicht um jeden Preis.
       
       Hatten Sie den Eindruck, dass der Fall Iguala von den Behörden ernsthaft
       strafrechtlich verfolgt wird? 
       
       Das ist ein großes Problem. Im Gespräch mit dem jetzt zurückgetretenen
       Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam sind große Defizite deutlich
       geworden. Beweismittel wurden erst nach Wochen gesichtet und offenbar nur
       aufgrund des Drucks von außen. Die Angehörigen fordern zu Recht, dass bei
       der Identifizierung der Opfer mehr getan werden muss. Bislang ist [2][nur
       eines identifiziert worden]. Herr Murillo Karam sagte uns, die Ermittlungen
       seien noch nicht abgeschlossen.
       
       Im Januar hat er sie bereits für beendet erklärt. 
       
       Die [3][Angehörigen haben das deutlich kritisiert], die Aussage hat das
       Vertrauen in die Offenheit und Transparenz der Ermittlungen sehr stark
       erschüttert. Die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft könnte zu
       einer Kehrtwende beigetragen haben.
       
       Sie haben sich auch mit den Gewehren der [4][Waffenschmiede Heckler & Koch]
       beschäftigt, die offensichtlich illegal in die Hände der Polizei von Iguala
       geraten sind. Haben Sie Neues erfahren? 
       
       Niemand bestreitet mehr, dass sich die Waffen dort befanden. Ob sie gegen
       die Studenten eingesetzt wurden, ist noch unklar. Aber auch dafür gibt es
       Indizien. Wenn man die Rechtslage betrachtet, hätten die Gewehre nicht nach
       Guerrero gelangen dürfen. Die Angehörigen haben schon an Weihnachten vor
       der deutschen Botschaft in Mexiko-Stadt dagegen demonstriert. Zu Recht. Sie
       erwarten, dass wir für Aufklärung sorgen. Und sie fordern, keine Waffen
       mehr nach Mexiko zu liefern.
       
       Etwa 10.000 dieser Gewehre gingen in das Land. Hätte man nicht vorher
       wissen können, wie schwierig die Situation ist, und den Export erst gar
       nicht genehmigen dürfen? 
       
       Diese Frage stellt sich im Nachhinein. Meines Wissens hat es eine Absprache
       über den Endverbleib der Waffen gegeben. Demnach hätten die Gewehre in vier
       Bundesstaaten nicht gehen dürfen, darunter Guerrero. Die mexikanische Seite
       hat uns gegenüber bestritten, dass es diese Absprache gab. Das wird das
       Stuttgarter Landgericht klären müssen, wo gegen Heckler & Koch Ermittlungen
       laufen. Aber wenn man nicht ausschließen kann, dass sich die andere Seite
       nicht an Absprachen hält, wird eine solche Genehmigung sehr fragwürdig.
       
       Sie haben gesagt: „Wenn mit Waffen aus Deutschland Verbrechen begangen
       werden, dann ist es für mich ein Anlass, mich dafür zu entschuldigen.“ Ist
       das nicht naiv? 
       
       Vielleicht ist das naiv. Und mit der Entschuldigung ist der Tatbestand ja
       auch nicht aus der Welt. Wir haben über drei Stunden mit den Angehörigen
       gesprochen und ihre Verzweiflung gespürt. Meine Aussage war eine emotionale
       Reaktion auf das Gespräch. Aber sie war angemessen.
       
       Sollten Ihrer Meinung nach derzeit irgendwelche Rüstungsgüter nach Mexiko
       exportiert werden? 
       
       Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu Vorfällen wie in
       Iguala kommt, plädiere ich dafür, keine Waffen zu liefern. Das ist auch der
       aktuelle Stand in der Bundesregierung. Es werden derzeit keine
       Ausfuhrgenehmigungen für Kriegskleinwaffen nach Mexiko erteilt.
       
       11 Mar 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.kein-polizeiabkommen.de/154/positionspapier-polizeiabkommen.html
 (DIR) [2] /Drogenkartelle-in-Mexiko/!150828/
 (DIR) [3] /Studentenmassaker-in-Mexiko/!153649/
 (DIR) [4] /Heckler--Koch-unter-Verdacht/!151034/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
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